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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 19. November 2013; 22:32
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Oe/Soziales/Recht


> WSK-Schattenbericht

Menschenrechte auf dem Pruefstand

Am 20. November 2013 wird der oesterreichische Staatenbericht ueber
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vor dem zustaendigen
UN-Komitee in Genf geprueft(1). Aus diesem Anlass hat das NGO-Buendnis
WSK-Rechte-Forum einen Schattenbericht als zivilgesellschaftliche
Gegendarstellung zum Regierungsbericht erstellt, der die
Schwachstellen der Verwirklichung der wirtschaftlichen, sozialen und
kulturellen Menschenrechte aufzeigt.

Der 93-seitige Schattenbericht enthaelt auch eine Zusammenfassung, die
wir hier gekuerzt dokumentieren. Das meiste davon wird dem
akin-Publikum schon bekannt sein, doch liefert dieser Text einen guten
Ueberblick, wie sich aus NGO-Sicht(2) der Zustand dieses Bereichs der
Menschenrechte in Oesterreich darstellt.

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Der WSK-Pakt ist immer noch nicht in der oesterreichischen Verfassung
verankert. Der Pakt ist in Oesterreich nicht direkt anwendbar.

Die bekannten Menschenrechtsdefizite eines fehlenden nationalen
Aktionsplans und einer nationalen Menschenrechtsinstitution nach den
Pariser Prinzipien bestehen weiterhin. Eine diesbezuegliche Empfehlung
der allgemeinen Menschrechtspruefung (Universal Periodic Review [UPR])
wurde von der Regierung abgelehnt. Die Volksanwaltschaft kann, trotz
etwas ausgeweiteter Kompetenzen im Bereich der Folterpraevention,
nicht als Ersatz dafuer anerkannt werden.

Die Menschenrechtskompetenz in der Bundesregierung und den
Landesregierungen ist unklar. Es gibt keine bundesweit einheitlichen
Standards, Mandat und Auftrag der Menschenrechtsbeauftragten in den
Ministerien und den Landesregierungen sind nicht bekannt.

Die Orientierung an Menschenrechten ist in den meisten
Politikbereichen ausbaufaehig.

Empfehlungen von UN-Ausschuessen werden nicht systematisch umgesetzt
sondern mehr zufaellig in Abhaengigkeit von engagierten Einzelpersonen
in den Ministerien.

Zivilgesellschaftliche Organisationen, die anwaltschaftlich arbeiten,
haben kaum finanzielle Ressourcen. Sie werden von der oeffentlichen
Hand wenig gefoerdert und koennen aufgrund des geringen
Menschenrechtsbewusstseins in der oesterreichischen Bevoelkerung nur
in geringem Ausmass Spenden lukrieren.

Folgen der genannten strukturellen Menschenrechtsdefizite sind
systemische Gewalt, anhaltende Fremdenfeindlichkeit, massive
Benachteiligung von Frauen, Migrant_innen, Asylwerber_innen und
Menschen mit Behinderung, sowie ein Ansteigen der Armut.


Art. 3 Gleichberechtigung von Maennern und Frauen

Frauen sind ungleich staerker von Armut betroffen als Maenner. Der
hohe Gender Pay Gap von 23,7% (Eurostat) ist auf die hohe Rate von
Teilzeitbeschaeftigung (44% 2011) unter Frauen und auf den geringen
Anteil von weiblichen Fuehrungskraeften (2008 unter 10% in
Institutionen und Unternehmen des Bundes) zurueckzufuehren.
Oesterreich liegt damit unter den EU 27 vor Estland an vorletzter
Stelle.

Durch den schleppenden Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen sind
Frauen in ihrer Moeglichkeit zur Erwerbstaetigkeit massiv
eingeschraenkt. Alleinerzieherinnen gehoeren zu den am meisten von
Armut betroffenen Gruppen. Die niedrigen Einkommen und Luecken in der
Erwerbstaetigkeit durch Kindererziehungszeiten fuehren zu niedrigen
Bezuegen aus der Arbeitslosenversicherung und zu geringen
Alterspensionen. Massnahmen der Regierung zur Beseitigung dieser
Ungleichheit sind bisher noch kaum spuerbar.

