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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 14. Mai 2014; 01:57
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Die Ukraine und wir:

> Machen wir uns unsere Nazis selber?

Die Linke braucht eine neue Gesprächskultur
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Jetzt sind sie also in Österreich angekommen, die Montagsdemos, deren
primärer Inhalt die Warnung vor einem Krieg in der Ukraine ist, der
sich auch zu einem europäischen Krieg ausweiten könnte. Die erste
dieser "Demos", also eigentlich bislang nur Standkundgebungen, war am
28.April in Wien. Und mit diesen Kundgebungen importierten wir
natürlich auch die Debatte aus Deutschland darüber, da sich bei den
deutschen Demos auch regelmäßig Verschwörungstheoretiker, Antisemiten
und Rassisten einfinden.

Ein Freund kommentierte diese Demos lapidar mit: "Für mich sind das
Spinner!"

So einfach ist das? Für mich ist diese Aussage aus zweierlei Gründen
problematisch, denn erstens wird damit wegen einiger
verschwörungstheoretischer und vielleicht auch antisemitisch deutbarer
Plakate auf diesen Demos alles gleich in Bausch und Bogen verurteilt.
Und das ist nicht gerechtfertigt, denn zu diesen Demos rufen
mittlerweile auch sehr vernünftige Menschen auf.

Und zweitens: Als "Spinner" bin ich auch schon oft bezeichnet worden
seit den Zeiten der Öko-Bewegung. Es braucht die Spinner für den
Fortschritt, sonst bleibt die Gesellschaft im Althergebrachten.

Wobei die Öko-Bewegung da noch aus einem anderem Grund zu einem
Vergleich taugt: Denn in dieser war auch genug
Blut-und-Boden-Ideologie, aber das rechte Gesindel hatte damals keinen
guten Stand, weil die Linke in dieser Bewegung einfach zu stark war.
Die Öko-Bewegung gibt es als solche nicht mehr, heute wird der
Ökogedanken hauptsächlich von bürgerlichen Institutionen getragen.
Doch die sind eben nicht braun und das verdanken wir einer Linken, die
diese Bewegung eben nicht rechts liegengelassen hat.

Offene Gesellschaft

Diese heutigen Bewegungen, sei es jetzt Occupy oder die Montagsdemos
oder auch die allmonatlichen Anti-EU-Demos in Wien sind ideologisch
völlig offen, solange es in diesen Ein-Punkt-Bewegungen (wie anno
dazumal bei den Bürgerinitiativen) eine Übereinstimmung bezüglich
dieses einen Themas gibt.

Diese Offenheit ist natürlich nicht unproblematisch, denn
bekanntermaßen heißt nach allen Seiten offen zu sein, daß man nicht
ganz dicht ist. die Occupy-bewegung hier in Österreich ist sehr
schnell von Esoterikern und Zeitgeistlern übernommen worden und war
damit ein Reinfall, weil diese alle anderen rasch vertrieben haben.
Aber auch da war die Idee einer demokratischen Herangehensweise
vorhanden, eben jedem Gedanken das offene Mikrophon zur Verfügung zu
stellen.

Die traditionelle Linke (und das sind heute wir!) findet sich mit
dieser Kultur nicht zurecht. Sie schaut auf diese neuen Bewegungen mit
ähnlich skeptischen bis ablehnenden Blicken wie anno dazumal die
orthodox-marxistische Linke auf die 68er sah, die sie als
kleinbürgerlich abtat.

Die heutige Linke wirft diesen neuen Bewegungen
Verschwörungstheoretisiererei und Nazismus vor -- das mag für manche,
die da heute auf der Straße stehen wohl auch stimmen. Aber mir kommt
eher vor, die Skepsis kommt daher, daß da nicht hauptsächlich roten
Fahnen wehen, und die Organisatoren nicht vorher auf unsere Plena
gekommen sind -- sprich, daß da Leute ohne marxistische Schulung oder
jahrelanges Bakunin-Studium hergehen und Protest auf die Straße
bringen, ohne die traditionelle Linke vorher um Erlaubnis oder
wenigstens Beistand gefragt zu haben.

Sind wir denn schon so verzopft, daß wir neue Bewegungen einfach nicht
verstehen wollen?

Bewegungen der Zukunft

Hier geht es nicht nur um die Montagsdemos, es geht um eine neue
erwachte Citoyenneté, eine echte "Zivilgesellschaft" neuen Typs, ganz
neue soziale Bewegungen also, die uns in Zukunft wahrscheinlich immer
häufiger begegnen werden.

Zwei Elemente fallen in diesen Bewegungen immer besonders ungut auf.
Das sind Leute, die an rechtsextremen Gedankengut anstreifen (oder
auch mehr als nur anstreifen), und das sind Verschwörungstheoretiker.
Aber das sind, auch wenn es da Verbindungen gibt, schon mal zwei
verschiedene Gruppen. Denn wenn auch viele Verschwörungstheoretiker
bei dieser EU-Wahl sich überlegen, FPÖ, Stadler oder EU-Stop zu
wählen, sind sie nicht per se rechts.

