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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 25. Februar 2014; 20:52
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Geschichte:
> Der Februaraufstand von 1934 und wie es dazu kam (II)
Im Februar 1934 verteidigten einige tausend österreichische Arbeiter
und Arbeiterinnen in einem verzweifelten Aufstand die Demokratie gegen
eine faschistische Diktatur. Der Kampf war aussichtslos, weil er zu
spät begonnen hatte, und das war den meisten Beteiligten klar. Dennoch
wollten sie nicht kampflos zusehen, wie die demokratische Republik,
die sie sechzehn Jahre vorher erkämpft hatten, vernichtet wurde.
*Martin Auer* hat anläßlich des 80.Jahrestags der Kämpfe eine
Zusammenfassung der Entwicklung in Österreich von 1918 bis zum
Sozialistenprozeß 1936 verfaßt. Wir bringen sie in zwei Teilen.
Teil 2 -- Von der Neuorganisation des Schutzbundes bis zum
Sozialistenprozeß 1936
*
Nach den Ereignissen um den Justizpalastbrand beschloss die
Sozialdemokratie, den Schutzbund nun ernsthaft militärisch zu
trainieren und zu einer disziplinierten Truppe umzugestalten. In der
Schutzbundführung war man sich nicht einig über die Strategie. Das
Konzept von Major Eifler ging davon aus, dass im Fall eines
faschistischen Staatstreichs der Schutzbund wie eine reguläre Truppe
gegen Bundesheer und Polizei antreten sollte, um die Republik zu
verteidigen. General Körner vertrat die Ansicht, dass in einem solchen
Fall der Schutzbund nur im Rahmen eines allgemeinen Volksaufstands
erfolgreich sein könnte. Eifler setzte sich durch und Körner trat aus
der Schutzbundführung aus.
Volksaufstand oder Privatarmee?
Der spätere Bundeskanzler Bruno Kreisky, damals Bildungsfunktionär der
Sozialistischen Arbeiterjugend, sagte dazu: "Unter dem Kommando von
Major Eifler, der ja ein Militär war, und unter denen, die den
Schutzbund organisiert hatten, hat man die These vertreten: Zivilisten
sollen sich von den Kämpfen fernhalten. Das machen wir, wir sind die
Armee. Das war der konzeptive Wahnsinn, den der General Körner schon
bekämpft hat. ... Entweder man bereitet sich auf einen Bürgerkrieg vor,
dann muss jeder an die Front, auch jede Frau, dann muss alles
mobilisiert werden, oder man hat eine Privatarmee."
Gelbe Gewerkschaften
Da seit der Genfer Sanierung die Arbeitslosigkeit immer hoch blieb,
zahlten die Unternehmer sehr niedrige Löhne. "Du bist nicht zufrieden
mit dem, was wir zahlen? Da draußen warten noch 100 andere auf deinen
Job!" Die Preise stiegen jedoch. So waren die Arbeitenden immer wieder
gezwungen, mit Streiks Lohnerhöhungen zu erkämpfen. Rund eine Million
Arbeitende waren in den Freien Gewerkschaften organisiert, die unter
sozialdemokratischer Führung standen. Daneben gab es noch die
christlichen und deutschnationalen Gewerkschaften. Das Streikrecht und
die Gewerkschaften waren der Unternehmerschaft natürlich ein Dorn im
Auge. 1928 gründeten in Donawitz, das damals ein Zentrum der
Stahlindustrie war, Mitglieder des steirischen Heimatschutzes die
"Unabhängige Gewerkschaft". Diese sogenannte Gewerkschaft wurde direkt
von den Unternehmern finanziert, vor allem von der
Alpine-Montan-Gesellschaft, die der größte Stahlproduzent war. Diese
"gelben Gewerkschaften", wie die Arbeitenden sie nannten, propagierten
den "Wirtschaftsfrieden" und hatten im Grunde nur die Aufgabe, die
Arbeiter von Streiks abzuhalten.
Ein zaghafter Vorstoß Richtung Diktatur
Im August 1929 griff der steirische Heimatschutz eine
Festveranstaltung der Sozialdemokraten im steirischen St. Lorenzen an.
Es gab eine Schießerei, bei der drei Schutzbündler starben. Die
steirischen Behörden hatten nichts unternommen, um die von der
Heimwehr geplante Provokation zu unterbinden. Die Christlichsozialen
nahmen das Ereignis zum Anlass, eine Verfassungsänderung zu fordern.