Frauen mit Behinderungen sind zweifach benachteiligt. Dazu gibt es
aber kaum verlaessliche Daten.


Art. 6 Recht auf Arbeit

Die Arbeitslosenstatistik wird in Oesterreich geschoent.
Schulungsteilnehmer_innen, Menschen, die nach der Berufsausbildung
eine Arbeit suchen, Lehrstellen-suchende Menschen, die beim AMS
gemeldet und im Krankenstand sind oder einen Pensionsvorschuss
beziehen, werden nicht einbezogen. Die tatsaechliche Arbeitslosenrate
ist damit um bis zu 55% hoeher als die veroeffentlichte. Im Februar
2013 betrug sie 9,1% und hatte den hoechsten Stand seit 1945.

Die Qualifizierungsmassnahmen des AMS5 werden von vielen Betroffenen
als unzureichend oder nicht passend bezeichnet. Es haeufen sich die
Beschwerden, dass die Betroffenen vom Entscheidungsprozess zur Auswahl
der Massnahmen ausgeschlossen werden.

10.000 Jugendliche, meist aus Einwanderfamilien, finden nach der
Pflichtschule weder Lehrstelle noch Arbeitsplatz. Fuer
Asylwerber_innen gibt es praktisch keinen Zugang zum Arbeitsmarkt.

Neben der Arbeitslosenrate ist auch die Beschaeftigungsquote
gestiegen, auf 3,4 Millionen8 doch sind 25% der Jobs nur Teilzeit. In
Teilzeit- und Niedriglohnjobs arbeiten vor allem Migrant_innen und
Frauen. Sie bilden die neue Klasse der "Working poor". Bisher ist es
nicht gelungen diese Menschen existenziell abzusichern.


Art. 7 Recht auf gerechte und guenstige Arbeitsbedingungen

In Oesterreich gibt es keinen gesetzlichen Mindestlohn. Die von den
Sozialpartnern ausgehandelten Kollektivloehne liegen in einigen
Branchen - selbst bei Vollbeschaeftigung -unter der
Armutsgefaehrdungsschwelle von € 1.031,- fuer eine alleinstehende
Person.

Fuer alle ungeregelten Beschaeftigungsformen wie freie
Dienstvertraege, Werkvertraege oder Teilzeit Arbeitsverhaeltnisse
gelten keine Kollektivvertraege. Bisher wurden wenig wahrnehmbare
Anstrengungen unternommen, um die betroffenen Menschen vor Armut zu
schuetzen.

Neben dem Gender Pay Gap werden in diesem Abschnitt die
Benachteiligungen fuer Langzeitarbeitslose beschrieben, die oft mit
viel Erfahrung und guten qualifiziert in den zweiten Arbeitsmarkt
gedraengt werden. In diesen "Transitarbeitsplaetzen" - zum Teil in
Trainingsfirmen oder in Projekten von Gemeinden -, haben die
Mitarbeiter_innen nicht die Erlaubnis, sich gewerkschaftlich zu
organisieren, gedroht wird ihnen mit Bezugsstopp des
Arbeitslosengeldes, der in 100.000 Faellen jaehrlich als
Sanktionsmassnahme auch tatsaechlich eingesetzt wird.

Im Niedriglohnbereich ist es moeglich, einen Stundenlohn von € 7,65
brutto (!) zu zahlen. 18,2% der Frauen und 5,2% der Maenner arbeiten
Vollzeit zu diesem geringen Stundensatz.


Art. 9 Soziale Sicherheit

Im oesterreichischen AlVG (Arbeitslosenversicherungsgesetz) sind
Bezugssperren als Sanktionsmoeglichkeit im Fall von (vermeintlichen)
Pflichtverletzungen durch die erwerbsarbeitslose Person im Ausmass von
6 bis 8 Wochen (keine Limits fuer Wiederholungen) vorgesehen. Dazu
zaehlt u.a. die Weigerung, an als nicht zielfuehrend erkannten
Massnahmen des Arbeitsmarktservices teilzunehmen. Sowohl die permanent
im Raum stehende Moeglichkeit einer bzw. die Drohung mit einer
Bezugssperre als auch die tatsaechlichen "Verhaengungen" von
Bezugssperren fuehren dazu, dass das Recht auf Arbeit (WSK-Pakt Art.
6) den Sinn verkehrend in eine Pflicht zur Arbeit
(Arbeitsverpflichtung) umgedeutet wird.

