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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 4. Juni 2014; 03:32
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Nach der EP-Wahl:

> Europäische Seifenblasen

Jetzt sind sie alle empört! Das ist doch keine Demokratie! Jean-Claude
Juncker hat die EU-Wahl gewonnen und muß jetzt Kommissionspräsident werden!

Ahja! Komisch! Auf meinem Stimmzettel stand er nicht. Auch in weiteren 26
Staaten der EU war das nicht der Fall. Außer den Luxemburgern konnte dessen
Partei überhaupt niemand wählen. Und selbst dort hat er persönlich nicht
kandidiert. Das ist aber auch kein Wunder, war es doch nur eine Wahl des
Europaparlaments und nicht der Kommission.

Das Theater um die sogenannten Spitzenkandidaten war nur Chimäre.
Zuallererst ging es darum, daß möglichst viele Wahlberechtigte
sozialdemokratische oder EVP-Parteien wählen sollten -- das kennen wir von
Österreich, wo Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Koalitionsspitzen
prognostiziert werden, weil das Volk annimmt, daß der Chef der stärkeren
Partei dann das Anrecht auf den Kanzlerposten habe. Das ist eine gute
Methode, Stimmen von anderen Parteien abzuziehen.

Zum Zweiten ging es darum, überhaupt Wahlberechtigte zum Wählengehen zu
bewegen -- sie sollten das Gefühl haben, nicht nur einige wenige nationale
Mandatare, die dann in der Masse sowieso untergehen, bestimmen zu können,
sondern tatsächlich "europäisch" zu wählen. Auch eine reine Fassade, aber PR
funktioniert nunmal über das Gefühl.

Und zum Dritten sollte das europäische Wahlvolk der Meinung sein, es könnte
den EU-Oberindianer, den Kommissionspräsidenten mitbestimmen -- weil das hat
sowas von Demokratisierung der Europäischen Union.

Alles miteinander natürlich ein großer Topfen. Hallo, gibt es ein relatives
Mehrheitswahlrecht in der EU? Junckers Europafraktion hat gerade mal 28,5%
der Sitze gewinnen können, 7,5%-Punkte weniger als 2009. Das mag zwar in
Österreichs Intrigantenstadel locker zur Kanzlerschaft ausreichen, selbst
wann man nicht der Führer der stärksten Partei sein sollte -- aber dadurch
wird es nicht seriöser. Doch selbst in unserer seltsamen Republik muß man
dazu erst einmal Koalitionsverhandlungen führen und gewisse Zugeständnisse
machen, Automatismus gibt es da keinen. Und sicher hat bei der EP-Wahl kaum
jemand eine der anderen Parteien gewählt, damit ihre Mandatare dann ohne
jegliches politisches Angebot den als solchen titulierten Kandidaten der EVP
zum Kommissionspräsidenten machen.

Seltsamkeiten

Es mag ein wenig seltsam sein, daß ausgerechnet Stimmen aus Junckers eigener
Europapartei ihn nicht zum EU-Regierungschef machen wollen. Noch seltsamer
mutet es aber auf den ersten Blick an, wenn ausgerechnet die Grünen auf dem
EVP-Kandidaten bestehen. Doch auf den zweiten Blick ist es schon klar: Die
Grünen sind die glühendsten EU-Fans überhaupt und ihre wichtigste Aufgabe
scheint zu sein, die Akzeptanz der EU als solcher zu erhöhen. Und deswegen
sind sie jetzt nicht sonderlich erfreut, daß die Seifenblase der
Spitzenkandidaturen als Merkmal eines "gemeinsamen, demokratischen Europas"
jetzt zu platzen droht.

Wenn Juncker nicht Kommissionspräsident wird und man sich auf einen
Kompromißkandidaten einigt, den eine breite Mehrheit im Parlament
unterstützen kann; oder wenn Jucker erst nach echten Verhandlungen zwischen
Parlamentsfraktionen und Regierungschefs zum Beispiel über die
Zusammensetzung auch des Rests der Kommission auf den Schild gehoben wird,
dann hätte das sogar eher etwas mit Demokratisierung zu tun als dieser
seltsame Automatismus.

Demokratie?

Läßt sich die EU überhaupt demokratisieren oder ist das doch nur zum
Scheitern verurteilt? Kann ein Gebilde, das heute sich schon viel mehr als
riesiger Zentralstaat denn als Staatenbund präsentiert, überhaupt so etwas
wie auch nur bürgerliche Repräsentativ-Demokratie realisieren? Und will das
überhaupt jemand bei den maßgeblichen Stellen ernsthaft? Sehr zweifelhaft!

Eines ist aber klar: Das Konzept der "Spitzenkandidaten" war als
Demokratisierungsidee nicht mal ein netter Versuch. Egal, ob Juncker doch
noch Präsident werden sollte oder nicht, die Glaubwürdigkeit ist dahin. Und
das ist gut so. Denn Seifenblasen können ja recht hübsch sein und der
Unterhaltung dienen, aber zerplatzen muß man sie dann doch lassen...
*Bernhard-Redl*



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