UPDATE 27.März: Verfahren auf 6.Mai vertagt - wegen unbrauchbarer Beweisführung 
  durch die Polizei.
  Alle Beschuldigten enthaftet
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  akin-Pressedienst.
  Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 26. März 2014; 16:10
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  Fremd/Justiz:
  
  > "Es geht um Leute, nicht um Pakete"
  
  Tage 2 und 3 im Fluchthilfeprozeß
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  Zweiter Verhandlungstag 19.März
  
  Im Zuge des zweiten Verhandlungstages werden der Sechst- und der
  Viertangeklagte einvernommen. Ihnen werden Vorwürfe aus den
  Ermittlungsakten vorgehalten, zu denen sie Stellung beziehen sollen.
  Das Chaos, das im Akt herrscht, wird wieder einmal ersichtlich. Ein
  Anwalt meint zur Richterin, dass er sie um diesen Akt wirklich nicht
  beneide. Im Zuge der Befragungen wird schnell klar, dass von einer
  "durchgeplanten Tatbegehung" keine Rede sein kann. Zum Teil haben die
  Beschuldigten einander in der Untersuchungshaft zum ersten Mal
  gesehen, auch nach "Schleppungshandlungen" wird vergeblich gesucht.
  
  Ein zentrales Thema im Prozess bleiben die Übersetzungen der
  Telefonüberwachungen. Die Richterin sagt, dass sie den
  Dolmetscher_innen die eingescannten Telefonüberwachungsprotokolle
  zukommen lassen wird. Sie sollen dadurch mitlesen können, während die
  Überwachungsaufnahmen abgespielt werden und auf eventuelle
  Übersetzungsfehler hinweisen können (Anm.: Wie sich am ersten
  Prozesstag herausgestellt hat, geht es dabei um Begriffe wie
  "Schleppungswillige" statt "Leute").
  
  Die Beschuldigten werden immer wieder zu ihren angeblichen Aliasnamen
  befragt und es stellt sich erneut heraus, dass diese in Wahrheit viel
  verwendete Anreden für Menschen aus Indien oder Nord-Afghanistan in
  den von den Beschuldigten verwendeten Sprachen sind. Das wird auch von
  den Gerichtsdolmetscher_innen immer wieder bestätigt.
  
  Im Rahmen der Einvernahme werden den Angeklagten absurde Fragen
  gestellt. Von einem Angeklagten will die Richterin wissen, ob zwei
  Menschen, die er zuvor in der Stadt zum ersten Mal gesehen hat und die
  dann mit ihm in einem Zugabteil saßen, Einreisedokumente nach
  Österreich bei sich hatten. Ganz so als wäre es selbstverständlich als
  Privatperson Mitreisende nach ihren Papieren zu fragen. Ein anderes
  Mal spricht die Richterin im Zuge der Befragung davon, dass ein
  "abgesondert Verfolgter", also jemand der in diesem Prozess nicht
  angeklagt ist, aber gegen den ermittelt wird Menschen
  "zwischengebunkert" haben soll. Ein Anwalt bittet darum, die Wortwahl
  der Landespolizeidirektion nicht unhinterfragt zu übernehmen: "Wenn
  ich Gäste habe, tu ich sie nicht zwischenbunkern. Da gehts um Leute,
  nicht um Pakete."
  
