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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 19. März 2014; 15:42
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Kommentierte Presseschau

> Kiffen I

"Totgekifft" titelte die deutsche "Bild". Der Hintergrund: Mediziner hatten
in einem Fachblatt behauptet, zwei Todesfälle an Cannabis nachweisen zu
können. Dr. Benno Hartung zu BILD: "Wir haben seit 2001 Fälle gesammelt. Bei
zwei Fällen konnten wir nun jede andere Todesursache komplett ausschließen.
Die beiden Männer starben an Herzrhythmus-Störungen, die durch den
Cannabis-Wirkstoff THC ausgelöst wurden."

Dieser Blödsinn wurde auch anderswo verbreitet, doch gibt es mittlerweile
schon genug kritische Analysen dieser Resultate, die in seriöseren Blättern
erschienen. Conclusio: Die Mediziner hatten eine Vielzahl von Fällen über
mehr als ein Jahrzehnt hin untersucht und fanden bei zwei Männern, bei denen
die Todesursache ungeklärt war, daß diese zuvor Cannabis konsumiert haben
dürften. Eine Causalität nachgewiesen hatten die Mediziner nicht, sondern
lediglich nach dem Ausschlußprinzip gearbeitet. Dafür haben sie jetzt eine
hübsche Publikation mehr und ein gutes Renomee bei Boulevard und
Rechtsparteien.

LD50-Tests sind eine grausliche Sache: Man füttert Versuchstiere mit einer
zu untersuchenden Substanz und erhöht die Dosis so lange, bis die Hälfte der
Tiere daran verstirbt. Manche der Ratten und Mäuse haben aber Glück - die
US-Drogenbehörde DEA wollte (so ein Dokument aus dem Jahre 1988, das von
einer Legalize-Website verbreitet wird) einen solchen Test über Cannabis
machen. Fazit: Die Viecher waren nicht totzukiffen. Aus dem DEA-Bericht:
"Eine Reihe von Forschern hat erfolglos versucht, den LD-50-Wert für
Marihuana anhand von Versuchstieren festzustellen. Vereinfacht gesagt
konnten die Forscher den Tieren nicht genug Marihuana geben, um ihren Tod
herbeizuführen. Gegenwärtig wird geschätzt, dass der LD-50-Wert von
Marihuana um 1:20.000 oder 1:40.000 liegt. Für Laien bedeutet das, dass ein
Raucher 20.000 oder 40.000 mal soviel Marihuana konsumieren müsste wie in
einer Marihuana-Zigarette enthalten ist, um den Tod herbeizuführen. ein
Raucher müsste theoretisch an die 1500 Pfund Marihuana innerhalb von 15
Minuten konsumieren, um eine tödliche Reaktion hervorzurufen" (Übersetzung:
Vice.com).

Immerhin: Wer es schafft, eine dreiviertel Tonne Cannabis in einer
Viertelstunde zu konsumieren, fällt tot um - also ist das Zeug wohl doch
giftig. Als Selbstmordmethode allerdings wäre das auf Grund des Aufwands und
natürlich der Kosten aber eher nicht zu empfehlen.

Bild:
http://www.bild.de/regional/duesseldorf/duesseldorf/die-ersten-hasch-toten-der-welt-34826700.bild.html
KurzURL: http://tinyurl.com/akin14-7-1

Vice:
http://www.vice.com/de/read/forscher-beweisen-aspirin-ist-1000-mal-toedlicher-als-cannabis
KurzURL: http://tinyurl.com/akin14-7-2

DEA-Bericht: http://www.ccguide.org/young88.php
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> Kiffen II

Im Zentrum Amsterdams soll die Hälfte der 78 Coffeeshops geschlossen werden.
Nachdem der x-te Gesetzesvorschlag, den legalen Cannabis-Handel
einzuschränken, in dem man den Bezug vom Besitz eines niederländische Passes
abhängig macht - was ausländische Gäste zu den illegalen Dealern getrieben
hätte -, gescheitert ist, hat man nun ein Verbot von Hanf-Läden im Umkreis
von 250 Metern von Schulen eingeführt. Da es im Amsterdamer Zentrum viele
Schulen gibt, sind entsprechend viele Läden betroffen. Der Verdacht liegt
aber nahe, daß es weniger um den Schutz der Kinder geht, sondern daß
Amsterdam sein Drogen-Image loswerden möchte - oder auch, daß man dem Druck
der deutschen Regierung ein klein wenig nachgibt, die schon seit ewigen
Zeiten den Cannabis-Tourismus von Norddeutschland eindämmen möchte. Vom
Ruhrpott beispielsweise ist man mit dem Zug binnen einer halben Stunde in
den Niederlanden und binnen zwei Stunden in Amsterdam.

