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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 18. Dezember 2013; 19:18
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Schule:

> Das Elend der SchuelerInnenvertretung

Wie die SchuelerInnen als Spielball im Koalitionspoker missbraucht
wurden, und warum es wichtig ist, dass sie die Sache selbst in die
Hand nehmen und fuer ihre Anliegen streiken.
Betrachtungen auf der Site *Der Funke*:
*

Um sich die Endphase der Regierungsverhandlungen nicht verpatzen zu
lassen, musste die Regierung versuchen, den drohenden Protesten im
Bildungsbereich den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die von der
OeVP-nahen Schuelerunion (SU) dominierte Bundesschuelervertretung
(BSV) spielte da gerne mit.

SchuelerInnen als Spielball

Die neue Zentralmatura sorgt seit Wochen fuer grossen Unmut an den
Schulen. Fuer 12. Dezember drohte die SU sogar mit einem Schulstreik.
Doch das wollte weder die Regierung noch die SU selbst. Die wollte nur
am Verhandlungstisch einen herzeigbaren Kompromiss rausholen. Und
tatsaechlich kam es, wenig ueberraschend, zu einer Einigung zwischen
den konservativen SchuelervertreterInnen und den Beamten des
Bildungsministeriums und des BIFIE (Bundesinstitut fuer
Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des oesterreichischen
Schulwesens). Damit von diesem Nebenschauplatz her nix mehr in die
Hosen gehen kann (merke: die Banken haben das ihre!), wurde eine
Einigung verkuendet und alle Proteste - die mittlerweile eine
Eigendynamik entwickelten - abgesagt.

Und ohne auch in der Oeffentlichkeit zu erklaeren, worin die
Verbesserungen bestehen, beeilten sich die parteitreuen SchuelerInnen
an den Schulen und in den Social Media offensiv alle Vorbereitungen
fuer Schuelerproteste am 12.12. zu unterbinden. Denn jetzt herrscht
die Vernunft der Grossen Koalition, und das bitte auch in jedem
Klassenzimmer!

Zentralmatura

Als am 9.12. doch die Verhandlungsergebnisse verkuendet wurden, zeigte
sich sehr schnell, dass die betroffenen SchuelerInnen damit nicht
zufrieden sind. Was in Summe bleibt, ist das Versprechen mehr zu
informieren (wie schon seit Jahren) und der Hinweis, dass die
LehrerInnen die Vorbereitungen falsch machen wuerden.

Die Veraenderungen werden von den meisten als reine Kosmetik
wahrgenommen. An den Hauptproblemen der neuen Zentralmatura hat sich
aber nichts geaendert. Die Vorbereitung ist voellig unzureichend, der
Leistungsdruck wird noch einmal gesteigert, die SchuelerInnen haben
keinen Einfluss auf den Lehrplan und diese Form der Pruefung ist nur
ein weiterer Schritt zur voelligen Standardisierung der Bildung mit
Hinblick auf die Knock-out-Pruefungen an den Universitaeten. Diese
standardisierten Pruefungsmodelle im jetzigen Schulsystem
einzufuehren, verstaerkt erst recht wieder die soziale Ungleichheit im
Bildungswesen. Wer sich teure Vorbereitungskurse und Nachhilfe leisten
kann, der hat einen Vorteil, die Zentralmatura verstaerkt somit noch
mehr die soziale Aussiebung in Bildungssystem. Alles in allem ist das
kein Schritt in die richtige Richtung und nicht die Bildungsreform,
die wir an den Schulen brauchen wuerden.

Und der Aerger darueber, dass die Schuelerunion das einzige
Druckmittel der SchuelerInnen, die Demo, von oben herab und ohne
demokratischer Diskussion abgesagt hat, ist gross. Dass die
Schuelerversammlungen zur Information der SchuelerInnen gerade am
12.12. angesetzt wurden, wo eigentlich der Streik stattfinden sollte,
zeigt die wahre Absicht der Schuelerunion. Die letzten Tage verbrachte
sie vor allem damit die Proteste zu demobilisieren und Verwirrung zu
stiften. Das ist keine Interessensvertretung. In Wirklichkeit ist das
eine kleine abgehobene Minderheit, die die offizielle
Schuelervertretung als Spielwiese benuetzen, wo sie ihre eigene
Karriere vorbereiten koennen.

Eine ernstzunehmende Schuelervertretung haette moeglichst rasch an den
Schulen solche Versammlungen abgehalten, die SchuelerInnen informiert
und sie ueber das Verhandlungsergebnis diskutieren und abstimmen
lassen. So haette man noetigenfalls noch mehr Druck aufbauen und fuer
den 12.12. mobilisieren koennen.

Leider hat auch die Fuehrung der Aktion kritischer Schueler_innen
(AKS) lange Zeit nicht versucht den Einfluss der Schuelerunion in
dieser Auseinandersetzung zurueckzudraengen. Anstatt die Aengste der
SchuelerInnen zum Ausgangspunkt zu nehmen und selbst Proteste zu
organisieren, warf man der Schuelerunion "Panikmache" vor und
bezeichnete die Zentralmatura als "Notwendigkeit der Anpassung an den
europaeischen Standard". Wie schon bei den Schuelerstreiks 2009
stellte man sich ins Abseits, weil man nicht gegen die rote
Bildungsministerin und deren Plaene von einer Bildungsreform
ankaempfen wollte. Selbst als die Protestbewegung gegen die
Zentralmatura schon voll im Schwung war, tat man nichts zur
Organisierung dieser Proteste. Erst nach dem skandaloesen Verhalten
der Schuelerunion gab es einen Schwenk.

Beispiel Vorarlberg

In Vorarlberg, wo von Anfang an die Sozialistische Jugend (SJ) die
Proteste organisiert hat, wurde ein anderer Weg gewaehlt.

Erstens wurde dort die Meinung der SchuelerInnen eingeholt. Bei einem
Schuelerplenum wurde nach demokratischer Diskussion beschlossen einen
Streiktag abzuhalten! Diesem Beschluss fuehlt sich die SJ
verpflichtet. Es kann nicht sein, dass die Schuelervertretung auf
Wunsch der Parteizentralen Schuelerproteste wie einen Wasserhahn auf-
und abdreht.

Ausserdem hat die SJ von Beginn an versucht, nicht nur gegen diese
Form der Zentralmatura zu protestieren, sondern dieses Thema mit dem
Kampf gegen das als neues LehrerInnendienstrecht getarnte Sparpaket
und der Forderung nach ausreichenden Geldmitteln fuer eine echte
Bildungsreform zu verknuepfen. Denn es geht nicht nur um die Angst,
bei der Zentralmatura durchzufallen, sondern um den Kampf fuer ein
anderes Bildungssystem.
(gek.)
*

Quelle:
http://www.derfunke.at/html/index.php?name=News&file=article&sid=2299



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