Besonders Seipel drängte auf diktatorische Vollmachten für den
Bundespräsidenten und eine Einschränkung der Rechte des Parlaments. In
zähen Verhandlungen konnten die Sozialdemokraten diesen Vorstoß
abwehren. In der Verfassung von 1929 wurde die Rolle des
Bundespräsidenten zwar aufgewertet, die parlamentarische Demokratie
blieb aber noch intakt.
Die Weltwirtschaftskrise
Im Oktober 1929 begann mit einem Börsenkrach in den USA die
Weltwirtschaftskrise. In den gesamten 20er Jahren war die
Produktivität der Industrie enorm gewachsen, vor allem wegen der
Einführung der Fließbandarbeit. Waren waren im Überfluss vorhanden.
Doch die Einkommen waren sehr ungleich verteilt: Die obersten 10% der
Bevölkerung verdienten fast 50% aller Einkommen, während die übrigen
90% sich mit der anderen Hälfte begnügen musste. Das führte aber dazu,
dass die Masse der Bevölkerung die angebotenen Waren gar nicht kaufen
konnte. Nach dem Krieg konnten die USA große Mengen nach Europa
verkaufen, doch inzwischen hatte sich die europäische Wirtschaft
erholt und die Exporte gingen zurück. Viele Menschen kauften das, was
sie brauchten, auf Kredit. Auch Unternehmen nahmen Kredite auf um
investieren zu können. Die Konkurrenz zwingt die Unternehmen, auch
dann zu investieren, wenn eigentlich der Markt gesättigt ist. Jedes
Unternehmen hofft, die eigenen Waren zu verkaufen und die Konkurrenz
aus dem Feld zu schlagen. Viele Menschen kauften auch Aktien auf
Kredit, in der Hoffnung, schnell genug Geld zu verdienen, um den
Kredit zurückzahlen zu können. Doch irgendwann wollen die, die das
Geld hergeborgt haben, es wieder zurückbekommen. Dann zeigt sich, dass
eine Reihe von Unternehmen nicht genug verdient hat, weil die
Bevölkerung nicht genug gekauft hat. Die Unternehmen können ihre
Kredite nicht zurückzahlen, ihre Aktien verlieren an Wert, Panik
bricht aus, alle wollen ihre Aktien verkaufen, dadurch sinken die
Kurse, Betriebe müssen schließen, Arbeitende werden entlassen, noch
weniger Waren können verkauft werden. Die Banken bekommen das Geld,
das sie verborgt haben, nicht mehr zurück und können ihrerseits das
Geld, das sie den Sparern und Anlegern schulden, nicht zurückzahlen,
und müssen in Konkurs gehen. Sie reißen die Unternehmen, an denen sie
beteiligt sind, mit in den Strudel.
Die Creditanstalt kracht, die Arbeitslosigkeit explodiert
Die österreichische Creditanstalt -- 1855 von Salomon Rothschild
gegründet -- war die größte Bank der Monarchie gewesen und immer noch
eine der größten Banken Mitteleuropas. Viele große Unternehmen waren
bei ihr verschuldet, und als diese Unternehmen infolge der Krise
zahlungsunfähig wurden, musste schließlich auch die Creditanstalt 1931
Konkurs anmelden. Sie riss wiederum zahlreiche Banken und Unternehmen
in der ganzen Welt mit in den Abgrund.
Auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise 1933 gab es in Österreich
557.000 unterstützte Arbeitslose. Zusammen mit denen, die keine
Unterstützung mehr bekamen, waren es 750.000.
Der Korneuburger Eid
1930 verkündete Heimwehrbundesführer Steidle bei einer
Heimwehrversammlung in Korneuburg ein politisches Programm, das als
Korneuburger Eid bekannt wurde. Darin hieß es unter anderem: "Wir
wollen nach der Macht im Staate greifen und zum Wohle des gesamten
Volkes Staat und Wirtschaft neu ordnen. [...] Wir verwerfen den
westlichen demokratischen Parlamentarismus und den Parteienstaat! [...]
Wir kämpfen gegen die Zersetzung unseres Volkes durch den
marxistischen Klassenkampf und die liberal-kapitalistische
Wirtschaftsgestaltung." Auch Julius Raab, der spätere
ÖVP-Bundeskanzler, damals Landesführer der Niederösterreichischen
Heimwehr, schwor diesen Eid.