  
  Dritter Verhandlungstag 20.März
  
  Am Vormittag des dritten Verhandlungstags wird der Siebtangeklagte
  einvernommen. Im Laufe der Vernehmung wird vor allem klar, dass die
  Staatsanwältin entweder absolutes Vertrauen in die Arbeit der Polizei
  hat oder einfach nichts davon wissen will, wie die Realität bei
  polizeilichen Vernehmungen oftmals aussieht. So sagt der Angeklagte
  aus, dass ihm anfangs der Grund seiner Festnahme nicht mitgeteilt
  wurde. Auf sein Nachfragen wurde er stattdessen mit Zeitungs-Bildern
  von ihm bei den Refugeeprotesten der vergangenen Monaten konfrontiert.
  Der Einwand eines Verteidigers, dass das ein Hinweis auf die
  Kriminalisierung der Proteste sei, wird ignoriert. Auch hätten, so der
  Angeklagte, ihn die Beamten der SOKO weniger befragt, als ihn vor
  bereits bestehende "Ermittlungsergebnisse" zu stellen. Außerdem hätten
  sie ihm bei seiner Aussage insofern "geholfen", als dass sie die
  gestellten Fragen teilweise gleich selbst beantworteten. Die
  Staatsanwältin interessiert das ebensowenig wie der Hinweis eines
  Verteidigers auf den enormen Druck, unter dem die Aussage zustande
  gekommen sei. Im Gegenteil: Die Staatsanwältin warnt den
  Siebtangeklagten davor, die Polizeibeamt_innen "einer Straftat zu
  bezichtigen" anstatt der relevanten Information nachzugehen, ob die
  Einvernahme überhaupt als Beweismittel brauchbar sein könnte. Auf die
  Frage, warum er das Protokoll der Vernehmung dann unterschrieben
  hätte, erwidert der Angeklagte, dass er von Dolmetscher_innen und den
  Polizist_innen dazu aufgefordert worden sei, bei der nächsten
  Einvernahme hätte er sich aber nicht "helfen" lassen und verweigerte
  daher die Aussage.
  
  Auch bei der Einvernahme des Drittangeklagten am Nachmittag werden
  Ermittlungsfehler deutlich: So wird dem Angeklagten das Protokoll
  eines überwachten Telefonats vorgelegt, das einem Zeitpunkt
  zugeschrieben wird, an dem er inhaftiert war.
  
  Diskutiert wird auch stundenlang über eigentlich alltägliche
  Tätigkeiten, wie etwa das Abholen und manchmal nur wenige Minuten
  dauernde Begleiten von Personen oder das Auslegen von Geld für Essen.
  Beispielsweise wird ein Angeklagter gefragt wie genau die Abrechnung
  nach einem Einkauf von Essen funktioniert hat, ob es auf den Cent
  genau zurückgegeben wurde oder nicht. Ihm wird dabei unterstellt, er
  hätte daran etwas verdient. Konkrete Geldbeträge, deren Existenz ja
  schlussendlich ein wesentliches Tatbestandselement des §114 FPG
  darstellen, werden so gut wie nie genannt. Wenn über konkrete Summen
  diskutiert wird, dann handelt es sich stets um winzige Beträge. Auch
  Namen von angeblich "geschleppten" Personen können nicht genannt
  werden. Es handelt sich stets um Unbekannte, die auch in und aus oft
  unbekannten Ländern mit Hilfe von unbekannten "Mittätern" gebracht
  worden sein sollen.
  
  Zum Schluss noch ein (sinngemäßes) Zitat eines Angeklagten: "Es war
  eine Hilfe. Wenn ich gewusst hätte, dass es nach österreichischem
  Recht eine Straftat ist jemandem zu helfen, hätte ich es nicht
  gemacht."
  (solidarityagainstrepression/akin)
  *
  
  Die akin möchte sich an dieser Stelle bei den Betreiberinnen und
  Betreibern des Blogs http://solidarityagainstrepression.noblogs.org
  bedanken, die uns bei der Prozessberichterstattung eine große Hilfe
  sind. Ebenso bei jenen, die ihre wertvolle Zeit dafür aufbringen
  können, dem Prozess beizuwohnen und/oder sich an der Verpflegung vor
  Ort zu beteiligen.
  
  Für alle, die den Prozess beobachten wollen, hier sind die Termine und
  die Adresse: 26. & 27. März, 3., 8., 10., 11., 23., 24., 28. & 29.
  April, 6. Mai, jeweils 9-15.30. Adresse: Landesgericht Wiener
  Neustadt, Schwurgerichtssaal im 1. Stock, Maria-Theresien-Ring 5, 2700
  Wiener Neustadt. Das Gericht ist über den Haupteingang barrierefrei
  erreichbar.
  
  
  
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