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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 15. Jänner 2014; 12:48
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Debatten / Wahlen 2014 / AK:

> Wirds die AK schon richten?

Heuer sind Arbeiterkammerwahlen in allen Bundesländern. *Rosalia
Krenn* kandidiert in Salzburg für den Gewerkschaftlichen Linksblock
(GLB). Und fragt sich ein wenig: Wozu?
*

Heuer finden wieder Arbeiterkammerwahlen statt. Spitzenkandidat der
FSG in Salzburg und bisheriger AK-Präsident Sigi Pichler tritt mit dem
Slogan an, ein Herz für Menschen zu haben. Das allein ist bezeichnend
für die unpolitische Ausrichtung der AK-Salzburg. Die AUGE, die sich
u.a. mehr Mitbestimmung im Betrieb wünscht, positioniert sich
zumindest inhaltlich mit einer Zielvorstellung in diesem Wahlkampf.
Fest steht, dass der GLB (Gewerkschaftliche Linksblock) genügend
Unterstützungserklärungen gesammelt hat, damit Spitzenkandidatin
Brigitte Promberger aus dem Kulturbereich antreten kann. Ziel ist mit
zumindest einem Mandat in der Arbeiterkammer vertreten zu sein.
Bislang war der GLB in der AK nicht vertreten.

Generell fällt auf, dass die AK-Salzburg als politische und starke
Interessensvertretung für ArbeitnehmerInnen kaum in Erscheinung tritt.
Die Serviceleistungen werden sehr engagiert angeboten, sowohl der
KonsumentInnenschutzbereich als auch die Mietrechtsberatung arbeiten
seriös und engagiert, wenn auch vorsichtig. Die Arbeitsrechtsexperten
im Sozial- und Gesundheitswesen beraten hingegen zurückhaltend, wenn
es um Konflikte mit den Arbeitgebern geht, parallel zu den einzelnen
Konflikten zwischen Arbeitgebern und ArbeitnehmerInnen wird aber kein
politischer Handlungsbedarf gesehen, um an Kollektivverträgen,
Gesetzesvorhaben oder anderen arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen
Ungerechtigkeiten zu thematisieren, abzustellen oder erst gar nicht
zuzulassen. Irgendwie erinnert einen das an die der ÖVP nahe stehende
studentische Fraktion AG (Aktionsgemeinschaft) in der ÖH, die sich
durch gute Serviceangebote auszeichnet, mit allgemeinpolitischen
Themen aber noch nie viel anfangen konnte.

Nun wird aber die Arbeiterkammer von FSG-GewerkschafterInnen
dominiert, die sich - auch -- als politische Vertretung verstehen,
ohne offensiv politisch zu handeln. Institutionalisierte
ArbeitnehmerInnenvertretungen blockieren rein strukturell
Selbstorganisation und Kampfkraft der ArbeitnehmerInnen beim Kampf um
ihre Rechte. Sie bekennen sich zum sozialen Frieden und sorgen für
soziale Befriedung, ganz nett und harmonisch Hand in Hand mit
Wirtschaft bzw. Wirtschaftskammer. In den diversen Gremien wird man
sich schon einig.

Allerdings habe ich oftmals den Eindruck, dass die Unternehmen ihre
Interessen besser durchzusetzen vermögen. Ich nenne ein Beispiel: Nach
der jahrelangen Hetze und Entsolidarisierung zwischen
ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen kam in einer Ausgabe eines
AK-Magazins in Salzburg Sigi Pichler zum Schluß, dass die Anhebung des
Pensionsalters anzudenken sei, und altersgerechtes Arbeiten in den
Betrieben für ältere ArbeitnehmerInnen das erklärte Ziel der
ArbeitnehmerInnenvertretung sei. Es gehe nicht darum, ältere
ArbeitnehmerInnen aus den Betrieben zu drängen, sondern dem Alter
adäquate Arbeitsplätze zu schaffen. Danke! Statt dafür zu sorgen oder
zumindest dafür einzutreten, dass Menschen, die oft auch unter
schweren Belastungen arbeiten gehen, irgendwann doch in Pension gehen
können, macht die AK-Salzburg von sich aus die Tür auf für eine noch
länger andauernde Lebensarbeitszeit. Wie unter so einer Prämisse die
Verbesserungen und die Altersgerechtheit von Arbeitsplätzen aussehen
soll und in welcher Weise die AK dafür kämpfen wird, kann ich mir
vorstellen.