Die ehemalige Sozialhilfe gibt es seit September 2010 in Form der
Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS). Im Ende 2012 erschienenen
1. Bericht des Arbeitskreises Bedarfsorientierte Mindestsicherung des
BMASK wird angemerkt: "Der Begriff 'Bedarfsorientierte
Mindestsicherung' ist irrefuehrend: da es keine Rueckbindung an
tatsaechliche Lebenshaltungskosten gibt, kann nicht von
'Mindestsicherung' gesprochen werden. Da es in nur zwei Bundeslaendern
Ansprueche auf Zusatzleistungen im Rahmen der BMS gibt, gibt es zudem
keine 'Bedarfsorientierung.'" (vgl. Armutskonferenz Monitoringstudie:
"Bedarfsorientierte Mindestsicherung")

Die Reform der Invaliditaetspension vom Dezember 2012 sieht eine
verpflichtende Mitwirkung der Pensionswerber_innen an medizinischen
Rehabilitationsmassnahmen vor. Sie muessen sich von Aerzt_innen
untersuchen lassen, die sie nicht frei waehlen koennen und koennen
ueber die Art der Behandlung nicht mitbestimmen. Falls sie sich
weigern, wird der jeweilige Bezug (Notstandshilfe oder BMS)
eingestellt.

Das System der Grundversorgung fuer hilfsbeduerftige Asylsuchende
sieht die Gewaehrung von Leistungen in organisierten Quartieren
(Gasthoefen, Pensionen, Fluechtlingsheime karitativer Organisationen)
oder in Privatunterkuenften vor. Die lange Zeit nicht valorisierten
maximalen Tagsaetze fuer organisierte Unterbringung und Verpflegung
betragen seit September 2012 maximal 19,- pro Person und Tag.

Bei privat Untergebrachten zeigt sich die Kluft zu Leistungen fuer
Oesterreicher_innen mit besonders grosser Deutlichkeit: Alleinstehende
Asylwerber_innen muessen mit ca € 300,- Grundversorgung pro Monat
auskommen, Mindestsicherungsbezieher_innen erhalten hingegen € 770,-.

Menschen mit intellektuellen Behinderungen, die in Einrichtungen der
so genannten Beschaeftigungstherapie / Werkstaetten taetig sind
(derzeit etwa 20.000 Personen), haben keinen Anspruch auf eine eigene
Sozialversicherung. Sie sind auch im Erwachsenenalter bei ihren Eltern
bzw. in der Waisenpension krankenversichert.

Eine wachsende Gruppe von Menschen ohne Krankenversicherung sind
Einwander_innen aus den neuen EU Staaten, die keine Arbeit finden, und
die von Sozialleistungen ausgeschlossen sind. Private Einrichtungen,
welche eine Basisversorgung anbieten, gelangen an ihre Grenzen und
werden von der Regierung bei der Bewaeltigung ihrer Aufgaben nicht
ausreichend unterstuetzt.


Art. 10 Schutz von Familien, Muettern und Jugendlichen

In den letzten Jahren gab es zwar deutliche Verbesserungen bei der
Kinderbetreuung, doch damit Oesterreich die EU-weiten Barcelona-Ziele
erreicht (33 % der Kinder unter 3 Jahren in Kinderbetreuung), sind
35.000 zusaetzliche Betreuungsplaetze fuer Kleinkinder erforderlich.
Darueber hinaus braucht es verbesserte Oeffnungszeiten bei zumindest
70.000 Plaetzen fuer Kinder zwischen drittem und sechstem Lebensjahr
(Nachmittagsbetreuung, Ferienzeiten).

Aufgrund der demographischen Entwicklung und der mangelnden
Attraktivitaet des Pflegeberufs, gibt es ein krasses Missverhaeltnis
zwischen dem wachsenden Pflegebedarf von hochaltrigen Menschen und
qualifiziertem Personal.