1930: SDAP wieder stärkste Partei
1930 waren in Österreich wieder Nationalratswahlen, und diesmal wurde
die Sozialdemokratie wieder stärkste Partei im Parlament. Sie bekam 41
Prozent der Stimmen und 72 Mandate, die Christlichsozialen,
unterstützt von Teilen der Heimwehr unter Emil Fey, bekamen nur etwas
unter 36 Prozent. Die Großdeutschen gemeinsam mit dem Landbund kamen
auf 11,6 %. Der Heimwehrführer Ernst Rüdiger Starhemberg (aus dem
Fürstengeschlecht der Starhemberg) kam mit seinem Heimatblock auf 6,2
% der Stimmen und 8 Mandate im Nationalrat. Die Nationalsozialisten
schafften es zwar noch nicht in den Nationalrat, bekamen aber immerhin
3 Prozent der Stimmen.
Der Pfrimer-Putsch
Auch wenn die Sozialdemokraten keine Regierung bilden konnten und noch
weit von den angestrebten 51% entfernt waren, gab das Wahlergebnis den
bürgerlichen Kräften zu denken. Der Führer des steirischen
Heimatschutzes, der Judenburger Rechtsanwalt Walther Pfrimer,
versuchte im September 1931 einen Putsch und rief sich zum Führer des
Staates Österreich aus. Der Putsch brach zwar zusammen, doch im darauf
folgenden Hochverratsprozess wurde Pfrimer freigesprochen. Die
Regierung zog keinerlei politsche Konsequenzen, obwohl nun wirklich an
der antidemokratischen Gesinnung der Heimwehrbewegung kein Zweifel
mehr sein konnte.
Die Nationalsozialisten im Vormarsch
Im April 1932 wurden in fünf Bundesländern Landtagswahlen abgehalten.
Nur die Sozialdemokraten konnten ihren Mandatsstand halten. Die
Christlichsozialen erlitten schwere Verluste. Und die
Nationalsozialisten errangen auf einen Schlag in Wien 15, in
Niederösterreich 8 und in Salzburg 6 Abgeordnete. Einer ihrer
Wahlslogans war: "500.000 Arbeitslose, 400.0000 Juden. Ausweg sehr
einfach! Wählt Nationalsozialisten!"
Dollfuß wird Bundeskanzler und die Heimwehr regiert mit
Nachdem mehrere schwache bürgerliche Regierungen gescheitert waren,
beauftragte Bundespräsident Miklas den bisherigen
Landwirtschaftsminister Engelbert Dollfuß mit der Bildung einer neuen
Regierung. Dollfuß nahm gleich drei Repräsentanten der Heimwehr als
Minister in seine Regierung.
Das "kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz"
Und schon startete diese Regierung ihren Angriff auf die demokratische
Gewaltenteilung. Dollfuß' juristischer Berater grub ein Gesetz aus dem
Kriegsjahr 1917 aus, das beim Übergang zur republikanischen Verfassung
gewissermaßen übersehen worden war, das "Kriegswirtschaftliche
Ermächtigungsgesetz". Es erlaubte der Regierung, Notverordnungen ohne
Zustimmung des Parlaments zu erlassen. Allerdings nur "während der
Dauer der durch den Krieg hervorgerufenen außergewöhnlichen
Verhältnisse" und auch nur auf wirtschaftlichem Gebiet. Den
Zusammenbruch der Creditanstalt benützte Justizminister Schuschnigg,
eine solche Notverordnung zu erlassen, und zwar, um zu ermöglichen,
dass die Privatvermögen der Schuldigen am Bankenkrach gepfändet werden
konnten. Damit brachte er die Sozialdemokratie in eine Zwickmühle:
Einerseits forderte auch die Sozialdemokratie, dass die
Verantwortlichen zur Verantwortung gezogen wurden. Andererseits war
die Umgehung des Parlaments ein Verfassungsbruch und eine ernste
Bedrohung der Demokratie. Die Sozialdemokraten protestierten im
Parlament heftig gegen diese Vorgangsweise, aber ohne Erfolg.
