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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 4. Juni 2014; 03:16
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Nach der EP-Wahl:
> Für euch ist das ein Spiel
Ein Aufschrei vom Montag nach der EP-Wahl
Selten hatte ich so ein Gefühl von Hoffnungslosigkeit, Abscheu und
Unverständnis wie gestern, als ich im deutschsprachigen Fernsehen und
parallel auf Twitter die Ergebnisse zur EU-Wahl vernommen habe. Es ist
leicht besserwisserisch und defätistisch, jeden Erfolg zu nivellieren, das
ist nicht meine Intention. Aber dieses Abfeiern von Nichtigkeiten, die
Hilflosigkeit (im besten Fall), wie rechtsextremen Parteien begegnet wird
und das Draufhauen auf jede linke Regung, erzeugen neben Desillusionierung
(ein gewohntes, altes Gefühl) vor allem Loslösung.
Eine seltsame Distanziertheit hat sich eingeschlichen zwischen denen, die
Politik "machen", den Pros, den Könner_innen, denen die 24h für ein Mandat
laufen oder anderen dazu verhelfen und mir. Manchmal ist es so, als würde
sich das alles durch eine Milchglasscheibe abspielen. Als wäre das ein
seltsam schrilles, verzerrtes Schauspiel. Als würde es nach einer Logik
funktionieren, die mir nicht begreiflich ist. Wie 50er Jahre Heimatfilme. Da
ist alles zu dick aufgetragen, zu behäbig und die Probleme sind zu
belanglos. Genauso kommt es mir vor, wenn über Vorzugsstimmen für x oder y
diskutiert wird. Als ginge es darum, wer die Kirschen aus dem Pfarrgarten
gestohlen hat. Am Ende löst sich alles in Wohlgefallen auf und das Dorf
feiert ein Fest.
Ich möchte gerne so laut ich kann schreien: ES IST KEIN SPIEL. Niemand
interessiert sich für eure Belanglosigkeiten. In Europa marschiert der
Rechtsextremismus auf und ihr tut so als wäre nichts. Es ist so furchtbar,
das mitanzuschauen und gleichzeitig in die leeren Gesichter der etablierten
Parteien zu schauen, die so tun, als passiere das in einer anderen Welt, in
einem anderen Europa. Es ist viel zu spät für's Ignorieren. Das ist an sich
keine besonders kluge Strategie, aber jetzt im Moment ist sie auch
gefährlich. Die Reaktion macht mich sprachlos. Sprachlosigkeit ist aber
falsch. Wir müssen Worte finden. Denn das, was in Europa gestern passiert
ist, ändert Vieles. In Österreich haben wir uns öffentlich schon an viel
gewöhnt. Rechtsextreme tanzen in der Hofburg, Alltagsrassismus feiert
fröhliche Urständ und Antisemitismus wird von gewählten Vertereter_innen
ganz offen propagiert.
Und was sind die Diskussionsstränge? Etwa, dass "unsere" Rechtsextremen
nicht so schlimm sind wie die der Anderen. Unsere Rechtsextremen sind ja nur
"Populisten", während die in Frankreich so richtige Rechtsextreme sind.
Allein die Diskussion verlangt nach einem weiteren Glas Whiskey, straight
ohne Eis bitte. Dann sei all den lustigliberalen Medienmenschen gesagt, dass
der Front National an der FPÖ nur mehr mit viel Naserümpfen und der
Kneifzange anstreift. Nicht die Parteien, mit der die FPÖ zusammen arbeitet,
sollte in Österreich das Problem sein, sondern die FPÖ selbst. Keine andere
Partei mit offen rechtsextremen Kontakten ist über einen längeren Zeitraum
so erfolgreich in Europa wie die FPÖ. Und das gelingt nur durch das
komplette Versagen der politischen wie kulturellen Eliten. Ihr habt versagt.
Ihr habt deswegen versagt, weil es euch in eurer scheißironischen
Gute-Laune-Haltung einfach egal ist. Weil ihr bedröppelt drein schaut, wenn
die FPÖ wieder dazu gewinnt, aber im Grunde eures Herzens betrifft es euch
auch nicht. Weil Nazis nicht euch verprügeln. Weil ihr nicht von dieser Wand
an Alltagsrassismus betroffen seid, aus der es kein Entrinnen gibt. Weil ihr
keine Zukunftsängste habt. Weil ihr einfach so flockig weiter lebt, während
es vielen einfach nur schlecht geht. Eure Privilegien sind die Armut von
Anderen.
