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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 27. November 2013; 13:37
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EU/Kapitalismus:
> Europa steht wieder vor der Rezession
Analyse von *Stefan Steinberg* auf WSWS:
Die aktuellen Zahlen, die die Statistikbehoerde Eurostat am 
14.November veroeffentlicht hat, zeigen, dass Europa wieder auf dem 
Weg in die Rezession ist. Die Eurozone hat in diesem Jahr nur in einem 
Quartal, von April bis Juni, Wachstum verzeichnet; dem ging eine 
Rezession mit der Rekordlaenge von achtzehn Monaten voraus. Jetzt hat 
sich dieser Aufwaertstrend ins Gegenteil verkehrt, die beiden 
groessten Wirtschaftsmaechte des Kontinents verzeichneten im dritten 
Quartal einen starken Wachstumsrueckgang.
Das deutsche Wirtschaftswachstum war von 0,7 Prozent im Juli auf 0,3 
Prozent im September gesunken, die franzoesische Wirtschaft, die 
gerade erst aus der Rezession gekommen war, ging mit einem Rueckgang 
von 0,1 Prozent wieder zurueck ins Negative.
Das Gesamtwachstum der siebzehn Staaten der Eurozone betrug im dritten 
Quartal nur 0,1 Prozent - im zweiten Quartal waren es noch 0,3 
Prozent. Auch die Gesamtwirtschaft der 28 Mitgliedsstaaten der 
Europaeischen Union ging im dritten Quartal zurueck. Die griechische 
Wirtschaft wird im dritten Quartal voraussichtlich um vier Prozent 
schrumpfen, die Wirtschaft Italiens ging im neunten Quartal in Folge 
zurueck - damit ist das Land in der laengsten Rezession, die es in der 
Nachkriegszeit erlebt hat.
Nur eine Woche vor der Veroeffentlichung der neuesten Zahlen 
enthuellte ein Bericht, dass die Inflation in mehreren europaeischen 
Staaten stark zurueckgeht, was auf die Gefahr der Deflation hindeutet. 
Das ist ein langfristiger Preisverfall, bei dem die Arbeitslosigkeit 
auf dem ganzen europaeischen Kontinent auf Rekordhoehe bleibt.
Diese Statistiken bestaetigen, dass die Sparpolitik, die der IWF und 
die Europaeische Zentralbank diktieren, um die Finanzelite des 
Kontinents zu retten, ganz Europa in eine wirtschaftliche und soziale 
Katastrophe stuerzt. Die Sparmassnahmen, die vor drei Jahren 
eingefuehrt wurden und in Sued- und Osteuropa einen katastrophalen 
wirtschaftlichen und sozialen Niedergang verursacht haben, sorgen 
jetzt auch im Herzen Europas fuer Probleme
Die wirtschaftliche Schrumpfung in Deutschland und Frankreich geht 
hauptsaechlich auf einen Rueckgang der Exporte der beiden Laender 
zurueck, da in Europa und auf Maerkten auf der ganzen Welt der Konsum 
zurueckgeht.
Die schlechten Wirtschaftsdaten Frankreichs verschaerfen die 
politische Krise, in der der franzoesische Praesident Francois 
Hollande steckt. Seine Zustimmungswerte sind bereits tiefer gesunken 
als die seines verhassten Vorgaengers Nicolas Sarkozy.
Abgesehen von den sinkenden Exporten ging auch die Produktion in 
Frankreich um ein Prozent im Vergleich zum letzten Quartal zurueck, 
auch die Investitionen sanken im siebten Quartal in Folge. Vorletzte 
Woche wurde Frankreichs Kreditwuerdigkeit von der amerikanischen 
Ratingagentur Standard & Poor's heruntergestuft.
Ein Bericht der Pariser Organisation fuer wirtschaftliche 
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), den der franzoesische 
Praesident angefordert hatte, erhoehte den Druck fuer Reformen der 
franzoesischen Wirtschaft. In dem OECD-Bericht hiess es, Frankreich 
hinke anderen Wirtschaftsmaechten hinterher und er kritisierte die 
wirtschaftliche und politische Fuehrung des Landes, weil sie nicht 
dieselben Strukturreformen eingefuehrt habe wie Italien und Spanien.