Die Regierung hat kein Geld, die Eisenbahner streiken
Die Rettung der Creditanstalt hatte den österreichischen Staat rund
eine Milliarde Schilling an Steuergeldern gekostet. Dieses Geld fehlte
an allen Ecken und Enden. Der Staat kam auch seiner Verpflichtung, das
Defizit der Bundesbahn zu decken, nicht nach, und so konnten die
Gehälter der Bahnbediensteten für März 1933 nur in drei Raten
ausbezahlt werden. Das war ein Bruch des Kollektivvertrags, und die
Eisenbahner antworteten am 1. März mit einem zweistündigen Streik.
Auch die christlichsozialen und die deutschnationalen Gewerkschaften
beteiligten sich. Die Regierung grub eine kaiserliche Verordnung aus
dem Weltkrieg aus und ließ eine große Anzahl von Eisenbahnern
verhaften und mit Arrest- und Geldstrafen bedrohen.
Eine fatale Parlamentssitzung
Um die Eisenbahner zu schützen, verlangten die Sozialdemokraten eine
dringliche Sitzung des Nationalrats für den 4. März. Zur Abstimmung
standen drei Anträge: Die Sozialdemokraten forderten die Auszahlung
der Gehälter nach dem Kollektivvertrag und die Straffreiheit für die
Eisenbahner. Auch die Großdeutschen forderten Straffreiheit für die
Eisenbahner. Der christlichsoziale Antrag trat für eine milde
Bestrafung ein. Da die Sozialdemokraten mandatsstärkste Partei waren,
stellten sie den ersten Parlamentspräsidenten, Karl Renner. Der ließ
alle drei Anträge abstimmen. Der sozialdemokratische wurde abgelehnt,
der großdeutsche Antrag mit einer Stimme Mehrheit angenommen. Doch
stellte sich heraus, dass bei der Stimmabgabe Stimmzettel verwechselt
worden waren. Nach einer heftigen Geschäftsordnungsdebatte, in der
Renners Entscheidung über die Abstimmung angezweifelt wurde, legte
Renner sein Präsidentenamt nieder, damit er bei der Wiederholung der
Abstimmung mitstimmen konnte, was er als Präsident nicht durfte.
Daraufhin legten auch der christlichsoziale zweite Präsident und der
großdeutsche dritte Präsident ihr Amt nieder. Das Parlament ging ohne
Beschluss auseinander. Für einen solchen Fall war in der
Geschäftsordnung nichts vorgesehen. Nur der Nationalratspräsident
konnte eine Sitzung einberufen.
Dollfuß schaltet das Parlament aus
Die Geschäftsordnungskrise hätte durch einen einvernehmlichen
Beschluss aller Parteien bereinigt werden können. Der Bundespräsident
hätte auch auf Antrag der Regierung den Nationalrat auflösen und
Neuwahlen ausschreiben können. Doch Dollfuß wählte einen anderen Weg.
Er erklärte, das Parlament hätte sich selbst ausgeschaltet, doch die
Regierung sei weiterhin im Amt und von der Parlamentskrise nicht
berührt. Als der dritte Nationalratspräsident Straffner seinen
Rücktritt widerrief und für den 15. März eine Nationalratssitzung
einberief, ließ Dollfuß das Parlament von Polizei besetzen. Die
Zusammenkunft der Abgeordneten ließ er als "nicht genehmigte
Versammlung" auflösen.
Schlag auf Schlag gegen die Demokratie
Schon am 7. März verfügte die Dollfuß-Regierung die Vorzensur über die
Zeitungen. Am 31. März verbot sie den Republikanischen Schutzbund. Am
21. April erließ sie ein Streikverbot. Der Aufmarsch am 1. Mai wurde
untersagt. Am 10. Mai verordnete die Regierung die Aussetzung aller
Wahlen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene. Am 20. Mai gründete
Dollfuß die Vaterländische Front als Sammelbecken für alle
vaterländisch und christlich gesinnten Österreicher. Sie wurde später
zur austrofaschistischen Einheitspartei. Am 26. Mai wurde die
Kommunistische Partei Österreichs aufgelöst. Am 26. Mai wurden aus
Heimwehrmitgliedern eine Hilfspolizei, das "freiwillige Schutzkorps"
gebildet. Am 27. Mai traten dollfußtreue Verfassungsrichter zurück, um
den Verfassungsgerichtshof zu lahmzulegen und so Einsprüche gegen die
Verfassungsbrüche der Regierung zu verhindern. Am 19. Juni wurde die
NSDAP und der steirische Heimatschutz verboten und einen Tag später -
auf Wunsch der katholischen Kirche - der Freidenkerbund. Im August
besuchte Dollfuß Mussolini um Unterstützung gegen Hitlerdeutschland zu
bekommen und versprach, energisch gegen die Sozialdemokratie
vorzugehen. Am 20. September entfernte Dollfuß die letzten Kritiker
seines autoritären Kurses aus der Regierung. Am 23. September
beschloss die Regierung die Errichtung von Anhaltelagern für
politische Häftlinge, am 10. November führte sie die Todesstrafe
wieder ein.