Extremismustheoretiker
Die Fraternisierung mit Rechtsextremen geht aber noch weiter. Fast sämtliche
deutschsprachige Medien hat der Erfolg von SYRIZA mehr betroffen als das
Abschneiden von FPÖ, Front National, AfD, NPD, UKIP, Jobbik, dänischer
Volkspartei und ähnliche. Ich dachte, ich bin schon in einer
protofaschistischen Parallelwelt, als der ARD-Moderator die Ergebnisse aus
Griechenland verkündete. Mit Betroffenheitsmiene und Grabesstimme verkündete
er: "Ein Wahlsieg der linksextremen SYRIZA ist zu befürchten." Nach einer
dramatischen Pause wurden die Ergebnisse verkündet.Unabhängig davon, ob die
Positionen von SYRIZA nicht noch vor ein paar Jahren nicht einfach als
grundsolide sozialdemokratisch zu bezeichnen gewesen wären, ist das offen
antilinke Hetze. Ein antikommunistischer Grundkonsens ist immer auch
Grundpfeiler jedes (halb)faschistischen Systems gewesen. Aber das nur am
Rande. Wer SYRIZA mehr fürchtet als die anderen genannten Parteien, ist
ein_e Handlanger_in des Rechtsextremismus. Es gibt keine neutrale Position,
keine Mitte zwischen jenen, die gegen Diskriminerung kämpfen und jenen, die
Diskriminierung ausüben. Das Zurückziehen auf die Extremismustheorie ist
feige und denkfaul. Die Extremismustheorie im neuen Gewand heißt nun
"pro-europäisch" und "anti-europäisch". Als ob eine Position zur EU das
selbe wie eine Position zu Europa wäre. Und selbst wenn dem so wäre, ist es
völlig beliebig, wie diese Einordnung funktionieren soll. Warum ist eine
Position pro-Troika und pro-Frontex pro-euopäisch? Warum sollte ich in
diesem Europa leben wollen? Oder können? Warum sollte jemand, der gerade
dank Troika aus der Krankenversicherung rausgefallen und seinen Job verloren
hat, das als pro-europäische Errungenschaft verstehen? Diese Einteilung ist
arrogant und abgehoben.
Niemand geht zur Wahl und führt vorher einen isolierten, philosophischen
Diskurs über Europa mit sich selbst. Leute wählen, weil sie ihre Umgebung
wahrnehmen. Leute wählen, weil sie glauben, für ihre Rechte zu kämpfen oder
Privilegien absichern wollen. Jemand, der in Athen SYRIZA wählt, weil er
nichts mehr zu Essen hat, ist kein Kämpfer gegen euer achsotolles Europa.
Auch bei den rechtsextremen Parteien ist nicht ihre Anti-EU-Haltung das
beunruhigendste Charakteristikum. Ihr fühlt euch vielleicht davon
angegriffen, aber warum fühlt ihr euch nicht von ihrem Rassismus,
Antifeminismus, Antisemitismus, ihrem Hass auf arme Leute genauso
angegriffen? Warum werden die Parteien nicht in pro- und anti-Frontex
eingeteilt? Ist das nicht entscheidender? Nein. Das sagt alles.
Über die lächerlichen Denunziationsversuche, indem bei SYRIZA in Klammern
fein säuberlich "linksextrem" dazugeschrieben wird, möchte ich noch ein paar
Worte verlieren. Es zeigt, wie peinlich der Extremismusbegriff ist. Nicht
dass SYRIZA sich schämen müsste als radikale Linke bezeichnet zu werden,
aber im deutschsprachigen Fernsehen wird das, aus der eigenen Logik heraus
verständlich, abwertend gemeint. Bei AfD, NPD, FPÖ und Co steht kein
entsprechender Verweis. Die Angst vor Linken ist größer als die vor
Rechtsextremen. Das passiert alles in Europa im Jahr 2014. Diese Mischung
aus Angst, Hoffnungslosigkeit, Desillusionierung, aber auch Wut und der
Erkenntnis, sich nicht auf etablierte Institutionen verlassen zu können,
wird eine treue Begleiterin werden in den nächsten Jahren. Das ist kein
Spiel.
(Aus dem Blog Schmetterlingssammlung von Natascha Strobl)
Quelle:
http://schmetterlingssammlung.net/2014/05/26/fur-euch-ist-das-ein-spiel/
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