Aktuell koennen 7.000 offene Plaetze in Pflege- und Betreuungsberufen
nicht besetzt werden25. Die Sozialwirtschaft Oesterreich,
Zusammenschluss von 300 Organisationen des Pflege- und Sozialbereichs
spricht sogar von 17.000 neu zu schaffenden Stellen, damit der
zukuenftige Bedarf an Pflege gedeckt werden koenne.

Expert_innen schaetzen, dass es in Oesterreich bis zu 1.000 junge
Menschen mit Behinderungen gibt, die in Altersheimen leben muessen,
zum Teil zusammen mit dementen Menschen, die bis zu 50 Jahre aelter
sind als sie.

Fuer ca. 1.500 unbegleitete minderjaehrige Fluechtlinge (UMF) stehen
nur 500 spezifische Unterbringungsplaetze zur Verfuegung.
Oesterreichweit gibt es nur eine Einrichtung, die ca. 20 Plaetze fuer
Jugendliche mit intensivem Betreuungsbedarf anbietet. Aufgrund der
fehlenden Plaetze muessen viele UMF mehrere Monate in der
Erstaufnahmestelle bleiben28.


Art. 11 Recht auf einen angemessenen Lebensstandard

2010 lebte mehr als eine halbe Million Menschen (511.000) oder 6,2 %
der Bevoelkerung in manifester Armut29, die Anzahl jener Menschen, die
kontinuierlich finanziell depriviert ist, hat sich seit 2004
verdoppelt auf 10,2%.

Diese Indikatoren haben sich gemaess der EU-SILC-Erhebung 2011 leicht
verbessert.

Kontinuierlich seit 2008 ist hingegen die Armutsluecke gestiegen, also
die Differenz zwischen dem verfuegbaren Einkommen in
armutsgefaehrdeten und armen Haushalten und der Armutsschwelle (60%
des Medianeinkommens). Die Intensitaet der Armut hat also zugenommen.

Verglichen mit 2004 ist bis zum Jahr 2011 auch die Gruppe jener
Personen, die von mindestens zwei der drei Problembereiche -
Armutsgefaehrdung, erhebliche materielle Deprivation und Haushalt mit
keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensitaet - betroffen sind, um
106.000 auf 388.000 Personen gewachsen. Ihr Anteil unter den
Ausgrenzungsgefaehrdeten stieg von 19% auf 28%.

Diese Menschen koennen ihr Recht auf einen angemessenen Lebensstandard
nicht oder nicht ausreichend verwirklichen.

In der Wohnungsloseneinrichtung "VinziWerke", die insbesondere in Wien
und Graz taetig sind, wurden im Jahr 2005 etwa 210 Personen/Tag mit
Lebensmitteln versorgt. Im Jahr 2012 wurden pro Tag 850 Mahlzeiten
verteilt, 340 Menschen erhielten Kleidung und 464 Unterkunft.

Die Tafelorganisationen, die von Supermaerkten und der
Lebensmittelindustrie Ueberschuesse, oft ueber dem Ablaufdatum,
einsammeln, haben ebenfalls stark zugenommen. Wurden 2005 rund 80
Tonnen Lebensmittel an ca. 45 Einrichtungen geliefert, waren es im
Jahr 2012 462,4 Tonnen fuer ca. 85 belieferte Einrichtungen. Nach
Schaetzungen des Vereines werden damit ueber 12.000 Armutsbetroffene
unterstuetzt.

Die freiwilligen Leitlinien zum Recht auf Nahrung der FAO werden weder
im nationalen Aktionsplan fuer Ernaehrung noch bei der Vergabe von
Land oder der Landwirtschaftspolitik beruecksichtigt.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Wohnungslosenhilfe berichtet, dass
es 2012 mehr als 12.000 registrierte Wohnungs- und Obdachlose gab.
4.936 Delogierungen wurden durchgefuehrt, wodurch 14.808 Menschen
wohnungslos wurden.

Weder zur steigenden Anzahl von Menschen, die auf Nahrungsmittelhilfe
angewiesen sind, noch zur Wohnungslosigkeit gibt es systematische
Erhebungen seitens der oeffentlichen Hand.


Art. 12 Recht auf koerperliche und geistige Gesundheit

Es gibt eine nationale Gesundheitspolitik, mit
Rahmengesundheitszielen, jedoch ohne konkrete Indikatoren und
Benchmarks.

