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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 25. Februar 2014; 20:33
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EU/Ukraine/Debatte:
> Europa, Europa über alles
Nachfolgender Text des Blogs "Schmetterlingssammlung" erschien bereits
am 22.Februar 2014, also noch vor dem Sturz Janukowitschs in der
Ukraine -- und ist diesbezüglich nicht mehr aktuell. Doch die
Geschehnisse in der Ukraine stehen generell für die EU-Politik und das
von ihr gestrickte "Europa"-Bild. Und das ist nach wie vor aktuell:
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Vorweg: Die Situation in der Ukraine ist komplex. Sehr sogar. Es gibt
verschiedene Gruppen, die (berechtigte) Kritik am autoritären System
von Janukowitsch äußern. Dass die westlichen Medien kaum im Stande
sind die Komplexität und die Linien innerhalb der Proteste
nachzuzeichnen, ist wenig verwunderlich. Sie fallen in Verzückung,
wenn sich jemand auf einen Platz stellt und laut "Europa" schreit.
Kleine Korrektur: Das trifft nur zu, wenn es dabei gegen den bösen
Osten/Russland geht. Wenn nämlich Flüchtlinge die Idee von Europa fein
finden, dann werden Zäune hochgezogen. Die europäischen Werte, nach
denen jeder freiheitsliebende, demokratisch gesinnte Mensch einen
Platz in der ebenso freiheitsliebenden und demokratischen EU (die ja
wohl synonym mit Europa gesehen wird, zumindest von sich selbst) hat,
entpuppen sich angesichts der "Festung Europa" als ekelhafte Mischung
von Zynismus und lächerlicher Absurdität. Zumal die EU gerade kräftig
dabei ist, ihre Form von marktkonformer Freiheit und Demokratie in den
Peripherieländern der Union zu verbreiten. Das bedeutet 43% höhere
Säuglingssterblichkeit oder ein Ansteigen der Suizidrate um 45%, wie
in Griechenland.
Aber im Namen Europas kämpfen, ist noch immer besser als alles andere.
Denn dass es eine andere Europakonzeption als die achso
freiheitsliebende und demokratische gibt, ist völlig unvorstellbar.
Europa ist (vor allem für sich selbst) zum Synonym für alles Gute in
der Welt geworden. Großzügigerweise will man auch alle anderen daran
teilhaben lassen (nur bitte nicht IN Europa) und verbreitet diese
Botschaft ganz im Stil des 19. Jahrhunderts in der Welt, um diesen
Anderen auch mal zu zeigen, wie das so geht mit der Freiheit.
Wer glaubt, dass Europa automatisch der Gegensatz zu Nationalismus und
Autoritarismus, zu Rassismus und Antisemitismus ist, liegt ziemlich
daneben. Es gibt drei grobe Stränge im europäischen Rechtsextremismus,
was Europa betrifft: Das Europa der Nationen, was Ethnopluralismus
bedeutet und vor allem von der Neuen Rechten geprägt ist, mit starken
Nationalstaaten, die eng zusammenarbeiten. Zweitens das Europa der
Regionen, wo weniger die nationalstaatlichen Grenzen (die ja auch
gerne als "willkürlich" in Frage gestellt werden) den Grad der
Zusammenarbeit bestimmen, sondern regionale Gebilde. Das erlaubt z.B.
"Vertriebenen"arbeit zu machen oder (aus österreichisch/deutscher
Sicht) Südtirol mit einzubinden. Diese Sicht hat etwa Jörg Haider
gegen Ende vertreten. (Als kleinen Einschub gibt es noch den
nationalbolschewistischen/ eurasischen Strang des Herren Alexander
Dugin, ehemaliger Berater von Putin, der von einem Zusammenwachsen
Europas und Asiens und einer Abkehr der transatlantischen Beziehungen
träumt, der ist aber nicht so bedeutsam wie die anderen drei).