In diesem Zusammenhang ist der Arbeiterkammer der Betriebssport ein
besonderes förderungswürdiges Anliegen. Wie nett. Für Menschen, die
eine rein sitzende Bürotätigkeit ausüben, mögen ja Kurzturneinheiten
und ähnliche Scherze ganz lustig sein. Ich arbeite mit Menschen mit
mentaler und mehrfacher "Beeinträchtigung", hebe und trage Menschen,
die ihr Leben im Rollstuhl verbringen mehrmals täglich, sitze wenig
und bin nicht das einzige Beispiel arbeitender Menschen, deren
Tätigkeitsbereich auch körperlich anstrengt. Ich brauche keinen
Betriebssport um länger arbeiten zu können, ich möchte endlich ein
angemessenes, mehr als nur notdürftig existenzsicherndes Einkommen und
dann in Pension gehen, wenn ich mich körperlich nicht mehr meinen
Aufgaben gewachsen fühle. Ich möchte mich dann auch nicht auf einen
anderen Beruf umschulen lassen, ich möchte, dass diese Gesellschaft
meine Leistung anerkennt und mich in Ruhe lässt, statt mich mit
AMS-Zwangsmaßnahmen zu konfrontieren.

Aber Sigi Pichler hat ein Herz für Menschen. Für welche? Ich höre
nämlich keinen politischen Protest aus der AK-Salzburg, wenn es darum
geht, die Invaliditätspension endgültig abzudrehen. Aber wer stolz auf
Programme wie fit2work ist, hat sich dem Zynismus der Unternehmerseite
bereits angeschlossen, der darauf abzielt, ArbeitnehmerInnen so lange
auszupressen, bis ihnen die Luft ausgeht.

Hendln und Gansln

Wenn sich Menschen, die für die Abeiterkammer arbeiten, von der
Unternehmerseite über den Tisch ziehen lassen, ist das die eine Sache.
Es ist eine völlig andere Sache, wenn sie uns betroffenen
ArbeitnehmerInnen auch noch verkaufen wollen, dass sie sich für unsere
Interessen sozusagen "stark" machen, indem sie uns in etwas
freundlicheren Worten mitteilen, dass wir uns eben in gerade diesen
schwierigen Zeiten höheren Belastungen auszusetzen hätten, aber dank
den GewerkschafterInnen wird dann die Härte ohnehin abgefedert durch
erfreulich belanglose Randevents. Die rosaroten GewerkschafterInnen in
Salzburg ziehen es am 1. Mai vor, die Demo erst gar nicht zu
begleiten, sie beginnen ihr Hendlfest lieber gleich, ohne ihren
politischen Protest zunächst mal auf die Straße zu tragen. Sie agieren
frei nach dem Motto: wir arbeiten das ganze Jahr, der 1. Mai ist ein
Feiertag, da wird gefeiert, aber nicht protestiert. Dieser Haltung
könnte man etwas abgewinnen, wenn nicht dadurch die ganze Geschichte
der Sozialdemokratie mit einem Fragezeichen versehen würde, aber vor
allem dann, wenn ich an den vielen anderen Tagen den Protest der
GewerkschafterInnen sichtbar auf der Straße sehen könnte. Das seh ich
aber nicht. An welchen anderen Tagen geht denn die AK auf die Straße,
um als "starke" ArbeitnehmerInnenvertretung mit uns für unsere Rechte
einzutreten? Ich seh sie eigentlich nie. Der Inhalt ihrer politischen
Arbeit bleibt für uns betroffene ArbeitnehmerInnen meist unsichtbar.
Was verlautbart wird, sind Durchhalteparolen.

"Der Papa wird`s schon richten"? Ja schon. Aber seine Stiefkinder von
der Wirtschaftskammer sind ihm viel lieber als die eigenen betroffenen
ArbeiterInnen. Mit denen redet es sich viel besser als mit uns
unzufriedenen ArbeitnehmerInnen, die sind nicht so anstrengend und
deren Forderungen lassen sich vom Schreibtisch aus erfüllen. Uns
ArbeitnehmerInnen braucht man ja nur noch zu erklären, warum es im
Interesse der Wirtschaft unabänderlich ist, sich mit schlechter
werdenden Arbeits- und Lebensbedingungen abfinden zu müssen. Diese
Erklärungen gibt man dann auch postalisch vom Schreibtisch aus von
sich. Der Unternehmer dankt, die ArbeitnehmerInnenvertretung hat
Protestmaßnahmen wirkungsvoll im Keim erstickt. Aber, aber, wer wird
denn so undankbar sein: als Gegenleistung lädt der AK-Präsident die
BetriebsrätInnen jährlich zu einem Ganslessen. Die BetriebsrätInnen,
bewirtet mit fetter Gans, sollen dann in nächster Instanz ihren
KollegInnen nicht etwa die Relevanz einer ArbeitnehmerInnenvertretung
nahe bringen, subtil und informell soll ausgesagt werden, warum es so
klug sei, sich für die machtausübende Fraktion zu erwärmen.

