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 akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 9. April 2014; 19:13
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Recht und Gesetz:
> Salzamt wiederverlautbart
In der Strafprozeßnovelle 2013 wurde eine kleine Bösartigkeit 
versteckt: Jetzt gibt es wieder zweierlei Polizisten.
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Es ist alles sehr kompliziert. Angefangen hat es mit der 
Strafprozeßnovelle 2008 -- noch unter der Ägide von Justizministerin 
Maria Berger. Im Zuge der Verstärkung der Rolle der 
Staatsanwaltschaften im Ermittlungsverfahren wurde im §106 StPO 
festgehalten, daß Ermittlungsakte von Kriminalpolizei oder 
Staatsanwaltschaften im Falle eines Einspruchs des polizeilich oder 
gerichtlich Verfolgten gerichtlich zu beurteilen sind --  
behauptetermaßen zwecks des besseren Rechtsschutzes des Verfolgten.
Die Folge war aber eine genau gegenteilige: Denn bis zu dieser Novelle 
war jeder polizeiliche Akt beschwerdefähig beim Unabhängigen 
Verwaltungssenat (UVS). Nun aber mußte man genau wissen, welchen 
Charakters der polizeiliche Akt war, gegen den man protestieren 
wollte. Ab der StPO-Novelle 2008 war nämlich entweder ein ordentliches 
Gericht zuständig -- sofern der Akt ein kriminalpolizeilicher war, 
also im Zuge einer Ermittlung stattfand -- oder der UVS, wenn die 
Angelegenheit eine der Sicherheitspolizei war, also den behaupteten 
Zweck einer Gefahrenabwehr hatte. Oft genug ist das aber überhaupt 
nicht klar. Eine Festnahme beispielsweise kann sowohl 
sicherheitspolizeilichen als auch kriminalpolizeilichen Charakter 
haben -- Polizisten sagen das üblicherweise nicht dazu, was für eine 
Art der Festnahme dies denn nun sei.
Ein konkreter Fall waren die Amtshandlungen der Polizei bei der Linzer 
Mai-Demo 2009. Da beschied der UVS zwei Beamtshandelten, eine 
Maßnahmenbeschwerde sei nicht zulässig, weil die inkriminierten 
Polizeitaten eben nicht sicherheitspolizeilich gewesen wären (s.a. 
akin 20/2010, "Wo gehts hier zum Salzamt?").
Ende 2010 urteilte der Verfassungsgerichtshof in mehreren ähnlich 
gelagerten Fällen. Das Höchstgericht prüfte die Norm von 2008 und 
erkannte, daß diese verfassungswidrig wäre -- allerdings nicht wegen 
(wie von einem Teil der Antragssteller argumentierten) 
Rechtsunsicherheit der Zuständigkeit, sondern lediglich wegen des 
Grundsatzes der Trennung von Justiz und Verwaltung in der Verfassung 
(B-VG Art.94). Der VfGH strich damals die Formulierung "und 
Kriminalpolizei" aus dem §106 StPO -- damit war wieder der UVS für 
alle polizeilichen Amtshandlungen zuständig, sofern sie nicht 
unmittelbar von Staatsanwaltschaft oder Gericht angeordnet worden 
waren.
Ende des ersten Aktes. Zwischenspiel: Mit der 
Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, mit der die UVS zu 
Verwaltungsgerichten wurden, wurde auch eine kleine Ausnahme im BV-G 
Art.94 eingeführt. Da heißt es nun im zweiten Absatz: "Durch Bundes- 
oder Landesgesetz kann in einzelnen Angelegenheiten anstelle der 
Erhebung einer Beschwerde beim Verwaltungsgericht ein Instanzenzug von 
der Verwaltungsbehörde an die ordentlichen Gerichte vorgesehen 
werden." Das VfGH-Urteil war damit in seiner Grundlage ausgehebelt, 
dessen Reparatur des Gesetzes blieb aber bestehen.
Finale: Es war Sommer 2013. Es standen noch ein paar 
Gesetzesreparaturen an und die Gesetzgebungsperiode döste ihrem 
baldigen Ende entgegen. Ein paar Änderungen waren vor allem notwendig 
bezüglich der Rechte von Beschuldigten im Zusammenhang mit 
ordnungsgemässen Übersetzungen. Bei der Gelegenheit wurde auch der 
§106 StPO reformiert -- und Schwuppdiwupp die Wortfolge "und 
Kriminalpolizei" war wieder da. Auch der Österreichische 
Rechtsanwaltskammertag, der offensichtlich fürchtete, 
kriminalpolizeiliche Akte könnten durch das Fehlen der Wortfolge 
überhaupt keiner effektiven Überprüfung mehr zugänglich sein, begrüßte 
diese Wiederkehr.
Doch der Effekt war ein anderer, denn nun ist die alte 
Rechtsunsicherheit wieder glücklich hergestellt. Am 5.Juli 2013 
erfolgte im Nationalrat ein Allparteienbeschluß und am 1.Jänner 2014 
trat die Novelle in Kraft. Und die Beschuldigten des 
Tierrechtsprozesses (siehe weiteren Artikel im heutigen akin-pd) 
durften sich letzte Woche vom Verwaltungsgericht anhören, daß eine 
Beschwerde wegen des kriminalpolizeilichen Aktes der Bespitzelung 
durch die berüchtigte "Danielle Durand" nicht zulässig sei.
*Bernhard Redl*
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