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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 5. März 2014; 00:34
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Ukraine:

> Einfach kompliziert

Fundstücke und Anmerkungen

Herr Ascan Iredi, vorgestellt als Kapitalmarktexperte, meinte am
24.Februar im Börsenbericht der ARD: "Ein ganz ungeheures Potential
würde sich da öffnen. Die Ukraine ist zum einen reich, das ist ihr
Vorteil, auch für ihre Zukunft, und zum anderen ist das auch ein ganz,
ganz großer Markt. ... Grundsätzlich haben wir das Problem, daß
Rußland die Hand darüber hält und dieses Land sich dadurch sehr
schlecht und nur sehr langsam entwickelt. ... Das Pro-Kopf-Einkommen
ist sehr niedrig! ... Das können wir aber andererseits nutzen, das
könnte zu einer Art Werkbank werden, für die europäische Union. Und
die Bodenschätze sind sehr wichtig, was wiederum den Reichtum für
dieses Land sichert. ..."

Man muß Börsianer nur einfach reden lassen und sie erklären dir die
Weltpolitik: Ein Land, reich an Ressourcen, noch dazu pleite und an
ein geringes Lohnniveau gewöhnt -- wenn wir die an die EU binden,
produzieren die für uns billig mit qualifizierten Kräften unter
Nutzung ihrer Bodenschätze. Und exportieren können wir dann auch
vielmehr dorthin. Danke, das ist Klartext.

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Worum geht es? Also es geht definitiv nicht um das Wohlergehen der
Menschen in der Ukraine, um die Demokratie dort oder die Einhaltung
der Menschenrechte. Es geht auch nicht um die Rechte des
russischsprachigen Teils der Bevölkerung oder um die russischen
Staatsangehörigen im Land. Und das "Völkerrecht" ist erstens seit
jeher immer ein Staatenrecht gewesen und zweitens immer schon gerne
genutzt worden, um einen Krieg zu begründen.

Den imperialistischen Mächten EU und Rußland geht es zuerst einmal um
ökonomische Chancen. Beide Seiten sind nicht undankbar über die
Finanzkrise dort, denn damit kann man das Land einfach kaufen. Man
nennt das dann "Kreditvergabe" oder "Zeichnung von Staatsanleihen".
Hilfreich ist es dann auch noch, daß man ein Land, wenn es einmal
ökonomisch abhängig ist, auch noch dazu "erziehen" kann, "seine
Hausaufgaben" zu machen. Der IWF harrt schon darauf, seine
"Strukturanpassungsprogramme" zu oktroyieren.

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Es geht aber natürlich auch um militärische Interessen. Denn
üblicherweise müssen osteuropäische Staaten zuerst einmal in die NATO,
bevor sie in die EU aufgenommen werden können. Das war bei Polen,
Tschechien, Ungarn, Slowenien, Bulgarien, Slowakei, Rumänien, Kroatien
und dem Baltikum so. Also ist wohl auch für die Ukraine dieser
Wartesaal vorgesehen. Damit wird zuerst die militärische Sicherheit
für zukünftige Kapitalinteressen aufgebaut. Nur gehört die Ukraine
halt zum letzen verbliebenen Rest des russischen Glacis -- und
speziell die Krim mit der dort stationierten Schwarzmeerflotte ist mit
einer NATO-Mitgliedschaft inkompatibel. Wundert sich irgendwer über
die jetzigen russischen Aktivitäten dort?

*

"Im Januar 2008 löste Jazenjuk eine politische Krise aus, als er
gemeinsam mit Staatspräsident Juschtschenko und Ministerpräsidentin
Tymoschenko einen Brief an die NATO unterschrieb, in dem um die
Aufnahme der Ukraine in den offiziellen Beitrittsprozess auf dem
anstehenden NATO-Gipfel in Bukarest gebeten wurde", steht in der
Wikipedia zu lesen. Damals war Arsenij Jazenjuk Parlamentspräsident,
jetzt ist er neuer Regierungschef der Ukraine.

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"Deutschlands Bundeskanzlerin Merkel protestierte heute bei einem
Telefonat mit US-Präsident Obama energisch gegen die
völkerrechtswidrig fortgesetzte Stationierung von US-Truppen auf
Guantanamo. Die USA sollten nach Ablauf des Pachtvertrages endlich die
Souveränität Kubas anerkennen. Merkel zeigte sich auch betroffen über
die Menschenrechtsverletzungen auf diesem Territorium." Das stand
natürlich nicht in der Zeitung. Einfach, weil es Merkel nicht gesagt
hat.

