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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 29. April 2014; 22:52
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Buecher:

> Nicht nur magischer Realismus

Dagmar Ploetz:
Gabriel Garcia Marquez
Rowohlt Monographie Band 50461
Reinbeck bei Hamburg, 2. Auflage
2000, 158 Seiten

Wer sich einen Überblick über das Leben und die literarische
Produktion des kürzlich verstorbenen Gabriel Garcia Marquez
verschaffen will, kann dies mit der knapp gehaltenen Biographie von
Dagmar Ploetz tun.

Die RoRoRo-Monographie schildert den Entwicklungsprozeß von Marquez
vom verbummelten Jus-Studenten zum Schriftsteller -- gegen den
anhaltenden Widerstand seiner Eltern. Marquez schrieb unter großen
Entbehrungen und lehnte in der Folge jegliche Idealisierung von
"HungerkünstlerInnen" ab. Bei den "Gelegenheitsdichtern", die ihre
Werke dem Arbeitsalltag abringen, entsteht ihm zufolge eine "Literatur
müder Schriftsteller"

Die Stufen seines literarischen Schaffens waren Journalismus,
Reportagen, erste Kurzgeschichten -- letztere hatten kaum
Publikationsmöglichkeiten. Und wenn es sie gab, nagte er dennoch
weiter am Hungertuch. Die Freunde mussten ihm des öfteren finanziell
unter die Arme greifen. Erst spät wurde sein erster --
unkonventioneller -- Roman "Laubsturm" veröffentlicht. Sein
politisches Engagement wirkte als Grund für die Nicht-Publikation.

Unterschiedlichste Literaturen beeinflussten ihn: u.a. Sophokles,
Faulkner, Hemingway. Die Lektüre Kafkas wurde für ihn zu einem
Schlüsselerlebnis, ebenso wie der Roman "Pedro Paramo" von Juan Rulfo.

Der internationale Durchbruch gelang Marquez 1967 mit dem mittlerweile
legendären Roman "100 Jahre Einsamkeit".

Ploetz verweist zurecht darauf, dass Marquez damals literarisch nicht
allein war. Es gab geradezu einen "Boom" bedeutender und erfolgreicher
lateinamerikanischer Schriftsteller: Julio Cortazar, Carlos Fuentes,
Alejo Carpentier, Mario Vargas Llosa (der später politisch weit nach
rechts abdriften sollte).

Der um ihn einsetzende Rummel zeigt "Gabo" Marquez voll die Tücken,
die "Einsamkeit" von Macht und Ruhm. Dieser widmet er sich intensiv in
"Der Herbst des Patriarchen", einem Klassiker im Genre der
lateinamerikanischen Diktatoren-Romane. Die "weichen Hände" des
mordenden Caudillo hat sich Marquez von einem anderen Schlächter
abgesehen -- von Stalin!

1985 erscheint sein großer Liebesroman "Die Liebe in den Zeiten der
Cholera".

Ploetz geht auf die verschiedenen literarischen Gestaltungsformen von
Marquez ein: u.a. die des allwissenden Erzählers (etwa in: "Der Oberst
hat niemand, der ihm schreibt"); die Erzählkunst seiner Großmutter, wo
"mit aller Unschuld das Außergewöhnliche ins Alltägliche eindringt" in
"100 Jahre Einsamkeit"; die Berichte verschiedener Personen, mit
unterschiedlichen, ja einander widersprechenden Perspektiven im
"Laubsturm".

Zurechtgerückt wird so der falsche Mythos, dass sämtliche Schriften
Marquez`auf den Generalnenner "magischer Realismus" gebracht werden
können. Vielmehr richtet sich die Darstellungsform nach dem jeweiligen
Gegenstand -- Ploetz verweist auch auf eine Ähnlichkeit mit der
Brecht`schen Verfremdungstechnik.

Während die politischen Widersprüche des Schriftstellers ins Bild
gerückt werden (so sprach er sich 1998 zum Entsetzen seiner liberalen
Freunde für den konservativen Präsidentschaftskandidaten Andres
Pastrana aus), bleiben seine persönlichen Kontradiktionen
weitestgehend ausgeblendet. Da ist zwar von seiner "geduldig wartenden
Braut" die Rede, Marquez` Bordell- und Huren-Besuche finden in die
Monographie jedoch keinen Eingang. Diese Unterbelichtung ist umso
merkwürdiger, weil die Marquez-Kennerin Ploetz 2002 auch dessen
Memoiren "Leben, um davon zu erzählen" aus dem Spanischen ins Deutsche
übersetzte. Und dort heißt es schon auf der zweiten Seite über den
jungen Studenten, daß er "bereits Veteran zweier Gonorrhöen" war...
*Hermann Dworczak*


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