Diese Leute halten zwar nichts von Ockhams Rasierklinge, haben von
Politischer Ökonomie keine Ahnung und wollen von den Hauptsätzen der
Thermodynamik schon gar nichts hören. Aber immerhin sind sie äußerst
kritisch gegenüber den Verlautbarungen aus Staatskanzleien,
Mainstream-Redaktionen und Konzernzentralen und das ist schon ganz
gut. Denn daß wir hinten wie vorne belogen und manipuliert werden, das
haben sie zumindest erkannt. Sie sind durchaus in einem linken Sinne
systemkritisch. Und wenn man der Obrigkeit nicht mehr glaubt, muß man
sich von anderswo Informationen suchen -- daß da viel Unsinn dabei
ist, braucht wirklich nicht zu verwundern.

Die Linke hat gelernt, bei allen internen Streitereien, doch
zusammenzuarbeiten. Ich werde bei Blödsinnigkeiten wie Chemtrails oder
"Freier Energie" auch sehr ärgerlich, aber auch nicht mehr, wie daß
mir jemand den Arbeitsfetisch reindrücken will oder die Notwendigkeit
einer Kaderpartei oder daß Linke das Bundesheer unterwandern müßten
oder daß die israelischen Streitkräfte ein Born des Antifaschismus
wären. Ebenso wird es anderen Linken mit vielen meiner Positionen wohl
auch gehen.

Aber wenn wir mit einigen Schrammen diese Debatten überstanden haben,
dann können wir auch allesamt wohl auch mit Leuten reden, die daran
glauben, die Serienproduktion des Wasserautos würde von der
Erdölindustrie unterdrückt. Eine wechselseitige Akzeptanz der
Glaubensgebäude wäre da allerdings die Voraussetzung.

Schreien ist zuwenig

Aber ein kompletter Fehler wäre es, diese Menschen den rechten
Ideologen zu überlassen. Wir können uns nicht hinstellen und alles,
was wir nicht verstehen oder nicht gutheissen können, gleich als
rechtsextrem oder antisemitisch hinzustellen. Denn wenn man nur den
Leuten oft genug sagt, sie seien Nazis, dann werden sie sich auch
irgendwann bei den Nazis zuhause fühlen -- und deren ideologischen
Dreck fressen als wäre es Nektar und Ambrosia.

Und danach könnten wir ideologisch Gefestigten uns hinstellen und
weiter schreien: "Nazi, Nazi!" Das würde dann sogar stimmen und wir
könnten uns bestätigt fühlen. und wir würden nicht auf die Idee
kommen, daß wir selbst daran mit schuld sind, weil wir kritische
Menschen Naziideologen überlassen haben. Nein, wir würden uns in
unserer linken Standhaftigkeit gut und bestätigt fühlen und daß wir ja
eh immer recht gehabt hätten. Aber ich denke nicht, daß dieses gute
Gefühl ein achtenswerter Grund für politisches Ausgrenzungsverhalten
ist.

Nein, ich bin nicht der Meinung sich auf einen Diskurs á la Jürgen
Elsässer einzulassen. Die Querfront gehört isoliert. Aber wir sollten
mit jenen Menschen reden, die wir heute als Verschwörungstheoretiker
oder Spinner abtun, die aber oft genug einfach nur Menschen sind, die
der Meinung sind, daß Politik zu wichtig ist, um sie den Politikern zu
überlassen.

Die "Junge Linke", kurz "Juli", hatte zu der Montagsdemo letzter Woche
aufgerufen, diese zu stören. Tatsächlich kamen auch ein paar Leute mit
einem Plakat: "Aluhüte gegen Bullshit". Doch als der JuLi-Sprecher das
Offene Mikrophon in der Hand hielt, machte er zwar seinen
antifaschistischen Standpunkt sehr klar, aber auch, daß er nicht
annehme, daß alle hier Anwesenden Nazis seien. Und er ersetzte die
Parolen durch kluge Antworten, in dem er beispielsweise den
Warencharakter des Geldes erklärte und warum Zinskritik in ihrer
Verkürztheit falsch ist.

Solche Dialogangebote zu bringen und sich auf Debatten einzulassen,
ist natürlich viel schwieriger als nur "Pfui!" zu schreien. Aber genau
so müssen wir mit Menschen reden, die in ihrer Kritik am Kapitalimus
Ansichten haben, die uns vielleicht seltsam erscheinen.

Geht das bitte irgendwie? Oder fällt uns da gleich ein Stein aus
unserer proletarisch-revolutionären Krone?
*Bernhard Redl*

Audio-Version: http://cba.fro.at/259260


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