Reportage in der Süddeutschen Zeitung:
http://www.sueddeutsche.de/reise/anti-drogen-kampagne-amsterdam-verbietet-coffeeshops-1.1910285-2
KurzURL: http://tinyurl.com/akin14-7-3
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> Kiffen III

Endlich kommt einmal etwas Vernünftiges von der Sozialdemokratie: "Kiffen
für die Hypo" ist die griffige Zusammenfassung für die Forderung von Fiona
Kaiser, Vorsitzende der SJ-OÖ. Kaiser erhofft sich durch einen legalen
Cannabisverkauf Steuereinnahmen zur Aufbesserung des österreichischen
Budgets. "In Anbetracht der horrenden Summen die im Hypo-Debakel verheizt
werden, ist es an der Zeit neue Wege der Finanzierung des Staatshaushaltes
zu finden", teilte Kaiser in einer Aussendung mit. Es sei "unverständlich
wie die repressive Drogenpolitik der vergangenen Jahrzehnte nicht nur
tausende Menschen in die Kriminalität treibt, sondern darüber hinaus auch
Millionen von Euro unversteuert in die Hände der Drogenindustrie gespielt
werden".

Die FPÖ zeigte sich daraufhin "schockiert" und der BZÖ-Jugendsprecher
Heimbucher meinte: "Ein vernünftiger Ansatz, um der Drogenproblematik, die
vor allem im urbanen Raum um sich greift, Herr zu werden, wäre aktive
Aufklärungspolitik". Da hat er wohl recht, allerdings anders, als er es
meint - siehe "Kiffen I".

SJ: http://www.sjoe.at/content/ooe/home/article/9215.html
KurzURL: http://tinyurl.com/akin14-7-4

FPÖ: http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20140312_OTS0241
KurzURL: http://tinyurl.com/akin14-7-5

BZÖ: http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20140313_OTS0137
KurzURL: http://tinyurl.com/akin14-7-6
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> Liberal-Christlichsoziale Demokratische Partei

Apropos Sozialdemokratie. Angesichts einer solchen Sozialistischen Jugend
ist es kein Wunder, wenn das neue Parteiprogramm der SPÖ hauptsächlich von
zwei älteren Herren geschrieben werden soll: Josef Cap und Karl Blecha. Die
Generallinie zur Programmerstellung beschreibt Cap in einem Interview mit
der "Presse" so: "Es gibt verschiedene Zugänge, um sich einem Parteiprogramm
anzunähern. Man kann einen christlichen Zugang haben, einen liberalen - da
wird das eine oder andere der Neos einfließen - und es wird auch
marxistische Beiträge geben, in der Denkmethode. ... Es kann am Ende
überhaupt kein geschlossenes Weltbild stehen. Wir stehen für die offene
Gesellschaft."

Die SPÖ bleibt also bei einem Karl als Säulenheiligen - nur halt eben eher
Popper als Marx. Gesinnung ist ja sowas von 20.Jahrhundert...

Das Interview: http://diepresse.com/home/1575437
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> Herrscher sind einfach krank?

Die Vermutung, Herrschsucht und Rücksichtslosigkeit seien auf einen
Hirnschäden zurückzuführen, stellte der deutsche "Focus" schon letztes Jahr
in einem Artikel auf.

