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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 19. November 2013; 22:46
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Interview:

> "Nicht fuer einen elitaeren linken Zirkel"

Besuch in der Buchhandlung "Librería Utopía"
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Anfang Dezember eroeffnet eine neue linke Buchhandlung im 15. Bezirk
in Wien. Und es soll mehr als eine Buchhandlung werden, ein kleines
linkes Zentrum zwischen Westbahnhof und Stadthalle. Akin war zu Gast
auf der Noch-Baustelle und hat mit *Stefanie Klamuth* und *Pablo
Hoertner* gesprochen, die ihre gesamte Energie in dieses Projekt
stecken.
*

akin: Steffie, als Du mir Ende Juli das erste Mal erzaehlt hast, dass
ihr sowas vorhabt, hab ich mir gedacht: 'Die spinnt! Wenn sie sich das
wirklich einmal ernsthaft ueberlegt, macht sie das nie!' Aber jetzt
sitz ich da auf dieser Baustelle, es kugeln aber auch schon Buecher
rum und das wirkt alles sehr ernsthaft. Am 2.Dezember soll die
Buchhandlung mit einer Lesung eroeffnet werden. Seid Ihr Euch immer
noch so sicher, dass das eine gute Idee war?

Stefanie: Dass das ganze vielleicht ein bisserl wahnwitzig anmutet,
kann ich durchaus nachvollziehen. Wir haben gesagt, es gibt in Wien
keine ernstzunehmende gutsortierte linke Buchhandlung, schon gar nicht
mit einem angeschlossenen Café, wo man sich hinsetzen und trinken und
eine Kleinigkeit essen kann. Und nachdem wir Buecher verschlingen und
viel Geld im Monat fuer Buecher ausgegeben haben, aber nie so recht
wussten, wo man Buecher herkriegen kann, haben wir beschlossen, wir
machen das Ganze selber. Das Ganze wird eine dezidiert linke
Fachbuchhandlung werden, mit einer kleinen Auswahl an politischer
Belletristik, gesellschaftskritischen Kinderbuechern, mit einem
integrierten Antiquariat und eben dem Lesecafé. Und ja, die
wirtschaftlichen Bedenken haben viele, viele Bekannte in unserem
Freundeskreis geaeussert und genau deswegen zwar nicht versucht,
abzuraten, aber schon gefragt, wie sinnvoll das Ganze ist. Aber ich
muss sagen, je weiter das Projekt voranschreitet, je naeher die
Realisierung kommt, desto positiver werden die Rueckmeldungen, desto
optimistischer sind wir, dass das Ganze funktioniert -- eben deswegen,
weil wir das Ganze nicht als klassische Buchhandlung aufziehen wollen,
sondern mit einem regelmaessigen Veranstaltungsangebot den Raum zur
Verfuegung stellen wollen, fuer linke Initiativen, die sich treffen
wollen, oder fuer junge KuenstlerInnen.

akin: Das Ganze kommt mir eh eher vor als Veranstaltungsbereich mit
angeschlossener Buchhandlung, auch die Oeffnungszeiten wochentags ab
15 Uhr finde ich ja nicht unspannend. Ihr habt ja ein sehr
ausfuehrliches Programm fuer die Eroeffnung. Aber ist das nicht auch
ein ziemlicher Aufwand, regelmaessig 'das Haus zu fuellen'?

Pablo: Also die Eroeffnungswoche zu organisieren, war der geringste
Aufwand bisher. Die Leute haben sich uns angeboten, da haben wir nicht
viel nachfragen muessen. Fuer kommende Lesungen gibts bereits einige
Leute, die Interesse haben. Die merken, dass wir eher das Publikum
ansprechen, das fuer sie interessant ist als z.B. bei der Thalia oder
aehnlichem. Wir haben versucht, das Ganze sehr community-maessig
aufzubauen. Ich haetts nett gefunden, wenn in der Anfangsphase nicht
nur Steffie und ich allein dagewesen waeren, sondern wir es als
Cooperative oder aehnliches haetten aufziehen koennen. Momentan ist
das Interesse diesbezueglich noch eher flau. Aber wir haben ein recht
weites Netzwerk, wo wir glauben, dass wir das nicht nur in der
Anfangsphase fuellen koennen.

akin: Als digitaler Einwanderer und als Beteiligter einer der letzten
linken Zeitungsprojekte, die tatsaechlich noch auf Papier erscheinen,
habe ich natuerlich grosse Sympathie fuer analoge Projekte. Aber: Habt
ihr hier nur Buecher oder wollt ihr auch das, was man "Neue Medien"
nennt?