Dank der Industrie und der Kirche
Der Industriellen-Klub bedankte sich schon am 30. März bei der
Dollfuß-Regierung: "Die Industrie erwartet von der Regierung, dass sie
nunmehr, unbeirrt durch parteipolitische Gegensätze und Störungen oder
sonstige Rücksichten, die Verordnungsgewalt in den Dienst der
wirtschaftlichen Notwendigkeit stellt, wodurch sie sich den Dank aller
wahrhaft vaterländischen Kreise sichern wird." Zur Rettung der
Wirtschaft erwartete sie sich die "gründlichen Beseitigung der
Hemmnisse, die einer Senkung der Kosten im Wege stehen", also der
Gewerkschaften und des Streikrechts.
Im Dezember erließen die österreichischen Bischöfe einen Hirtenbrief,
in dem sie dem Führer und den Mitgliedern der Regierung "rückhaltlose
Worte vollsten Lobes und freudiger Anerkennung" widmeten. "Die Phrase
von der falsch verstandenen Volkssouveränität ist nicht nur
gedankenlos, sondern auch unchristlich, ja im tiefsten Grunde
atheistisch..."
Petition statt Generalstreik
Am 5. März, nach Dollfuß' Erklärung, dass das Parlament sich selbst
ausgeschaltet hätte, beriefen die sozialdemokratischen Abgeordneten
eine Klubsitzung ein. Die Abgeordneten Koloman Wallisch und Wilhelm
Ellenbogen forderten, mit einem Generalstreik zu antworten, doch sie
setzten sich nicht durch. Die Parteiführung setzte stattdessen auf
Verhandlungen mit der Regierung. Eine große Demonstration vor dem
Parlament blieb ergebnislos. Im September überreichten sie dem
Bundespräsidenten eine Petition mit 1,2 Millionen Unterschriften, er
möge die Regierung entlassen und den Nationalrat einberufen. Im
Oktober bot Karl Renner die Anerkennung der berufsständischen
Verfassung an, forderte dafür aber eine Einberufung des Nationalrats
und die Wiederherstellung der Versammlungs- und Pressefreiheit. Die
Regierung nützte die Verhandlungen nur, um für ihre autoritären
Maßnahmen Zeit zu gewinnen.
Der letzte Parteitag: 4 Punkte für den Widerstand
Mitte Oktober hielt die Sozialdemokratische Partei ihren Parteitag ab
und legte fest, unter welchen Umständen die Arbeiterschaft gewaltsamen
Widerstand leisten sollte: Wenn die Rechte Wiens angetastet würden und
der Bürgermeister abgesetzt und durch einen Regierungskommissär
ersetzt würde; wenn die Freien Gewerkschaften verboten würden; wenn
die Partei aufgelöst würde; oder wenn die Verfassung geändert würde.
Dieser Beschluss diente eher dazu, die Linken in der Partei bei der
Stange zu halten, als dazu, wirklich den Aufstand vorzubereiten. Denn
wie Otto Bauer später eingestand: "Wir sind dem Kampf ausgewichen,
weil wir dem Lande die Katastrophe eines blutigen Bürgerkrieges
ersparen wollten. Der Bürgerkrieg ist elf Monate später trotzdem
ausgebrochen, aber unter für uns wesentlich ungünstigeren
Bedingungen."
Bruno Kreisky: "Ich war auch dafür, dass man im Jahr 1933 losschlägt,
weil wir damals noch so stark waren, dass die Regierung zum Einlenken
gezwungen worden wäre. Man hätte vielleicht noch eine
Koalitionsregierung und eine Rückkehr zur Demokratie zustandebringen
können. Die Arbeiterklasse war noch nicht zersetzt und hat auch noch
die Kraft gehabt, einen Generalstreik durchzuführen. [...] Damals wäre
Dollfuß wahrscheinlich gestürzt worden."
