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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 19. März 2014; 16:07
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Kapitalismus:

> Die Hypo und der Krieg

Über die Hypo Alpe Adria (HAA) wird derzeit viel geschrieben, ein
Kapitel wird jedoch stiefmütterlich behandelt, obwohl es
möglicherweise den Schlüssel dazu liefert, warum die Bank am Balkan
einen derart kometenhaften Aufstieg erlebte, warum zugleich soviele
der von ihr finanzierten Projekte mafiotisch verglühten und warum die
Politik solange eine schützende Hand darüber gehalten hat.

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Die Rede ist von der Involvierung der Bank in die Finanzierung des
kroatischen Sezessionskrieges 1991 - 1995. Wobei das Wort
"Involvierung" deutlich zu tief gestapelt sein dürfte. Damir Kajin,
kroatischer Ex-Präsidentschaftskandidat, meint etwa, die Kärntner Hypo
sei "nur durch kroatisches Geld, das in den frühen 90er Jahren für
Waffenkäufe bestimmt war, groß geworden."(1). Tatsächlich gibt es
viele Indizien dafür, dass die HAA eine, wenn nicht sogar die
entscheidende Bank war, über die die Finanzierung der
Waffenlieferungen für den zunächst von Berlin und Wien bzw. bald
darauf von Brüssel und Washington angeheizten kroatischen
Sezessionskrieg (1991 - 1995) abgewickelt wurde. Das war in jeder
Hinsicht illegal, immerhin gab es ein UNO-Waffenembargo und die
österreichische Neutralität untersagt jeden Waffenexport in
Kriegsgebiete. Eine Schlüsselrolle spielte dabei Vladimir Zagorec,
Exgeneral und kroatischer Vizeverteidigungsminister (1994 - 2000). Er
ist jener Mann, "ohne den es in den Neunzigern wohl keine kroatische
Armee gegeben hätte und somit auch keinen Staat Kroatien" (2), da er
dafür sorgte, dass die Waffen am UNO-Embargo vorbei auf die
Schlachtfelder des Balkans geschleust wurden. Die Waffengeschäfte von
Zagorec liefen über die Hypo Alpe Adria. Der Journalist Richard
Schneider, der in seinem Buch "Tatort Hypo Alpe Adria" die
Hintergründen des Bankenskandals ausleuchtet, kommt zur Einschätzung:
"Die Entwicklung des Hypo-Skandals geht parallel mit der Entstehung
Kroatiens. Zagorec ist eine Schlüsselfigur; er hat mehr Waffen
eingekauft, als Kroatien jemals gebraucht hat. ... Die staatliche
Agentur - General Zagorec war deren Chef - hat Waffen besorgt; diese
Agentur hat Konten in Kärnten gehabt, in Klagenfurt und Villach. So
sind diese Leute zum Geld gekommen, es wurde über die Hypo irgendwie
verteilt." (4)

Zagorec hatte nicht nur seine Konten bei der Kärntner Landesbank, er
betrieb schließlich auch gemeinsame Immobiliengeschäfte mit dem
Ex-Leiter der Hypo-Filiale in Wien, Peter Illetschko. Die Hypo zahlt
das Lösegeld für den entführten Sohn von Zagorec. Ohne sonderlichen
Wert auf Sicherstellungen zu legen, half die Hypo Zagorec mit
Krediten, die von der kroatischen Steuerfahndung auf 260 Millionen
Euro geschätzt werden, ein windiges Immobilienimperium in Istrien und
Dalmatien aufzubauen. Dass Zagorec im Zuge seiner Waffenschiebereien
Edelsteine im Wert von fünf Millionen Euro in der eigenen Tasche
verschwinden ließ, wurde ihm schließlich zum Verhängnis. Als deshalb
der Boden in Kroatien für den früheren "Kriegshelden" in der
Nach-Tjudman-Ära zu heiß wurde, machte sich der Hypo-Vorstand für die
Einbürgerung von Zagorec stark, um ihn der Verfolgung durch die
kroatischen Behörden zu entziehen. "Herr Zagorec ist uns seit 1993
bekannt ... und unterstützte die Bemühungen zur Gründung der Hypo Alpe
Adria Bank Kroatien auf sehr professionelle Weise", heißt es in einem
Empfehlungsschreiben des damaligen Hypo-Vorstandes Günter Striedinger.
Die Bank wäre froh, "falls wir mit unserer positiven Erfahrung dazu
beitragen könnten, dass Herr Zagorec die österreichische
Staatsbürgerschaft erlangt" (3).