Stefanie: Was es jetzt zumindest mittelfristig nicht geben wird, sind
e-Books und dessen Varianten. Was wir aber diesbezueglich haben werden
neben den klassischen Buechern ist ein kleines-feines DVD-Sortiment,
mit historischen Dokumentationen oder philosophischen Themen. Wir
wollen die Website, die jetzt noch sehr duerftig besetzt ist, ausbauen
zu einem Online-Shop und einem weitgehenden Forum, wo sich die Leute
via Social Media einklinken koennen. Diese Interaktivitaet ist uns
wichtig, vor allem fuer Menschen, die nicht die Moeglichkeit haben,
ein oder zweimal die Woche vorbeizukommen -- und auch um ein juengeres
Publikum anzusprechen, die mit Social Media grossgeworden sind.

akin: Euer Flyer ist fuer mich ja recht spannend in der Symbolik
"radical bookstore vienna - librería utopía" und dazu ein Pandabaer
mit einem Kaperl mit rotem Stern, der ein rotes Buecherl in der Hand
haelt, wo man an die Mao-Bibel denken muss. Das "Librería Utopía"
klingt irgendwie als Tribut an die Lateinamerikafreaks und das
Englische gilt halt so als international. Habt Ihr Euch das so
ueberlegt?

Pablo: Also die Steffie hat gemeint, das mit Utopia klingt nett als
Name fuer die Buchhandlung. Als ich das meiner Mutter erzaehlt hab --
auf Spanisch --, hab ich gesagt "Librería Utopía" und dann hab ich
gemerkt, das reimt sich. Was wir nicht bedacht haben, dass manche
Leute gemeint haben, dass das was mit "Liberty" zu tun haben koennte.
Was das Internationale betrifft, ist es schon so, dass wir nicht nur
Buecher aus dem deutschsprachigen Raum fuehren wollen, sondern dass
wir bereits Spanischsprachiges fuehren werden -- in erster Linie aus
Kolumbien, weil meine Tante dort eine eigene kritische Edition fuehrt.
Wir werden kritische Literatur aus der Tuerkei und den
serbokroatischen Raum fuehren. Es gibt hier in der Gegend auch eine
polnische Community, die wir mit kritischer Literatur versorgen
wollen. Aber dazu muessen wir natuerlich auch erst Bruecken schlagen:
Wir werden Graphic Novels haben, Kinderbuecher, Kochbuecher, z.B. von
Mandelbaum, die halt nicht so traditionell sind. Und wir wollen auch
Sprachkurse anbieten.

akin: Utopos, der Nicht-Ort. Also hier ist so ein Nicht-Ort in einem
Seitengassel irgendwo zwischen Westbahnhof und Stadthalle, noch sehr
migrantisch-proletarisch, aber leicht schon in Gefahr, gentrifiziert
zu werden. Meint ihr, dass das hier jemand findet? Oder wandert
Bobostan eh schon in eure Richtung? Weil: Der durchschnittliche
proletarische Migrant wird wohl nicht euer typischer Kunde sein.

