**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 12. Februar 2014; 11:00
**********************************************************

Ukraine/Österreich:

> Offener Brief

zur Kollaboration mit ukrainischen Rechtsextremisten

An die österreichische Bundesregierung und die Abgeordneten des
österreichischen National- und Bundesrates

31. Jänner 2014

Sehr geehrte Damen und Herren!

In der Ukraine tobt ein Machtkampf über die zukünftige Ausrichtung des
Landes. Es ist skandalös, in welcher Weise die EU und große EU-Staaten
in diesen Machtkampf intervenieren. Diese kollaborieren mit
rechtsextremen, gewalttätigen und offen antisemitischen Organisationen
wie z.B. Swoboda (Freiheit). Swoboda ist 2004 aus einer älteren, offen
neofaschistischen Organisation heraus entstanden - aus der
"Sozial-Nationalen Partei der Ukraine" (SNPU). Dabei knüpft Swoboda
unmittelbar an die Tradition westukrainischer NS-Kollaborateure an,
die im Zweiten Weltkrieg an der Seite der Deutschen in der okkupierten
Sowjetunion zahlreiche Massaker verübten. Swoboda ehrt
Waffen-SS-Divisionen und veranstaltet Gedenkmärsche für den
OUN-Anführer Stepan Bandera, dessen Truppen sich beim deutschen
Überfall auf die Sowjetunion unter anderem am Massenmord an der
jüdischen Bevölkerung von Lviv (Lemberg) beteiligten. Die OUN
(Organisation Ukranischer Nationalisten) war ähnlich der kroatischen
Ustascha und der slowakischen Hlinka-Garde eine der vielen damaligen
Spielarten des Faschismus, die mit dem deutschen NS-Regime
kollaborierten bzw. von diesem gegründet wurden.

Als exemplarisch für Auffassungen, die Swoboda vertritt, können
Äußerungen von Parteichef Oleh Tjahnybok gelten. Tjahnybok bezeichnet
die Ukrainer als "soziale Nationalisten", die in Kürze eine "dritte
Revolution" beginnen könnten. Die ukrainische "Nation" definiere sich
dabei als "Einheit von Blut und Geist". Um die Ukraine von der wie es
Swoboda wörtlich nennt - "Moskau-jüdischen Mafia" zu befreien, müsse
die Anbindung der Ukraine an die EU durchgesetzt werden. Die
Rechtsextremen scheuen dabei auch vor körperlicher Gewalt nicht
zurück.

Swoboda kooperiert mit anderen neofaschistischen Parteien, wie der
deutschen NPD, der British National Party und der ungarischen Partei
Jobbik. Doch auch offizielle Stellen des Europäischen Auswärtigen
Dienstes der EU und der deutschen Regierung pflegen intensive Kontakte
mit den ukrainischen Rechtsextremisten. Wie aus Mitteilungen von
Swoboda selbst hervorgeht, hat ihr Anführer Oleh Tiahnybok bereits
Ende April 2013 Kontakt zum Botschafter Deutschlands in der Ukraine,
Christof Weil, aufgenommen, bei denen der Sturz der ukrainischen
Regierung thematisiert wurde. Demnach sei es bei einem gemeinsamen
Gespräch zunächst allgemein um die "politische Situation in der
Ukraine" gegangen. Man habe sich zudem über "die Notwendigkeit"
ausgetauscht, dass die Ukraine "das Assoziierungsabkommen mit der EU"
unterzeichnen müsse. Es sei dann auch über "Auswege aus der
politischen Krise" diskutiert worden. Tiahnybok, der dem Botschafter
explizit versichert haben will, Swoboda werde "ihr Bestes geben, um
den Weg für das Assoziierungsabkommen freizumachen", habe sodann
weiterreichende Vorschläge gemacht, teilt Swoboda mit. Er habe
"betont", "die internationale Gemeinschaft" solle "die derzeitige
Politik der Janukowitsch-Administration verurteilen", um dazu
beizutragen, "die Herrschaft des Volkes durchzusetzen und das
anti-ukrainische Regime zu stürzen" (3). Rund einen Monat nach
Tiahnyboks Zusammenkunft mit Botschafter Weil besuchte eine
Swoboda-Delegation die NPD in Sachsen, einer Hochburg der
neofaschistischen Partei.

