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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 11. Juni 2014; 16:12
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Glosse/Polizei/Recht:

> Ausweiskontrollen: Polizei darf immer

Man sitzt gemütlich im Zug, gerade haben sie Wels vorbeigezogen, nächster
Halt Attnang-Puchheim. Plötzlich steht ein ziemlicher Schlägertyp vor mir
und hält mir seinen Ausweis hin: Polizei. Er möchte meinen Ausweis sehen.
Frecherweise frage ich ihn, was er denn dafür eine Begründung hätte. Nein,
dafür gebe es keine besondere Begründung, außer: "Wir dürfen das, schauns im
SPG nach!" Und wenn ich keinen Ausweis bei mir hätte? In Österreich besteht
doch keine allgemeine Ausweispflicht! "Dann müssens aussteigen, damit wir
ihre Identität kontrollieren können."

Mit anderen Worten: Ich würde praktisch für meine Ausweislosigkeit bestraft,
in dem ich in Wels auf den nächsten Zug warten müßte. Aber Ausweispflicht
besteht natürlich keine.

Weiter nachfragen traue ich mich nicht mehr -- denn die letzten Worte des
Schlägertyps waren schon sehr knurrig vorgetragen worden. Man kennt ja die
charmante Art der Freund und Helfer, handgreiflich zu werden.

Zuhause schaue ich dann im Sicherheitspolizeigesetz (SPG) nach. Ich wußte
gar nicht, was alles als Ausrede für eine Ausweiskontrolle herhalten kann.
Da liest man dann: "§ 35. (1) Die Organe des öffentlichen
Sicherheitsdienstes sind zur Feststellung der Identität eines Menschen
ermächtigt, ... 6. wenn nach den Umständen anzunehmen ist, der Betroffene
habe im Zuge einer noch andauernden Reisebewegung die Binnengrenze
überschritten oder werde sie überschreiten; 7. wenn der Betroffene entlang
eines vom internationalen Durchzugsverkehr benützten Verkehrsweges unter
Umständen angetroffen wird, die für grenzüberschreitend begangene
gerichtlich strafbare Handlungen typisch sind".

Ahja. In einem Zug, der von Wien nach Salzburg fährt und Österreich gar
nicht verläßt, darf man zwischen Wels und Attnang annehmen, ich würde eine
"Binnengrenze" überschreiten wollen. Wahrscheinlich ist die zwischen OÖ und
Salzburg gemeint. Oder war etwa meine Kleidung irgendwie typisch für
"grenzüberschreitend begangene gerichtlich strafbare Handlungen"?

Kontrollieren dürfen unsere Polizisten auch dann, wenn sie mich "auf Grund
bestimmter Tatsachen" für einen abgängigen Minderjährigen, einen psychisch
Kranken oder einen Häftling auf der Flucht halten. Sie dürfen das aber auch,
wenn anzunehmen sei, die zu kontrollierende Person "stehe im Zusammenhang
mit einem gefährlichen Angriff oder könne über einen solchen Angriff
Auskunft erteilen" oder "wenn der dringende Verdacht besteht, daß sich an
seinem Aufenthaltsort mit beträchtlicher Strafe bedrohte Handlungen
ereignen" -- und noch ein paar weitere Gummiparagraphen.

Überall Handtaschenräuber auf der Demo

Bei der Demo gegen die Burschenschafter am 4.Juni kam es nach Polizeiangaben
zu 208 Identitätsfeststellungen -- Begründungen dafür schrieb die Polizei
nicht in ihre Aussendungen. Auf der Straße hingegen begründeten die Beamten
das laut nachfragenden Betroffenen, daß diese einem Gesuchten ähnlich sehen
würden oder daß es in der Umgebung zu einem Taschendiebstahl gekommen sei.

Wozu braucht es da noch ein SPG? Man könnte ja gleich reinschreiben: Die
Polizei darf immer und überall die Identität jeder Person kontrollieren.

Sicher, ganz so ist nun auch wieder nicht. Letztes Monat berichtete das
"Rechtsinfokollektiv", daß ein Mann, der bei einer Demo eine Verhaftung
gefilmt hatte und deswegen von der Polizei nach dem Ausweis gefragt worden
war, gelungen ist, vor dem Verwaltungsgericht erfolgreich zu protestieren.
Er erhielt für seine Maßnahmenbeschwerde sogar mehrere hundert Euro
Aufwandsentschädigung.

Nur: Es mag zwar nett sein, wenn man in solchem Fall ein bisserl Geld vom
Staat bekommt -- für einen Aufwand, den man allerdings tatsächlich hatte --,
aber letztendlich kann man sich mit solch einem Urteil nur die Wand
tapezieren. Denn die Polizei juckt das nicht. Die macht das das nächste Mal
genauso. Solange das für die Polizei als solche und auch für den einzelnen
Beamten genau keine Konsequenzen hat, wird sich an dieser Willkür nichts
ändern.

Die einzigen Identitäten die geschützt werden, sind die der Polizisten
selbst. Denn diese verhindern es ja qua Personalvertreter immer wieder
erfolgreich, auch nur ihre Dienstnummer offen auf der Uniform tragen zu
müssen. Und so bleibt auch weiterhin jede Befugnisüberschreitung an jenem
armen Beamten hängen, der die Dienstnummer 4711 trägt.
-br-


SPG §35:
http://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Dokumentnummer=NOR40154241
Fall des Rechtsinfokollektivs:
http://at.rechtsinfokollektiv.org/masnahmenbeschwerde-gewonnen/



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