Stefanie: Also wir haben uns ganz bewusst dagegen entschieden, direkt
in Boboville sesshaft zu werden. Yppenplatzgegend oder 7.Bezirk, das
passt uns so gar nicht ins Konzept. Wir haben urspruenglich etwas im
16.Bezirk etwas weiter draussen etwas gesucht, haben dort nichts
Adaequates gefunden, finden das jetzt aber hier mit U-Bahn-Anbindung
ganz gut. Es war uns wichtig, dass das eben in noch nicht
gentrifiziertem Bereich stattfindet. Dass der 15. wahrscheinlich der
naechste Bezirk ist, der dran kommt, ist aber klar. Was das
migrantische Publikum betrifft, ist das eine extreme Herausforderung,
deswegen wollen wir auch unser Angebot an Buechern und Veranstaltungen
entsprechend abstimmen. Wir wollen jetzt nicht unbedingt die
Buchhandlung fuer einen elitaeren linke Zirkel sein, wo es
ausschliesslich Theoriewaelzer gibt, sondern auch etwas, wo man die
Leute dort abholt, wo sie in ihren Alltagserfahrungen stehen. Da
wollen wir auch Nachhilfe fuer Kinder organisieren und Kooperationen
mit Schulen, die in der Gegend sind, eingehen. Und ich glaub, dass es
gerade unter den migrantischen ProletarierInnen eine grosse Anzahl an
Menschen gibt, die man fuer linke gesellschaftskritische Ideen
begeistern kann, wenn man ihnen ein entsprechendes Angebot gibt. Ich
glaub, dass sich migrantische ProletarierInnen hier wohler fuehlen
koennten, als der klassischen 7.Bezirk-Gruenwaehler, der
wahrscheinlich mit der Literaturauswahl hier ein bisserl ein Problem
haben wird, weil es eben doch sehr -- deswegen "radical" -- sehr
radikale Literatur sein wird jenseits von Attac und Global 2000. Auch
wenn sich die Bobos als links begreifen, ist das nicht unser
Verstaendnis von links.

akin: Da gibts aber das Problem des radikalen Lebens im buergerlichen.
Das ist ein teurer Spass. Ich finde das ja sehr mutig, aber wie
vorfinanziert ihr das?

Pablo: Ich sehe da jetzt nicht das grosse Problem. Wir werden in zwei
Jahren sehen, ob es nicht geht. Das liegt dann aber wohl nicht nur an
uns, sondern auch an den gesellschaftlichen Verhaeltnissen und nicht
zuletzt an der Linken in Wien. Wir haben nicht viel investiert und
werden versuchen, die Buecher auch nur in Kommission zu nehmen. Ich
glaube nicht, dass wir ein wahnsinnig grosses Warensortiment aufbauen
werden, wo wir gleich 5000 Euro in Buecher investieren, die wir dann
nie wieder loswerden. Und wir haben gesagt, wir koennen uns das
naechste halbe Jahr halbwegs ausfinanzieren. Wir haben bis jetzt beide
gute Jobs gehabt, die wir aufgegeben haben dafuer, uns einen
Lebenstraum zu erfuellen. Viele Leute beneiden uns darum -- die
haetten auch so einen Traum gehabt, ihn aber nicht erfuellt aus der
Angst, dass sie im Kapitalismus damit nicht ueberleben koennen. Ich
glaub, wenn man das so angeht, dann scheitern von vornherein alle
radikalen Konzepte.

akin: Also ich kann Euch nur alles Gute wuenschen und bedanke mich
fuer das Interview.

(Interviewer: Bernhard Redl, Radiofassung: http://cba.fro.at/249824)

*

Kontakt:
Librería Utopía -- radical bookstore vienna
Wien 15, Preysinggasse 26-28 (U3 Schweglerstrasse)
Langschlaeferfreundliche Oeffnungszeiten: Mo-Fr ab 15 Uhr, Sa ab 12
Uhr
http://radicalbookstore.com/
https://www.facebook.com/radicalbookstore

*

Eroeffnungprogramm
Mo, 2.12. 18 Uhr: Ilija Trojanow liest aus seinem neuen Buch "Der
ueberfluessige Mensch". Anschliessend Diskussion "Was bedeutet
‚Radikalsein' heute?"
Di, 3.12. 18 Uhr: Robert Misik liest aus seinem aktuellen Buch "Ist
unsere Politik noch zu retten?". Anschliessend Diskussion
Mi, 4.12. 18 Uhr: Siebenschlafer Akustikset
Do, 5.12. 18 Uhr: Frauen im bewaffneten Widerstand im 20.
Jahrhundert - Podiumsdiskussion mit Tanja Mikolasch (Irland), Maria
Hoertner (Kolumbien) und Stefanie Klamuth (Spanien)
Fr, 6.12. 19 Uhr: Dirk Bernemann (D), HC Roth (A), Alex Grabeldinger
(D) lesen "Texte, die an der Oberflaeche kratzen, in die Tiefe wollen
und haeufig wie das Leben selbst sind, pointenlos, dramaturgisch
schlecht arrangiert, aber immer gut vorgetragen".
Sa, 7.12.: radical closing - 16 Uhr creative writing. 18 Uhr poetry
slam - utopia, radicalism & reading. final chillout vibes by DJane
"Funkypawz".

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