Da es schon derzeit Probleme bei der Verfuegbarkeit von
Gesundheitsdienstleistungen gibt, ist es besorgniserregend, dass im
Rahmen der kuerzlich beschlossenen Gesundheitsreform bis 2020 11
Milliarden Euro eingespart werden sollen. Eklatant ist der Mangel an
Pflegekraeften, die unter grosser Arbeitsbelastung, schlechter
Bezahlung und schlechtem Image leiden.

Dringenden Handlungsbedarf gibt es auch im Bereich der Kinder- und
Jugendgesundheit. Es gibt keine einzige Einrichtung fuer
Kinderrehabilitation in Oesterreich.

Beim Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen sind Migrant_innen und
Aslywerber_innen aufgrund der Sprachbarriere und ihrer wirtschaftlich
sozialen Benachteiligung diskriminiert41. Menschen mit Behinderung
leiden darunter, dass nur wenige Arztpraxen barrierefrei sind und viel
zu wenig persoenliche Assistenz von der oeffentlichen Hand finanziert
wird.

Ein Risiko fuer Muetter stellt die hohe Kaiserschnittrate von
oesterreichweit 30% dar. Laut Empfehlung der WHO sollte diese nicht
hoeher als 5 - 10% liegen.

Hebammen werden bei der Schwangerenbetreuung und der Geburtshilfe
gegenueber von Gynaekolog_innen benachteiligt. Das erklaert
moeglicherweise auch die niedrige Stillrate von nur 55% nach sechs
Monaten.

Im Weinviertel, einer Region noerdlich von Wien, ist das Trinkwasser
durch Probebohrungen zur Foerderung von Schiefergas und Tight Oil in
Gefahr. Eine Buerger_inneninitiative, die sich gegen weitere Bohrungen
ausgesprochen hat, wird ueber die diesbezueglichen Planungen der OMV
nur unzureichend informiert.

Der Kampf gegen Drogen-, Tabak- und Alkoholmissbrauch von Jugendlichen
wird durch das Fehlen eines bundesweit einheitlichen
Jugendschutzgesetzes unterminiert.

Die Substitutionstherapie bei Drogenpatient_innen ist weit weniger
erfolgreich als im Nahbarland Deutschland, das es fuer nur 10% der
Betroffenen eine begleitende psychosoziale Betreuung gibt.


Art. 13 Recht auf Bildung

Im oesterreichischen Bildungssystem werden Kinder aus
Migrantenfamilien und Kinder mit Behinderungen auf allen Ebenen
diskriminiert.

Noch immer besuchen beinahe 50% der Kinder mit Behinderungen, sowie
viele Kinder mit nicht deutscher Muttersprache, insbesondere
Romakinder, Sonderschulen.

Weiters bestimmt das Haushaltseinkommen in Oesterreich massgeblich den
Bildungsweg der Kinder. Armut wird ueber Bildung vererbt.

Nur fuer 20% der Kinder, die zuhause nicht deutsch sprechen, gibt es
muttersprachlichen Unterricht. In der Bundeshauptstadt stehen fuer
rund 8.000 fremdsprachige Eltern von Kindergartenkindern bei
Sprachproblemen nur zehn muttersprachliche Mitarbeiter_innen zur
Verfuegung.

Hauptschulabschlusskurse sind fuer Asylwerber_innen kostenpflichtig.
Nach Abschluss der Schulpflicht haben sie keinen Zugang zu einer
Lehre. Oft scheitert eine Ausbildung nach der Schulpflicht schon an
den Fahrtkosten von und zur Schule, die sie von ihrem monatlichen
Taschengeld von € 40,- nicht bestreiten koennen.

Die soziale Lage von Student_innen hat sich durch den Wegfall der
Kinderbeihilfe mit dem 24. Lebensjahr verschaerft. Dazu kommt eine
laengere Studiendauer, weil die Universitaeten unterfinanziert sind
und die Betreuung der Studierenden darunter leidet.

Besonders hart sind auslaendische Studierende aus Drittstaaten
betroffen: Sie muessen von Beginn ihres Studiums an, die doppelte
Studiengebuehr bezahlen.