Der Schutzbund wird enthauptet
Am 24. Jänner wurde auf Anweisung von Major Fey Heimwehrführer,
Vizekanzler und Bundesminister für das Sicherheitswesen, mit
systematischen Hausdurchsuchungen in sozialdemokratischen Parteiheimen
und in Privatwohungen begonnen. Am 4. Februar wurden Major Eifler und
Hauptmann Löw verhaftet. Bis zum 10. Februar waren schon alle Bezirks-
und Kreisführer des Wiener Schutzbunds in Haft. Der Schutzbund hatte
keine Offiziere mehr.
Fey geht an die Arbeit
Am 11. Februar 1934 erklärte Fey bei einer Kundgebung: "Wir werden
morgen an die Arbeit gehen und ganze Arbeit machen". Am 12. Februar
werde man im Linzer Arbeiterheim, dem "Hotel Schiff", nach Waffen
suchen. Richard Bernaschek, der Kommandant des Linzer Schutzbunds,
hatte schon vorher der Parteileitung angekündigt, dass er gegen eine
Waffensuche Widerstand leisten würde. "..Wenn die Wiener
Arbeiterschaft uns im Stich lässt, Schmach und Schande über sie..."
Und die Regierung wusste auch, dass er zu den Hardlinern gehörte. Sie
ging also wohl bewusst so vor, um eine bewaffnete Auseinandersetzung
zu provozieren. Bereits um 11:45 mussten die Verteidiger des Hotel
Schiff aufgeben. Von Linz sprang der Widerstand auf Steyr, das
Kohlerevier im Hausruck und auf die Steiermark über.
Der Parteivorstand beschließt den Generalstreik - zu spät
Bernaschek ließ die Nachricht vom Beginn der Kämpfe um 7:00 Uhr früh
per Telefon nach Wien durchgeben. Am Vormittag beschloss der
Parteivorstand, der sich in einer Privatwohnung traf, den
Generalstreik auszurufen und den Schutzbund zu mobilisieren. Otto
Bauer sollte die politische, Julius Deutsch die militärische Leitung
des Kampfes übernehmen. Doch in ihrem Hauptquartier im Ahornhof im 10.
Bezirk waren sie von den kämpfenden Schutzbündlern isoliert, da nur
wenige Melder zu ihnen durchkamen. Die Kämpfe in Wien liefen völlig
unkoordiniert ab.
Die Wiener E-Werke stellten um 11:45 den Strom ab, das Zeichen zum
Generalstreik. Doch elf Monate des Zurückweichens hatten einen großen
Teil der Arbeiterschaft entmutigt und demoralisiert. Nicht einmal die
Eisenbahner, der am besten organisierte Teil der Arbeiterschaft,
befolgten den Streikaufruf und so konnten Truppen aus den
Bundesländern per Bahn nach Wien geschafft werden. Damit war die
Niederlage des Schutzbunds von vornherein besiegelt.
Ein Verräter
Ein schwerer Schlag war auch der Verrat des Schutzbund-Kreisleiters
Eduard Korbel. Er war verantwortlich für den sechsten, siebenten,
dreizehnten, vierzehnten, fünfzehnten und sechzehnten Bezirk und
verriet die ihm unterstellten Kommandanten und die Waffenlager an die
Behörden. Nur die Ottakringer Schutzbündler nahmen dennoch an den
Kämpfen teil und verteidigten das Ottakringer Arbeiterheim.
Der Kampf beginnt in Simmering
Oscar Pollak, der Chefredakteuer der Arbeiterzeitung, schrieb:
"Mittags kam es bereits in Wien zum ersten bewaffneten Zusammenstoß:
Der Simmeringer Schutzbund, der von der Polizei ausgehoben werden
sollte, schlug zurück [...], stieß auf die Landstraße vor und besetzte
St. Marx. Nach ein Uhr griff die Polizei die Wohnhausanlage Sandleiten
in Ottakring an, gegen zwei Uhr den Reumann-Hof in Margareten. Von
dort griffen die Kämpfe auf Meidling über. In den ersten Abendstunden
stand Wien im Kampf. [...]Polizei und Militär griffen den Quellen-Hof
und Laaerberg in Favoriten an und wurden zurückgeschlagen. Der
Favoritner Schutzbund stieß zum Gürtel vor, um Simmering und
Margareten Hilfe zu bringen. In Hietzing kam es auf dem Goldmarkplatz
[...], in der Penzinger Straße und auf dem Schönbrunner Vorplatz zu
Zusammenstößen. In Ottakring tobte der Kampf um die Wohnhausanlage
Sandleiten und das Arbeiterheim, in Döbling um den Karl-Marx-Hof.