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Was aber in der Zeitung steht, sind Kommentare über das "wahre
Gesicht" Putins resp. Rußlands. "Öl, Gas und Gewalt: Russland zeigt
sein wahres Gesicht" titelt ein Kommentar in der "Presse". "Jetzt, da
der olympische Friede von Sotschi vorbei ist, zeigt Putins Russland
sein wahres Gesicht: Es ist die Fratze eines Schlägers, der sich mit
Gewalt das holt, was ihm sonst verwehrt wird. Der ehemalige
KGB-Offizier handelt nach dem Muster des Mafiapaten Don Corleone: Man
macht dem Gegenüber ein Angebot, das er nicht ablehnen kann - tut er
das trotzdem, fließt Blut statt Erdgas", schreibt Michael Laczinsky.

Eine ebensolche Wahrheit erkennt sein Kollege Berthold Koller unter
dem Titel "Der Kreml und der Westen: Putins wahres Gesicht" in der
FAZ: "Wladimir Putin kann, er zeigt es seinem Volk gerne, fast alles:
reiten, schießen und sogar fliegen, ob mit Kranichen oder im
Kampfflugzeug. Nur den Friedensfürsten zu spielen gelingt ihm nicht.
Diese Maske saß schon in Sotschi schlecht. Nach Erlöschen des
olympischen Strohfeuers aber können des Zaren falsche Kleider
niemanden mehr täuschen. Zu deutlich tritt auf der Krim Putins wahres
Gesicht hervor: das eines Autokraten, der sich bei der Verfolgung
großrussischer Interessen einen Teufel um die Souveränität und
Integrität anderer Staaten schert, also jene Grundsätze, die er immer
bemüht, wenn er anderen am Zeug flicken will." Und: "Der Kreml träumt
wieder von einem größeren Reich. Den darin liegenden Staaten spricht
er, wie zu Zeiten der Breschnew-Doktrin, nur begrenzte Souveränität
zu. Sie dürfen sich Putins Eurasischer Union anschließen, nicht aber
der EU und der Nato. Verstoßen sie dagegen, wird ihnen der Gashahn
abgedreht. Bleiben sie uneinsichtig, folgen 'Unruhen', die 'Bitte' um
Einmarsch, Abspaltung - divide et impera auf Russisch."

Der Mafioso, der Schläger, der Maskierte, der Autokrat --
Friedenspublizistik sieht anders aus. Fehlt nur noch: "Jeder Schuß --
ein Ruß". Und: Wer hat da gerade "Unruhen" gefördert, die zum Sturz
eines Präsidenten führten?

Da muß man ja sogar schon Deutschlands Ex-Kanzler Gerhard Schröder
(der natürlich andere ökonomische Interessen gegenüber Rußland hat)
dankbar sein, wenn er sagt: "Die Nato hat in der derzeitigen Lage
keine Funktion, schon gar keine politische. Warum gibt es ständig
Diskussionen von dort? Das schafft nicht Vertrauen, das schafft das
Gegenteil." Politische Institutionen könnten helfen, "die Nato aber
weniger, weil sie nicht mehr Vertrauen, sondern eher mehr Ängste
schafft". Und: "Nutzt es wirklich, wenn man sagt, die sollen
rausgeschmissen werden aus der G-8-Konstruktion? Die G 8 ist eine
Möglichkeit, die führenden acht Leute in der Welt zusammenzubringen
und miteinander zu reden." So zitiert ihn die "Berliner Morgenpost" --
allerdings unter dem Titel "Schröder kritisiert die EU und schweigt zu
Putin".

Und auch ein anderer recht prominenter Ex-Politiker meldete sich zu
Wort. Während die EU-Grünen eine recht seltsame Linie in dieser
Debatte fahren kam vom ehemaligen grünen MEP Johannes Voggenhuber eine
klare Ansage via Facebook: "Sehr geehrter Herr Aussenminister Kurz!
Wenn Deutschland, Frankreich, Polen u. A. anstelle einer gemeinsamen
europäischen Außenpolitik die aggressive Einschnürungspolitik der USA
gegen Russland verfolgen, sollte sich Österreich dann nicht
schleunigst auf seine nach der Verfassung gebotene Neutralität und
eine Vermittlerrolle besinnen, anstatt die Aussendungen des deutschen
Außenamts nachzubeten?"

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Ja, es stimmt, auch von EU-kritischer Seite kam dieser Tage viel
Blödsinn. So manche Gruselgeschichte war derart übertrieben, daß sich
die EU-Fans leicht tun, diese als Propaganda des russischen
Geheimdienstes abzutun. Es dürfte wirklich einige Anschläge auf Juden
und Kommunisten gegeben haben und das ist erschreckend, bedeutet aber
nicht, daß in der Ukraine nun Mord und Totschlag an der Tagesordnung
sind.

