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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 14. Mai 2014; 01:44
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Die Ukraine und wir:

> Der gekommene Aufstand

Die Ukraine und die Misere der Linken

Der Traum davon, dass eine empörte Bevölkerung die Regierung zum
Teufel jagen kann, ist der Traum fast aller radikalen Linken. Dieser
Traum ist in der Ukraine in Erfüllung gegangen, wie es im Buche
steht - mit Selbstorganisation, Basisentscheidungen, Solidarität und
so weiter. Es gibt nur einen Haken: die Revolution wurde von der
falschen Seite gemacht. Die Verschwörungstheorien à la "junge Welt"
sollten niemanden täuschen. Welche Geheimdienste auch bei solchen
Ereignissen mitwirken - sie können niemals so einfach eine
Massenbewegung aus dem Boden stampfen, sie können diese lediglich
unterstützen. Es ist wirklich so, wie es aussieht. Es ist eine
Revolution - eine zutiefst antilinke Revolution. Die Empörung über
unübersehbares Verwachsen von privaten Geschäftsinteressen und
Regierungspolitik unter Janukowitsch führte zum Widerstand, aber
keineswegs zu Hinterfragen von Staat und Marktwirtschaft. Ganz im
Gegenteil - die Ziele der zweiten "orangenen Revolution" sind
diametral allem Linken entgegengesetzt. Mehr Nationalismus, gereinigt
von jeglichem positiven Bezug auf die sowjetische Vergangenheit,
Zollvertrag mit EU, IWF-Sparprogramm, NATO-Annäherung - so sieht die
Agenda der neuen Regierung aus. Gründe dem Alten nachzuweinen gibt es
allerdings nicht. Der von westlichen Medien hartnäckig als
"pro-russisch" titulierte Präsident Wiktor Janukowitsch hat sich
lediglich die Frechheit erlaubt, zwischen dem Angebot Russlands und
dem der EU für den Beitritt zu der jeweiligen Zollunion abzuwägen. Das
reichte schon, damit seine gewaltsame Entfernung aus dem Amt von
Politik und Medien des "freien Westens" tatkräftig unterstützt und
bejubelt wird.

Auf einmal galten für die Ukraine die Regeln jedes noch so
demokratischen Staates nicht mehr, wonach Bürger alles kritisieren
dürfen, aber nichts durch Handlung verhindern, was ihre gewählten
Repräsentanten beschlossen haben. Als die Protestierer Ministerien
besetzten und der Moment kam, wo in jeder freiheitlich-demokratischen
Ordnung ein Truppeneinsatz im Inneren oder gar Notstandsgesetze fällig
wären, da hat sich herausgestellt, dass die Autoren von "Der
kommendene Aufstand" zumindest in einem Punkt recht hatten. "Die Armee
in den Straßen ist eine aufständische Situation. Die Armee im Einsatz
ist das sich beschleunigende Ende." (1) Ausnahmezustand ist das letzte
Mittel eines jeden Staates, zu dem man nur greifen kann, wenn der
Gewaltapparat loyal bleibt. Genau an dem Punkt konnte es für Präsident
Janukowitsch keine Zuversicht geben. Alles deutete darauf hin, dass
der ganze Gewaltapparat genauso gespalten war, wie das Land selbst.
Ein Einsatzbefehl würde auf einen Bürgerkrieg hinauslaufen. Die
grundsätzliche Spaltung der Bevölkerung führt auch alle Appelle an
wirklich faire Wahlen ad absurdum. Denn demokratische Wahlen setzten
voraus, dass die Verlierer bereit sind, die Ergebnisse zu akzeptieren.
Und genau das ist in der Ukraine nicht gegeben. Die neue Regierung aus
Liberalen und sich radikaldemokratisch gebenden Faschisten hat
dasselbe Problem wie die alte. Sie kann sich nicht auf die
Streitkräfte verlassen und das machen sich ihre Feinde von Innen und
Außen zu Nutzen. Als die in die Ostukraine zur "antiterroristische
Operation" gesandten Soldaten sich weigerten auf die "Separatisten" zu
schießen, wirkte derselbe Mechanismus wie davor, bloß diesmal gegen
neue Machthaber. Nicht militärische Siege der Opposition stützen
Regime, sondern die Weigerung des Gewaltapparates das Regime zu
verteidigen. Jetzt sieht die Übergangsregierung in allen Protesten
"die lange Hand aus Moskau", so wie davor die Medien von Putin und
Janukowitsch Maidanproteste nur durch Machenschaften von CIA und
Konsorten erklären konnten.