Haubitzen und Granatwerfer nahmen das Ottakringer Arbeiterheim und den
Karl-Marx-Hof unter Feuer..."
Von den 80.000 Mann, über die der Schutzbund noch 1928 verfügt hatte,
kämpften in ganz Österreich zwischen 10.000 und 20.000. Ihnen stand
eine Übermacht von 60.000 Mann aus Gendarmerie und Polizei, Bundesheer
und Heimwehren gegenüber.
Kanonen gegen Wohnhäuser
Um 14:00 verhängte die Regierung das Standrecht und erklärte die
Sozialdemokratische Partei für aufgelöst. Zur selben Zeit gab
Bundeskanzler Dollfuß die Zustimmung zum Einsatz von Feldgeschützen
des Bundesheers. Die schwersten Waffen des Schutzbunds waren
Maschinengewehre. Die Militärs argumentierten, dass Infanterieangriffe
gegen die stark verteidigten Wiener Gemeindebauten und Arbeiterheime
ungleich blutiger werden würden.
Bürgermeister Seitz wird verhaftet
Um 16:45 besetzten Einheiten des Bundesheers unterstützt vom
Freiwiligen Schutzkorps das Rathaus und verhafteten Bürgermeister
Seitz und die Stadträte Danneberg, Breitner, Speiser, Honay und Weber.
Die Regierung setzte Richard Schmitz als Bürgermeister ein.
Außer in Wien wurde in den Industriestädten Steyr, St. Pölten, Weiz,
Eggenberg bei Graz, Kapfenberg, Bruck an der Mur, Ebensee und Wörgl
gekämpft. Zentren des Aufstands in Wien waren Arbeiterheime und
Gemeindebauten, der Karl-Marx-Hof, Goethehof, Sandleitenhof,
Reumannhof und Schlingerhof. Die Kämpfe, die am Montag, dem12. Februar
begonnen hatten, endeten am Donnerstag, dem 15. Februar. Am längsten
konnten sich die Kämpfer im Karl-Marx-Hof und im Goethe-Hof halten.
Tod durch den Strang
Schon am 14. Februar nahmen die Standgerichte ihre Tätigkeit auf. Sie
verurteilten 21 Schutzbundführer zum Tod. Neun Urteile wurden
vollstreckt, die anderen Verurteilten zu hohen Kerkerstrafen
begnadigt. Dabei ging es vor allem um die abschreckende Wirkung. Die
Aufständischen sollten möglichst schnell demoralisiert werden. Karl
Münichreiter, ein einfacher Gruppenführer, bei den Kämpfen schwer
verletzt, wurde schon am Abend des 14. Februar hingerichtet.
Justizminister Kurt Schuschnigg lehnte es ab, das Gnadengesuch an den
Bundespräsidenten weiterzuleiten, weil "ein abschreckendes Beispiel
unbedingt notwendig" sei. In der selben Nacht, am 15. um 1 Uhr
morgens, wurde der Kommandant der Feuerwache Floridsdorf, Ing. Georg
Weissel gehängt. Am 16. Februar wurde das Todesurteil gegen den
städtischen Arbeiter Emil Svoboda, Schutzbundgruppenführer,
vollstreckt. Mit der Aufhebung des Standrechts wartete man bis zum 19.
Februar, bis in Leoben der Schutzbundkommandant und
Nationalratsabgeordnete Koloman Wallisch verurteilt und hingerichtet
war.
Die Opferbilanz: 118 Tote und 486 Verletzte auf Regierungsseite, etwa
270 Tote und mehr als 300 Verletzte auf Seite des Schutzbunds. 9700
Menschen werden verhaftet, an die 6000 Gerichtsverfahren eingeleitet.