Die verheerenden wirtschaftlichen und sozialen Verwuestungen in 
Italien und Spanien -- die Jugendarbeitslosigkeit in diesen Laendern 
liegt bei 40 -- bzw. 60 Prozent, Loehne und Sozialleistungen wurden 
ausgehoehlt -- werden als Vorlage fuer den Angriff auf die 
Arbeiterklasse in ganz Europa dargestellt.
Um ein gewisses Mass an politischer Glaubwuerdigkeit 
zurueckzugewinnen, verkuendete Hollande auf dem den juengsten 
Jugendarbeitslosigkeitsgipfel in Bruessel am 12.11., dass seine 
Regierung eines ihrer wichtigsten Wahlversprechen einhalten und 
Massnahmen gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit von ueber 25 Prozent 
in seinem Land ergreifen werde.
Hollande behauptete, die "Zukunft einer ganzen Generation" stehe auf 
dem Spiel und praesentierte bei seiner Rueckkehr von einem Treffen mit 
Bundeskanzlerin Merkel und anderen EU-Staatsoberhaeuptern eine Reihe 
von Massnahmen, die nichts an dem Problem der massiven 
Jugendarbeitslosigkeit in Europa aendern werden. Der Betrag von 45 
Milliarden Euro, auf den man sich geeinigt hat, stammt hauptsaechlich 
aus bestehenden EU-Toepfen. EU-Ratspraesident Herman Van Rompuy hat 
bereits erklaert, dass die Arbeitslosigkeit in der Eurozone und der EU 
vermutlich 2014 und 2015 steigen wird.
Wie explosiv die Krise in Frankreich ist, zeigte sich am deutlichsten 
an Auszuegen, die die Zeitung Le Figaro vorletzte Woche aus dem 
letzten Bericht der regionalen Polizeichefs ueber die soziale Lage in 
den franzoesischen Departements veroeffentlicht hat.
In dem Bericht heisst es, Frankreich sei eine Gesellschaft, die 
anfaellig ist fuer "Spannungen, Verzweiflung und Wut." Er erwaehnt die 
Zweifel der Bevoelkerung an der "Legitimitaet von Steuern" - sprich, 
der neuen Steuererhoehung fuer die arbeitende Bevoelkerung, die 
Hollandes Sozialistische Partei beschlossen hat, und spricht von einer 
"Mischung aus latenter Unzufriedenheit und Resignation, die sich in 
eruptiver Form aeussert."
Der Bericht warnt vor der Gefahr einer sozialen Explosion, die die 
Gewerkschaften nicht kontrollieren koennen. Laut dem Bericht werden 
"Forderungen zunehmend ausserhalb des Rahmens der Gewerkschaften, 
durch radikalere Aktionen formuliert: Hungerstreiks, langfristige 
Betriebsbesetzungen, Blockaden, etc."
Trotz der juengsten desastroesen Wirtschaftsdaten und der Gefahr 
sozialer Kaempfe in ganz Europa sind CDU und SPD, die momentan ueber 
eine Regierungskoalition verhandeln, entschlossen, ihre Sparprogramme 
im In-- und Ausland fortzusetzen.
Die Verschaerfung der Krise fuehrt wiederum zu tiefen Spaltungen in 
Europa. Vor drei Wochen war der Vorstand der Europaeischen Zentralbank 
ueber die Frage weiterer Senkungen des Leitzinses gespalten. Die 
beiden deutschen Delegierten im Vorstand sowie zwei nordeuropaeische 
Verbuendete stimmten dagegen, weil diese Massnahme die 
Haushaltskuerzungen und Strukturreformen zu unterlaufen drohe..
Anfang letzter Woche schlossen sich Frankreich, Italien und eine Reihe 
suedeuropaeischer Staaten der scharfen Kritik an Deutschlands riesigem 
Exportueberschuss an, die das US-Finanzministerium eine Woche zuvor 
gegenueber Berlin geaeussert hatte.
Am 20.11. einigte sich die EU-Kommission darauf, eine Untersuchung der 
deutschen Exporte durchzufuehren. Der ehemalige italienische 
Premierminister Romano Prodi regte die Gruendung eines 
Mittelmeerpaktes zwischen Italien, Spanien und Portugal an, um 
Deutschland zu draengen, mehr Geld fuer die Rettung Suedeuropas 
bereitzustellen.
Quelle: http://www.wsws.org/de/articles/2013/11/20/euro-n20.html
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