Unter dem eher reisserischen Titel "So erkennen Sie einen Psychopathen" ist
Folgendes zu lesen: "Rund 500 000 Psychopathen leben in Deutschland -
wahrscheinlich sogar mehr. Denn nur 50 Prozent fallen auf: Sie landen als
Gewalttäter im Gefängnis. Die andere Hälfte schlägt sich erfolgreich durchs
Leben. Sie sind oft äußerst charmant, eloquent, selbstbewusst. Aber allen
ist eine böse, dunkle Seite gemein: Psychopathen sind skrupellos,
manipulativ und ohne jegliches Mitgefühl für ihre Umwelt. 'Vier bis fünf
Prozent der Menschen sind Psychopathen, aber nicht alle werden kriminell',
sagt Niels Birbaumer, Professor für Medizinische Psychologie und
Verhaltensneurobiologie der Universität Tübingen. ... Viele sind äußerst
erfolgreich im Beruf: Ihre Rücksichtslosigkeit, ihr übersteigertes
Selbstwertgefühl und ihre Risikobereitschaft bringt sie in Machtpositionen.
Weil es den Psychopathen an Empathie fehlt und sie keine Furcht empfinden,
können sie sich oft besonders gut durchsetzen." Nochmal der Professor: "Sie
haben keine kognitiven Defekte, können ihr Handeln rational erfassen, sich
die Folgen vorstellen. Aber sie empfinden nichts."

Ist es so einfach? Sind viele durchgeknallte Generäle, Generaldirektoren,
Finanzjongleure, Minister, Familienpatriarchen und natürlich auch
Primarärzte einfach nur hirngestört und eigentlich zu bemitleiden? Und darf
man ihnen dann gar nicht mehr böse sein, weil sie ja eben nur krank sind?
Sind moralische Kategorien nunmehr nicht mehr anwendbar? Diese
Betrachtungsweise von Macht- und sonstiger Gier ist nicht uninteressant,
aber was heißt das politisch?

Focus:
http://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/psychologie/krankheitenstoerungen/wenn-der-mensch-zum-monster-wird-so-erkennen-sie-einen-psychopathen_id_2734734.html
KurzURL: http://tinyurl.com/akin14-7-7
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Schonkost für alle

Apropos krank: Daß der Kapitalismus krank ist und krank macht, ist ein alter
Hut. Aber wie heutzutage Menschen etwas als heilsam verkauft wird für
Krankheiten, die sie gar nicht haben, ist schon bemerkenswert. Ein schönes
Beispiel sind jene Produkte, die als gluten-, lactose- oder fructosefrei
verkauft werden. Für die wenigen Menschen, die wirklich an Intoleranzen oder
gar Allergien leiden, sind diese Angebote sicher ein Segen. Doch diese
wenigen Betroffenen würden keinen so riesigen Markt ausmachen, wie er in den
Supermarktregalen augenfällig ist. Mittlerweile jedoch halten viele gesunde
Menschen diese vollkommen natürlichen Lebensmittelbestandteile für
krankmachend - und kaufen mit Vorliebe Nahrungsmittel, die möglichst von
allem frei sind, was so einer Marketingabteilung alles einfällt.

Ein wunderbarer Artikel findet sich dazu in der "Zeit". Zitat: "Bei der
Mythenbildung hilft obendrein der Rummel, den Prominente und
Scheinprominente um die Sache machen: So haben die Sängerin Lady Gaga, die
Spielerfrau und Designerin Victoria Beckham und die Schauspielerin Miley
Cyrus schon alles Gluten von ihren Tellern verbannt und halten die Welt über
die wunderbare Wirkung des Verzichts auf dem Laufenden. 'Die Veränderung
deiner Haut, deiner physischen und psychischen Gesundheit ist erstaunlich",
twitterte Miley Cyrus. Weil sie Gluten weglasse, habe sie auch extrem
abgenommen. ... Prominente Ratschläge, schlaues Marketing und sensible Esser
schaukeln sich gegenseitig hoch. So setzt der Verstärkerkreislauf ein und
pathologisiert höchst erfolgreich immer neue Zielgruppen. Schon ist
glutenfreies Katzenfutter im Handel. Und im neu erschienenen Backbuch
'Weihnachtsplätzchen für Hunde' geht der Autor endlich auch auf die
Festtagsbedürfnisse des laktoseintoleranten Dackels ein."

Die Zeit:
http://www.zeit.de/2013/48/ernaehrung-essen-lebensmittelunvertraeglichkeit
KurzURL: http://tinyurl.com/akin14-7-8


Zeitungsleser: -br-



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