GLB: Auch keine Maurer und Putzfrauen

Wenn nun der Eindruck entsteht, dass die Arbeiterkammer hierarchisch
strukturiert und machtorientiert agiert, warum sollte man dann eine
Gewerkschaftsfraktion in die AK wählen? Der GLB ist angetreten, um,
wenn es gelingt, ein Mandat zu erreichen, aufzeigen zu können, was in
diesen Gremien gespielt wird, wie diskutiert wird und vor allem, um
die Interessen der benachteiligten Gruppen der Lohnabhängigen in einer
Weise einbringen zu können, dass sie gehört werden müssen. Es geht
darum, dass lohnabhängige Menschen, die faire Löhne zu fairen
Arbeitsbedingungen wünschen und einfordern wollen, auch in dieser
Organisation ein Stimmrecht haben, ein Recht gehört zu werden und sich
einzumischen. Es geht darum, dass Anträge, die benachteiligte
ArbeitnehmerInnen betreffen, ernsthaft zu diskutieren sind, die
"großen" Fraktionen sich damit auseinandersetzen müssen, wenn Menschen
Mißstände aufzeigen und Maßnahmen einfordern, um diese abzustellen.
Der GLB kann unbequeme Fragen stellen und zum Handeln auffordern,
diesbezügliche Beschlüsse zur Diskussion bringen und jedes Scheitern
öffentlich diskutieren, Kritik üben und so Handlungsdruck auf die
GewerkschafterInnen innerhalb der AK erzeugen. Letztlich geht es um
einen politischen Diskurs auf einer Ebene, auf der sich die bewährten
Fraktionen bislang ohne Widerspruch von links ausruhen konnten. Es
geht darum, den Widerspruch zu wählen.

Wer GLB wählt, wählt nicht die Masse der finanziell wie sozial wie
kulturell benachteiligten Lohnabhängigen. Er oder sie wählt ein
Gremium, das sich adäquat den Spielregeln der institutionalisierten
sogenannten Demokratie verhält. Wer den GLB wählt, wählt Menschen, die
es sich leisten können, sich politisch zu betätigen. Keine
Reinigungskraft, kein Maurer, kein Bauarbeiter, kein bei der
Müllabfuhr beschäftigter Arbeiter kandidiert für diese Wahl. Der GLB
ist keine Selbstvertretung armutsgefährdeter oder sich in Armut
befindender Menschen, die Menschen, die unter Arbeitsbedingungen, die
die Würde des Menschen verletzen zu leiden haben, finden sich nicht
auf der KandidatInnenliste. Wenn ein Mitglied des GLB in der
Institution Arbeiterkammer mitbestimmt, Diskussionspunkte einbringt,
dann ist es selbst nicht betroffen. Das Mitglied erhebt seine Stimme
für andere, für Entrechtete und Geknechtete, die selber aber nicht
anwesend sein werden, innerhalb schön ausgestatteter Gebäude. Serviert
wird Tee und Kaffee, vielleicht auch Kuchen. Der Unterschied zu den
anderen Fraktionen besteht vielleicht darin, dass die Menschen, die
sich für den GLB engagieren Menschen sind, denen es weh tut,
Ungerechtigkeit zu sehen und zu erleben, deren Traum und Sehnsucht es
ist, der Macht der Unternehmer die Stärke der ArbeitnehmerInnen
entgegensetzen zu wollen.

Zwiespältiges Resümee

Was ich hier sage, klingt wie eine Werbebotschaft für den Reformismus.
Das ist mir schon klar. Aber vom Ruf nach Internationaler Solidarität
wird mein Kind nicht satt, von dem von den Gewerkschaften
ausverhandelten Urlaubs- und Weihnachtsgeld schon, da geht sich sogar
ein Zusatzgeschenk aus. Die Sozialdemokratie hat uns verraten. Von
Anfang an. Die Gewerkschaften auch. Aber von dem Geld, das sie uns
ausverhandelt haben, lebe ich heute.
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