Ähnliche Kontakte pflegt die oberste Führungsebene der EU-Außenpolitik
mit den ukrainischen Rechtsextremen. Bereits im Frühjahr 2013 fanden
erste Treffen des Swoboda-Chefs Tiahnybok mit EU-Diplomaten statt.
Ende August nahm der Swoboda-Beauftragte Osaulenko an der Eröffnung
eines Swoboda-Büros in Brüssel teil, das die Beziehungen zur EU und
zur NATO pflegen soll. Die Stellvertreterin der EU-Außenbeauftragten
und Leiterin des Europäischen Auswärtigen Dienstes Ashton, Helga
Schmid, verhandelte Ende 2013 wieder mit dem Chef von Swoboda. Man
habe sich "über die aktuelle Situation in der Ukraine" und
insbesondere über die Zukunftspläne der Oppositionsparteien
ausgetauscht, teilte Swoboda mit (4). Mitte Dezember machte der
EU-Botschafter in Kiew, Jan Tombinski, klar, dass man die
rechtsextreme Partei Swoboda für einen gleichwertigen Partner halte
und Gespräche mit ihr führe (5).

Diese offene Kollaboration mit rechtsextremen und antisemitischen
Kräften in der Ukraine, um die geopolitischen und wirtschaftlichen
EU-Interessen in diesem Land durchzusetzen, ist ein Skandal. Das
Eintreten für Demokratie und Menschenrechte in der Ukraine und
anderswo ist mit Unterstützung solcher Kräfte absolut unvereinbar!

Außenminister Kurz hat unlängst anlässlich des internationalen
Holocaust-Gedenktages öffentlich erklärt: "Der Einsatz für eine
tolerante und menschliche Gesellschaft ist Teil unserer historischen
Verantwortung. Nicht nur in der Politik, sondern auch im Alltag ist es
wichtig, gegen Rassismus, Antisemitismus und Gewalt eindeutig Stellung
zu beziehen." Wie verträgt sich diese Haltung mit der Unterstützung
einer offen rechtsextremen, antisemitischen Organisation, die in der
Tradition des NS-Vernichtungsfeldzuges steht. Wie vertragen sich diese
Worte mit dem Schweigen zur Unterstützung solcher Kräfte durch den
Europäischen Auswärtigen Dienst der EU, in dem auch Österreich und
seine Diplomaten vertreten sind. Gerade Österreich hat aufgrund seiner
Geschichte allen Grund, entschieden gegen jede Form der Kollaboration
mit Rassismus, Antisemitismus und NS-Sympathisantentum aufzutreten.

Die österreichische Regierung und der Nationalrat müssen endlich
handeln, wenn sie in dieser Frage nicht alle Glaubwürdigkeit
verspielen wollen. Wir fordern daher Regierung und Nationalrat auf,
sich sofort aus dem Europäischen Auswärtigen Dienst der EU
zurückzuziehen und auf internationaler Ebene gegen die skandalöse
Unterstützung der EU bzw. großer EU-Staaten für den Rechtsextremismus
in der Ukraine aufzutreten!

Mit freundlichen Grüßen

Norbert Bauer,
Solidarwerkstatt Österreich
*

Kontakt: Solidarwerkstatt, Waltherstraße 15, 4020 Linz, Tel.
0732-771094, office{AT}werkstatt.or.at
*

Quellen:
(1) Siehe dazu unter anderem: Unser Mann in Kiew (10.12.2013),
Zukunftspläne für die Ukraine (7.12.2013), Termin beim Botschafter
(5.12.2013), Ein breites antirussisches Bündnis (3.12.2013), Probleme
der Ostexpansion (27.11.2013), auf: www.german-foreign-policy.com
(2) Reinhard Lauterbach: Braune Schläger in Kiew; Junge Welt,
09.12.2013
(3) Oleh Tyahnybok meets with Germany's ambassador; en.svoboda.org.ua
29.04.2013
(4) Zukunftspläne für die Ukraine, 7.12.2013,
www.german-forgein-policy.com
(5)
http://www.epochtimes.de/EU-Botschafter-in-der-Ukraine-Rechtsextreme-Partei-Swoboda-ist-gleichwertiger-Gespraechspartner-a1117406.html
*

Quelle des Briefes: Solidarwerkstatt -
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=990&Itemid=1




***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
Blog: https://akinmagazin.wordpress.com/
Facebook: https://www.facebook.com/akin.magazin
Mail: akin.redaktion{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976-00, Zweck: akin
IBAN AT041200022310297600
BIC: BKAUATWW