"Denkmäler für Mock und Vranitzky"

Als dann für Zagorec doch die Handschellen klickten, verriet der
frühere General Details über die sinistren Waffengeschäfte, die
eigentlich die Republik erschüttern hätten müssen. Denn über
Österreichs Hypo lief offensichtlich nicht nur die finanzielle
Abwicklung der Aufrüstung der kroatischen Armee. Österreichische
Betriebe selbst lieferten maßgeblich die Waffen - mit höchster
politischer Rückendeckung. Zagorec: "Die kroatische Armee verwendete
etwa das Scharfschützengewehr SSG 69 der Firma Steyr mit Munition von
Hirtenberger aus österreichischer Produktion. ... Bei seinem Ausscheiden
aus der Politik im Jahr 2000 habe er eine Dokumentation über die
Waffenkäufe an zuständige kroatische Behörden übergeben, eine Kopie
sei aber auch bei seinem Anwalt hinterlegt." Zagorec weiter. "Wir
können gerne alles rekonstruieren. Waffen, Zahlungsflüsse,
Seriennummern und so weiter. Die Frage ist nur, ob Kroatien und die
involvierten Länder das auch wollen." Warum die österreichische
Politik das auf keinen Fall wollte, lässt sich rasch erahnen. Zagorec:
"Ich versichere Ihnen, dass man keine Waffen ausführen kann, ohne die
Genehmigung der Politik zu haben. Auch nicht aus Österreich." Die
Antwort auf die brennende Frage, welche politischen Ebenen da ihre
Finger im Spiel gehabt haben, erschließt sich problemlos aus den
weiteren Äußerungen von Zagorec: "Kroatien solle Außenminister Mock
ein wirklich großes Denkmal widmen. Auch Ex-Kanzler Franz Vranitzky
stehe eines zu. Aber ich meine, dass Mock das größere kroatische
Denkmal verdient hat."(5)

Halten wir für einen Moment inne, um das zu verdauen: Eine Kärntner
Landesbank mausert sich durch illegale Waffengeschäfte zum Big Player
am Balkan, das Kriegsgerät selbst stammt nicht zuletzt aus
österreichischen Waffenschmieden. Bundeskanzler und Außenminister (für
die selbstverständlich die Unschuldsvermutung gilt) stehen im
dringenden Verdacht, diese kriminellen, neutralitätswidrigen,
völkerrechtswidrigen Machenschaften in einem Ausmaß unterstützt zu
haben, dass ihnen die übelsten Waffenschieber "Denkmäler" dafür
errichten wollen.

Eigentlich wäre das ein klassischer Fall für den § 278a, den
berühmt-berüchtigten "Anti-Mafia-Paragrafen". Da es sich aber nicht um
TierrechtsaktivistInnen oder anderweitig engagierte BasisaktivistInnen
handelt, sondern um die oberste Staatsführung, interessiert sich
niemand dafür. Und schon gar nicht interessiert sich die "westliche
Staatengemeinschaft" dafür, dass hier Völkerrecht mit Füßen getreten
wurde. Die Balkankriege zu Beginn der 90er Jahre firmieren in
politwissenschaftlichen Kreisen immerhin als "Genscher´s War", da die
deutsche Außenpolitik zu den maßgeblichen Brandstiftern am Balkan
zählt. Die multiethnische, blockunabhängige Bundesrepublik Jugoslawien
galt den Berliner Machthabern als "gänzlich uneuropäische Macht" (6),
deren Destabilisierung nach Kräften gefördert wurde. Die
NATO-Bombardierung Jugoslawiens ließ der deutsche Kanzler Schröder als
"europäischen Gründungsakt" (7) hochleben.

Berlin musste wohl Österreichs Politspitzen nicht wirklich nötigen,
die Drecksarbeit des Waffenschmuggels abzuwickeln. Schließlich winkten
beträchtliche Geschäfte am Balkan, sobald dieser wieder zum
deutsch-österreichischen "Hinterhof" gemacht wurde. Außerdem konnten
bei dieser Gelegenheit Vranitzky und Mock unter Beweis stellen, dass
sie es mit der Aufrechterhaltung der Neutralität kein bisschen ernst
meinten. Die EG-Kommission hatte ja 1990 die österreichische
Neutralität noch als ein EG/EU-Beitrittshindernis bekrittelt.