Der dritte Strang ist die Idee des europäischen Abendlandes, das gegen
die Feinde von außen verteidigt werden müsse. So handele es sich
innerhalb Europas um "Brudervölker" mit mehr oder weniger gleicher
"Kultur", die gemeinsam gegen die Barbaren kämpfen. Diese Sicht
rekurriert direkt auf die Waffen-SS. Diese wird dabei (so abstrus das
klingt) aus dem Nationalsozialismus hinaus gehoben und zu einem Haufen
Burschen voller Ideale verklärt, der für Europa und gegen den bösen
("jüdischen", "asiatischen") Kommunismus kämpft. Herkunft (innerhalb
Europas) hat keine Rolle gespielt, gemeinsam sind sie in bester
Absicht, das europäische Abendland vor den Barbarenhorden zu retten,
in den Kampf gezogen. Dabei spielt ein großer Grad an Verklärung eine
Rolle. Im Gegensatz zur Wehrmacht sei die Waffen-SS aus innerer
Überzeugung und freiwillig "für Europa" in den Krieg gezogen. Die
Wehrmacht soll hier dezidiert nicht als das unpolitisches,
"gezwungenes" Pendant zur Waffen-SS präsentiert werden. In manch
rechtsextremer Überzeugung steht sie im Prestige allerdings höher. Der
Forschungsstand ist in dieser Sache unmissverständlich: Sowohl
Wehrmacht als auch SS (wie auch Polizeigruppen) waren an
Kriegsverbrechen ungeheuren Ausmaßes beteiligt und haben besonders in
der Sowjetunion Landstriche in Schutt und Asche gelegt und die
Bewohner_innen ausgelöscht. Das geht nämlich einher mit der
Vorstellung des hehren christlichen Abendlandes, das es zu verteidigen
gilt: die, die an der unmittelbaren Grenze wohnen, aber nicht mehr
dazugehören, haben in dieser Vorstellung keine Existenzberechtigung,
da sie eine Gefahr darstellen. Die Rechte lebt von der permanenten
Vorstellung des Untergangs und der Bedrohung der Nation/Rasse/Kultur
durch finstere Mächte, die "rassisch" oder eben politisch
(Kommunist_innen) identifiziert werden. Russland als Nachfolgestaat
der Sowjetunion bietet hier in guter alter SS-Manier einen wunderbaren
Nährboden, der diese Vorstellungen beflügelt.
Die Historikerin Ruth Bettina Birn fasst in "Die SS, Himmler und die
Wewelsburg" im Aufsatz "Die SS - Ideologie und Herrschaftsausübung.
Zur Frage der Inkorporierung von "Fremdvölkischen"" das Europabild der
SS wie folgt zusammen:
Ganz allgemein wurde in der SS-Propaganda etwa seit 1942 der Gedanke
eines Europas mit gemeinsamer Geschichte und gemeinsamen Interessen
forciert. Mit einem Rückgriff auf das ehemalige Heilige Römische Reich
Deutscher Nation wurde Deutschland als Erbe des ,Reiches' zum Zentrum
Europas erklärt, von dem das Schicksal Europas abhänge und die Chance
der europäischen Völker, in Ordnung, Wohlstand und Freiheit unter dem
,Schutz des Reiches' zusammen zu leben."
Das kommt unter Umständen in klitzekleinen Ansätzen bekannt vor.
Gerade (aber nicht nur) in den Frontstädten und -ländern gegen den
Kommunismus mit mehr oder minder latenten antikommunistischen und
antisowjetischen Einstellungen, stieß diese Sicht und die SS als
solches auf viel Beifall. Es gab eigene Waffen-SS-Divisionen aus
Galizien (heute Ukraine), Lettland, Ungarn, Kroatien, Estland, den
Niederlanden, Flamen (Belgien), Dänemark, Norwegen, Wallonie
(Belgien), Italien, Weißrussland, Albanien, Frankreich. Dabei waren
diese Länder alles andere als gleichberechtigt. Die "Brudervölker",
die fröhlich nebeneinander gegen den Kommunismus marschieren, waren
intern nicht ganz so gleich. Innerhalb der SS wurden bald Rufe laut,
dass sich "Nichtgermanen" bitteschön nicht "SS" nennen sollen. Der
Rassismus innerhalb der SS war also (oh Wunder) virulent, auch wenn er
nicht dazu geführt hat, dass die SS nur aus "Germanen" bestanden hat.