Die Demokratie ist beseitigt
Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, das Recht, Vereinigungen zu
bilden, all das war abgeschafft. Politische Streiks und Streiks in
lebenswichtigen und staatlichen Betrieben waren verboten. Alle
Parteien außer der Vaterländischen Front waren verboten. Wer seine
Stelle im Staatsdienst behalten wollte, musste in die Vaterländische
Front eintreten. Politische Gegner wurden in Anhaltelager gesperrt.
Nach der Sozialdemokratischen Partei und den freien Gewerkschaften
wurden auch hunderte kulturelle, soziale und wirtschaftliche
Nebenorganisationen der sozialdemokratischen Bewegung aufgelöst. Aus
den christlichen und den Heimwehrgewerkschaften wurde eine
Einheitsgwerkschaft gebildet. Deren Funktionäre wurden aber nicht
gewählt, sondern vom Sozialminister bestimmt. Die katholische Kirche
erhielt bedeutende Privilegien und konnte bestimmenden Einfluss auf
das Erziehungs-. und Kulturwesen nehmen. Religionsunterricht wurde
wieder verpflichtend. Lehrerinnen durften nicht heiraten oder in
"wilder Ehe" leben. Wer aus der Kirche austrat, musste mit
polizeilichen Ermittlungen rechnen, wer eine höhere Schule besuchte,
musste sich zu einer Religion bekennen. Staatliche Zensur sorgte
dafür, dass in der Kunst die modernen Richtungen an den Rand gedrängt
wurden, gefördert wurden "Heimatdichter und -dichterinnen" wie Paula
Grogger oder Karl Heinrich Waggerl.
Der Kampf geht weiter
Dem Ständestaat gelang es trotz allem nicht, die Arbeiter und
Arbeiterinnen für sich zu gewinnen und den Klassenkampf zu beenden.
Denn am Elend der Arbeitenden änderte sich nichts. Auch ein paar
Prestigeprojekte zur Arbeitsbeschaffung wie die Wiener Höhenstraße
oder die Großglockner-Hochalpenstraße änderten nichts an der
Massenarbeitslosigkeit. Darum arbeiteten im Untergrund die Freien
Gewerkschaften weiter. Ihr Vermögen war zwar der Einheitsgewerkschaft
zugesprochen worden, doch einen Teil des Geldes hatte sie ins Ausland
retten können. Als 1936 in den Betrieben Vertrauensleute der
Belegschaft gewählt werden durften, errangen nicht wenige illegale
freie Gewerkschafter diese Positionen.
So manche enttäuschte Sozialdemokraten schlossen sich der illegalen
Kommunistischen Partei an.
Im Untergrund formierten sich auch die Revolutionären Sozialisten als
Nachfolger der SDAP. 1936 versuchte die Regierung, im großen
Sozialistenprozess diese Organisation zu zerschlagen. Unter anderem
standen auch Bruno Kreisky und der spätere Bürgermeister von Wien und
Bundespräsident Franz Jonas wegen Hochverrats vor Gericht. Marie
Emhart, später Abgeordnete zum Nationarat, war eine der beiden
Hauptangeklagten: "Ich stamme aus einer kinderreichen Arbeiterfamilie
und habe alle Not und Entbehrung mitgemacht, die man mitmachen muss,
wenn man so tief unten zur Welt kommt wie ich.";
In seiner Verteidigungsrede sagte der junge Bruno Kreisky: "Es ist
auch möglich, dass die Regierung in einem ernsten Moment die breiten
Massen des Landes zur Verteidigung der Grenzen aufrufen muss. Aber nur
ein demokratisches Österreich wird dieses Volksaufgebot zustande
bringen. Nur freie Bürger werden gegen Knebelung kämpfen."
Am 12. März 1938 marschierten Hitlers Truppen in Österreich ein.
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Vorstehender Text ist der zweite Teil des Manuskript einer
Radio-Sendung von Martin Auer. Der erste Teil dieses Textes ist
nachzulesen unter: http://akin.mediaweb.at/2014/04auer1.htm
Die Radiosendung kann man auch unter http://cba.fro.at/254030
nachhören.
Allerdings ist diese Sendung nur Teil eines größeren Medienprojekts.
Zu diesem Thema gibt es auch einen audiovisuellen Guide zu Orten des
Februaraufstands. Er hat die Adresse http://februarkaempfe.dort.pw.
Dieser Führer macht mit Fotos, Ton- und Videodokumente die Ereignisse
des Februar 34 an Ort und Stelle anschaulich.
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