"Größter Kriminalfall Europa seit dem 2. Weltkrieg"

Aus Mafiafilmen wissen wir: Nichts schweißt Gauner mehr zusammen als
gemeinsam begangene Verbrechen. Das könnte auch einige der weiteren
Entwicklungen der Kärntner Skandalbank erklären. Die
Kriegsgewinnlerbank war offensichtlich durch diese illegalen
Kriegsgeschäfte engstens mit der neuen kroatischen Staatsführer um den
Autokraten Franjo Tjudman und seine Partei HDZ liiert. Diese bedienten
sich nun der Hypo, nicht nur um ihre Wahlkämpfe zu finanzieren,
sondern um öffentlichen Reichtum im großen Maßstab in die eigenen
Taschen zu privatisieren. Zu diesem Ergebnis kommt ein Report des
kroatischen Inlandsgeheimdienstes SOA: Tjudman habe Mitte der
90er-Jahre gemeinsam mit seinem Vertrauten Ivic Pašalic, dem
Generalsekretär der nationalistischen Regierungspartei HDZ, den Plan
gefasst, "200 Familien die Verfügungsgewalt über das kroatische
Staatseigentum" zukommen zu lassen. Pašalic sei deshalb in
Verhandlungen mit der Hypo Alpe Adria getreten. "Die politische
Führung wählte die Hypo Alpe-Adria deshalb aus", heißt es in dem
Dossier, "weil sie über diese Bank mehr als eine Milliarde
ausgesaugten kroatischen Geldes in Umlauf gebracht hatte, das mithilfe
von Parainvestmentfonds, die von der Hypo Alpe-Adria erdacht worden
waren, kontinuierlich nach Italien, Liechtenstein, die Schweiz und
wieder zurück nach Kroatien floss" (8). Laut diesem
Geheimdienstbericht ist der kroatischen Teil der Hypo Alpe Adria "von
Anfang an als Dienstleistungsbetrieb der politischen, medialen und
wirtschaftlichen Oligarchie" konzipiert worden: "Sie alle bekamen von
der HAAB (Hypo Alpe Adria Bank, Anm. GO) Kredite und halfen im
Gegenzug bei der Realisierung von Projekten, die der eigenen
Geldwäsche dienten."

Diese auf Kriegstage zurückgehenden kriminellen Seilschaften, die sich
oberster politischer Rückendeckung erfreuten, liefern die Erklärung
dafür, warum bei der Hypo so irrwitzig viele Kredite "faul" wurden.
Möglicherweise sind hier auch Antworten auf viele andere Fragen rund
um diesen Skandal zu suchen: Warum etwa die Notenbank beim Verkauf an
die Bayern LB beide Augen zudrückte und sich auch sonst die Behörden
auffällig desinteressiert für die dubiosen Geschäfte der Bank zeigten,
oder auch warum sich die österreichische Regierung in einer Nacht- und
Nebelaktion die Ramschbank per "Notverstaatlichung" auf Druck von
Berlin und Brüssel wieder um den Hals hängen ließ.

Der Fall der Hypo Alpe Adria ist nach den Worten des internen
Ermittlers Christian Böhler "der größte Kriminalfall Europas nach dem
Zweiten Weltkrieg" (9). In der Tat. Es geht nicht bloß um gierige
Banker, die sich verzockt haben, es geht um die illegale Finanzierung
von Krieg mit Wollen und Wissen höchster Staatseliten, um am Balkan
einen Staat zu zerstören, der den EU-Expansionsinteressen an der
Peripherie im Weg stand. Dass sich daran auch die kollaborierende neue
kroatische Oberschicht und größenwahnsinnige Provinzpolitiker
bereichern durften, war offensichtlich die milliardenschwere
Bestechungsprämie, deren Begleichung man nun den Steuerzahlern
umhängt. Die mittlerweile gängige Bezeichnung der Hypo Alpe Adria als
"Hausbank der Balkan-Mafia" wirkt vor diesem Hintergrund fast
verniedlichend. Denn gegenüber den wirklichen Paten in Berlin, Brüssel
und Wien nehmen sich die Herren in Zagreb und am Wörthersee eher als
kleine Vorstadtganoven aus.

(Gerald Oberansmayr, Solidarwerkstatt, gek.)


Anmerkungen:
(1) Kleine Zeitung, 27.8.2010
(2) Die Presse, 14.3.2007
(3) Zit. nach Die Zeit, online, Ausgabe 23/2011
(4) http://www.meinbezirk.at/klagenfurt/wirtschaft/tatort-hypo-autor-entlarvt-gaunerei-d296793.html
(5) News, 14.11.2007
(6) Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5.10.1991
(7) Gerhard Schröder, Regierungserklärung, Berlin, 19.4.1999
(8) Die Zeit, online, Ausgabe 20/2010
(9) Focus, 19.10.2013


Quelle:
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=1021&Itemid=1


Gedenkkundgebung: 15 Jahre NATO-Aggression gegen Jugoslawien
24. März 2014 um 18:00, Wien, Stephansplatz- Stock im Eisen-Platz



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