Neben der SS gab es auch Ordnungs- und Sicherheitspolizei, die sich,
wie schon erwähnt, auch an Kriegsverbrechen beteiligte und wo
nationalistische Kreise z.B. in der Ukraine ihren Antisemitismus und
Antikommunismus ausleben konnten. Die 1. ukrainische Waffen- SS-
Division wurde aus Freiwilligen der "Organisation Ukrainische
Nationalisten" gebildet, zu deren Führungskader Stepan Bandera
gehörte. Bis heute gibt es (wie auch in den NS-Kerngebieten Österreich
und Deutschland und anderen Frontländern wie am Baltikum) große Feiern
zu Ehren der SS- Division und den alten Kameraden.
Um die kleine Geschichtsstunde etwas abzukürzen: Es ist genau dieser
Bandera, von dem ein großes Bild am Maidan hängt. Es ist dieser
Bandera, auf den sich die Swoboda-Partei beruft, die vom Westen, der
EU, den USA, von Deutschland und Klitschko als gleichberechtigter
Partner gefeiert wird. Es ist die Europaideologie der SS, die hier
direkt weitergegeben wird. Die ukrainischen NationalistInnen brauchen
sich nicht zu verstellen, sie haben eine sehr genau Vorstellung von
Europa, die es ihnen sehr leicht erlaubt, mit EU-Fahnen am Maidan zu
stehen und das europäische Abendland abzufeiern. Bandera war, vor dem
Einmarsch der deutschen Truppen, an einem Massaker beteiligt, bei dem
7000 Juden und Jüdinnen und Kommunist_innen ermordet wurden. Nach dem
Einmarsch der Nazis hat er sich mit diesen überworfen, was (wie so
oft) rechtsextremen lagerinternen Machtkämpfen, aber keiner
prinzipiell ideologischen Verschiedenheit geschuldet ist. Er gehörte
dann zu den sogenannten "Ehrenhäftlingen" im KZ-Sachsenhausen (wie
etwa auch Schuschnigg), die (wenngleich ihrer Freiheit beraubt) nicht
in den selben elenden Umständen leben mussten wie "normale"
KZ-Häftlinge. In den Augen der Nazis war das Leben der
"Ehrenhäftlinge" sehr wohl sehr viel mehr wert als jenes der anderen
Häftlinge, z.B. um sie als Faustpfand gegenüber den Alliierten zu
benutzen. Bandera kam 1944 wieder frei und floh nach Kriegsende nach
Deutschland, wo er 1959 vom KGB erschossen wurde. Das alles zeigt,
dass es innerhalb des Rechtsextremismus sehr wohl eine Bandbreite an
Vorstellungen und Ideologien gibt, die im Widerspruch zu einander
stehen können. Das macht aber nicht die Einen besser als die Anderen.
Das macht Bandera nicht zum Freiheitshelden und das macht seine
ideologischen NachfolgerInnen nicht zur netten Revolutionsbewegung von
nebenan.
Die Situation ist komplex, keine Frage. Zum Mitschreiben: Russland ist
sicherlich kein demokratisches System und Janukowitsch in der Ukraine
ist sicherlich kein Freiheitskämpfer und es gibt genug linke Kritik,
der Raum verschafft werden sollte. Aber es geht bei diesem Kampf nicht
darum. So stellen es die Medien zwar dar. Sie glauben, gegen Russland
und Janukowitsch mit den ideologischen Nachfolger_innen der SS kämpfen
zu können, weil diese "Europa" schreien. Egal wie schrecklich und
schlimm etwas ist, es ist nie zu rechtfertigen mit Nazis oder
FaschistInnen zusammenzuarbeiten. Das war historisch gesehen immer und
überall ein Fehler. Wer mit Nazis und Rechtsextremen gemeinsame Sache
macht, hat keinerlei Unterstützung verdient. Alle, die sie
unterstützen, machen sich mitschuldig.
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Quelle:
http://schmetterlingssammlung.net/2014/02/22/europa-europa-uber-alles/
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