Der Zugang zu universitaerer Bildung wird durch
Studienplatzbeschraenkungen und entsprechende Auswahlverfahren
zunehmend eingeschraenkt.


Schlussfolgerungen

WSK-Rechte sind in Oesterreich nicht einklagbar und durch Gesetze
unzureichend geschuetzt. Daran aendert auch das Inkrafttreten der
EU-Grundrechtecharta nichts. Es gibt keinen nationalen
Menschenrechtsaktionsplan, die strukturellen Defizite werden kaum
angegangen.

Die von Menschenrechtsverletzungen betroffenen Personen haben keine
Rechtsmittel um sich zur Wehr setzen.

Durch die Wirtschafts- und Finanzkrise hat sich die Ungleichverteilung
von Vermoegen und Einkommen verschaerft. Sparbudgets von 2008 und 2010
wirkten sich, aufgrund der fehlenden Ruecksicht auf verletzliche
Gruppen und der mangelnden menschenrechtlichen Orientierung, zu deren
Ungunsten aus.

Mit dem Beitritt zum europaeischen Stabilitaetsmechanismus und zum
Fiskalpaket im Juli 2012 hat die oesterreichische Bundesregierung
einen Teil der Budgethoheit an die EU abgegeben. Die Moeglichkeiten zu
einer antizyklischen Wirtschaftspolitik sind damit sehr
eingeschraenkt. Mittel fuer die notwendigen Zukunftsinvestitionen in
Bildung, Gesundheit und Pflege fehlen.

Die Besteuerung von Vermoegen ist derzeit nicht geplant. Das
Bankgeheimnis fuer Oesterreicher_innen bleibt erhalten, die gerechte
Belastung hoeherer Einkommen steht erst am Anfang.

Die Korruptionsaffaeren der letzten Jahre haben der Allgemeinheit viel
Geld gekostet. Sie wurden bis heute nicht aufgeklaert. Ein
parlamentarischer Untersuchungsausschuss scheiterte im Oktober 2012 an
der Auskunftsverweigerung von Zeugen der Regierungsparteien. Das
Vertrauen in die demokratischen Institutionen ist dadurch
erschuettert.

Der politische Wille und das Pflichtbewusstsein der Bundesregierung
zur fortschreitenden Umsetzung der im WSK-Pakt verbrieften Rechte wird
deshalb angezweifelt. (3)
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(1) Der Internationale Pakt ueber wirtschaftliche, soziale und
kulturelle Rechte, auf den sich die angefuehrten Artikel beziehen, ist
ein multilateraler voelkerrechtlicher Vertrag. Er wurde 1966 von der
UN-Generalversammlung der Vereinten Nationen einstimmig verabschiedet
Er wurde von Oesterreich 1978 einfachgesetzlich ratifiziert.

(2) Der Bericht ist bisweilen im Verstaendnis der WSK-Rechte sowie der
diesbezueglichen Aufgaben des Staates recht heterogen. Das ist der
Tatsache zu schulden, dass die Organisationen, die zum Bericht
beigetragen haben, zum Teil sehr unterschiedliche Weltbilder und
Herangehensweisen vertreten. Die NGOs sind: Aktive Arbeitslose, AUGE
Alternative und Gruene GewerkschafterInnen, Asylkoordination,
Bundesarbeitsgemeinschaft der Wohnungslosenhilfe (BAWO), FIAN
Oesterreich, Frauen: Rechte jetzt!, NGO Forum CEDAW in Oesterreich,
Netzwerk Kinderrechte Oesterreich, Oesterreichische
Arbeitsgemeinschaft fuer Rehabilitation (OeAR, Oesterreichische
Armutskonferenz, Oesterreichischer Berufsverband der
SozialarbeiterInnen (OBDS), Oesterreichische HochschuelerInnenschaft,
Orientexpress Frauenberatungsstelle, Sichtbar bleiben -
Selbstorganisation von Armutsbetroffenen

(3) Die ausfuehrlichen Quellenangaben dieser Zusammenfassung finden
sich im Volltext des Schattenberichts:
http://www.fian.at/assets/Parallelbericht-Oesterreich-2013-WSK-Rechte-de.pdf




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