Die Linken in Russland und Ukraine haben in ihrer Hilflosigkeit meist
doch noch irgendwie das kleinere Übel gesucht. Anarchisten, die ihre
Leben auf der Seite der Maidan-Opposition gelassen haben, und die
durch linke Medien geisternden MLer von "Borotba", die im Osten
"antifaschistischen Widerstand" zusammen mit russischen Rechten
organisieren, sind traurige Ergebnisse dieser Suche. Auch im
Hinterland der interessierten Großmächte sieht es nicht besser aus. In
Russland lassen sich viele Linke auf die "antifaschistische" Rhetorik
der Regierung ein - dass die oppositionelle Nationalbolschewistische
Partei eilig Burgfrieden geschlossen hat und ihre Mitglieder als
Freiwillige auf die Krim geschickt hat, scheint nicht aufzufallen. In
Deutschland trommeln Grüne zur Verteidigung der zarten Pflanze der
ukrainischen Demokratie mit aller Wucht der NATO und Aufrufe von
"euromaidanberlin" (2) geistern durch linke Verteiler.

Ja, Maidan war für viele Linke sympathisch, weil Linke im Allgemeinen
und Anarchisten im Besonderen jede Auflehnung gegen staatliche Macht
anziehend finden und nach den Inhalten nicht unbedingt fragen.
"Protest ist gut - weil er ist ja von unten". Aber aus Maidan lässt
sich viel lernen. Die rechte "Swoboda"-Partei und später der "Rechte
Sektor" hat das vorgemacht, wovon linke Organisationen immer nur
träumen. Die haben mit basisdemokratischer Begründung jeden Kompromiss
mit der Janukowitsch-Regierung torpediert, vollendete Tatsachen
geschaffen, gemäßigte Fraktionen vor sich her getrieben. Mit
basisdemokratischen Argumenten haben sie verhindert, dass im Namen der
Protestierenden Politiker reden, haben auf Abstimmungen gepocht. Die
Jagd nach den Polizeiprovokateuren wurde nicht nur von rechten
Schlägertrupps geführt, sondern es bildeten sich - ähnlich wie während
des "arabischen Frühlings" - Einwohnermilizen, die ihre Stadtteile von
Provokateuren, aber auch von Plünderern (Polizei war nicht mehr
präsent) schützten. Ja, Selbstermächtigung der Bevölkerung und
Selbstorganisation sind mächtige Mittel - aber das muss nicht mit
Anarchie oder überhaupt mit etwas Linkem zu tun haben. Die Einwohner,
die ohne Polizei für Ordnung sorgen, wollen irgendwann zurück zu ihrer
Arbeit - rund um die Uhr patrouillieren soll wieder die Polizei.

Währenddessen rollt über die Ukraine eine Welle von Entlassungen im
staatlichen Sektor und auf der in die Russische Föderation
wiederaufgenommene Krim streiken vergeblich die Fahrer der
Oberleitungsbusse, die seit drei Monaten keinen Lohn mehr bekommen.
Die "Unabhängige Gewerkschaft der Bergleute von Donbass" fordert die
Regierung zum härteren Durchgreifen gegen die Separatisten. Die
eigentlichen Härten stehen noch bevor - wenn die Ukraine vom
Staatsbankrott gerettet werden muss.

*Alexander Amethystow, 18.4.2014*

(1) Unsichtbares Komitee. Der kommende Aufstand. o.O., 2011. S. 87.
(2) http://euromaidanberlin.wordpress.com/



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