Deswegen ist auch wohl das neue Regime nicht per se als ein
faschistisches anzusehen. Die am Maidan so präsenten Nazis stellen
jetzt zwar ein paar Minister, waren aber hauptsächlich für den Umsturz
notwendig. Auf lange Sicht sind sie EU-inkompatibel -- Nazis in der
Regierung machen sich nicht so gut für einen Aufnahmekandidaten.
Schließlich hat auch Ungarn seine braunen Horden, kontrolliert wird
das Land aber von der bürgerlich-autoritären Regierung Orban. Und
damit hat die EU -- trotz zeitweiligem Gemotze aus Brüssel -- keine
echten Probleme.

Die ukrainischen Faschisten sind sicher ein schlagzeilenstarker
Aufmacher. Aber die Realität ist viel banaler: Ein Vasallenregime
wurde durch ein anderes abgelöst. Und wie so oft in der Geschichte
reden die einen von Revolution und die anderen von Putsch. Die
Mehrheit des Volkes hat das getan, was sie bei Umstürzen immer tut:
Schweigen und hoffen, daß es nicht schlimmer kommt. Aber diese
Interessen sind ja sowieso allen Machtparteien egal.

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Ich mußte in den letzten Tagen immer wieder an Samuel Huntington
denken und seinen "Clash of Civilisations". Der
US-Politikwissenschafter hatte 1993 in einem Aufsatz postuliert, daß
es acht Großkulturen auf der Welt gäbe, die miteinander inkompatibel
wären -- unter anderem die "westliche" und die "slawisch-orthodoxe".
Dieser Aufsatz wurde damals als Versuch einer Begründung angesehen,
warum der Kalte Krieg auch nach dem Ende der Sowjetunion weitergehen
müßte. "Das Echo auf Huntingtons These war überwältigend, aber
gespalten. Viele feierten ihn als amerikanischen Oswald Spengler, der
seine apokalyptischen Reiter aussendet und den US-Hegemon aus seinem
hedonistischen Schlummer reißt. Andere sahen in ihm einen
ideologischen Einpeitscher, der mit seiner haltlosen Kulturtheorie
Amerikas Anspruch auf Weltherrschaft in Stein meißelt", schrieb
retrospektiv 2006 "Die Zeit".

Es scheint heute fast so, als hätte Huntington irgendwo recht
gehabt -- bleibt nur die Frage, ob die Bewahrheitung seiner These
vielleicht etwas damit zu tun hat, weil dieses Denken im Westen so
hilfreich war, die alten Feindbilder aufrecht zu erhalten. Man wollte
Huntington einfach glauben. Allerdings ist er für die heutigen Kalten
Krieger unbrauchbar geworden, denn die Ukraine liegt in seiner Theorie
auf der östlichen Seite der Grenze zwischen den Kulturen. Seinen
Vorstellungen nach also wäre das Land nicht in EU und NATO
eingliederbar.

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Übrigens gibt es da noch ein Land, daß hart an Huntingtons Grenze
liegt, ja fast als Grenzlinie definierbar ist: Transnistrien. War da
nicht mal was? Dieser -- völkerrechtlich nicht anerkannte, faktisch
aber existierende -- Staat hat die Geschichte, die sich jetzt
vielleicht ähnlich auf der Krim wiederholt, schon hinter sich. Ein
schmaler Landstrich, östlich des Dnister gelegen und formal Moldawien
zugehörig, ist von einer mehrheitlich russischen Bevölkerung bewohnt.

Dieser Kleinstaat mit einer halben Million Menschen möchte nicht Teil
des mehrheitlich rumänischsprachigen Moldawiens sein, sondern Teil
Rußlands. Auch wenn selbst Rußland den Staat formal nicht anerkennt,
so stehen doch zur Sicherung seiner de-facto-Existenz russische
Truppen im Land.

Transnistrien hat nur zwei Nachbarn, zwischen denen das Land
eingeklemmt ist: Moldawien und Ukraine. Und beider Regierungen sind
jetzt bestrebt, in die EU und in die NATO zu kommen. Also könnte es
auch hier bald wieder sehr eng werden.

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Es ist so einfach, die Interessen im Ukraine-Konflikt zu durchschauen,
wenn man mal das ganze Brimborium der Propagandaabteilungen hüben wie
drüben ignoriert. Aber die Lage ist kompliziert und beide Seiten haben
sich -- und uns -- in etwas hineingeritten, aus dem es selbst bei
gutem Willen schwierig werden wird, wieder rauszukommen. Man kann nur
hoffen, daß sich die Welteliten nicht wieder einmal für die einfachste
Lösung entscheiden. Das wäre dann nämlich Krieg.

*Bernhard Redl*



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