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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 19. November 2013; 22:43
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Oe/Soziales/Recht:
> Fuer Touristen gedacht gewesen
Die Wiener Kampierverordnung genauer betrachtet
Derzeit gehen die Wogen hoch, da den bereits seit einiger Zeit im 
zentral gelegenen Wiener Stadtpark aufhaeltigen obdachlosen Menschen 
der dortige Verbleib von der Polizei verboten wird. Weniger bekannt 
ist, worauf sich dieses behoerdliche Handeln gruendet. Was ist das 
fuer eine Rechtsgrundlage, die bereits im Februar 2013 bei den 
damaligen Fluechtlingsprotesten vor der Votivkirche in Wien rigoros 
sowohl gegen Aktivist_innen als auch Demonstrant_innen zur Anwendung 
kam?
Die Wiener Behoerden stuetzen sich dabei auf die Verordnung des 
Magistrats der Stadt Wien betreffend das Verbot des Kampierens. Diese 
Verordnung bestimmt in § 1, dass an ausserhalb von Campingplaetzen im 
Freien gelegenen Orten das Auflegen und Benuetzen von Schlafsaecken 
sowie das Aufstellen und Benuetzen von Zelten verboten sind. Weiters 
wird in oeffentlichen Plaetzen das Abstellen von Personenkraftwagen, 
Wohnmobilen, etc zu Wohnzwecken sowie deren Benuetzen zum Wohnen 
(Schlafen) untersagt.
§ 3 regelt Massnahmen gegen die dieser Bestimmung Zuwiderhandelnden. 
Diese Verwaltungsuebertretung ist nach der Wiener Stadtverfassung in § 
108 Abs. 2 Geldstrafen bis zu 700 Euro vorsieht. Erste Geldstrafen 
wurden gegen die Betroffenen auch bereits verhaengt. Ueberdies kann 
der Verfall von Gegenstaenden ausgesprochen werden, mit denen die 
strafbare Handlung begangen wurde. Den Einzug von Schlafsaecken, 
Decken oder anderer Habseligkeiten kann so gerechtfertigt werden.
Die Rechtslage in Wien ist nicht eindeutig: Dem Gesetzestext ist 
naemlich zu entnehmen, dass das blosse Auflegen eines Schlafsacks und 
das Aufstellen von Zelten ohne deren aktive Benutzung keinen Verstoss 
darstellt. Damit eine Verwaltungsuebertretung vorliegt, muss der 
Betroffene daher schon in Schlafsack bzw. Zelt liegen bzw. schlafen. 
Dies wird auch die Behoerde zu eruieren und im 
Verwaltungsstrafverfahren festzustellen haben.
Die Suche nach ausjudizierten Entscheidungen zur Wiener 
Kampierverordnung im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) ist 
erfolglos. Es finden sich keinerlei Entscheidungen der zustaendigen 
Behoerden. Wurde die ueber zwei Jahrzehnte alte Wiener 
Kampierverordnung bis vor wenigen Monaten vielleicht gar nicht 
angewendet? Will man mit einer solcherart herbeigezogenen und niemals 
wirklich durchgesetzten Regelung den Aermsten der Armen schaden?
Eigentlich nicht wegen der Obdachlosen
Die Kampierverordnung wurde dazumal beschlossen, um ein uebermaessiges 
Kampieren von Tourist_innen (Zeltstaedte) zu verhindern. Sie ist aber 
keinesfalls geeignet, um obdachlose Mitmenschen mit drakonischen 
Strafen zu belegen und somit weiter an den Rand der Gesellschaft zu 
draengen. Sie haben kein Fehlverhalten begangen, sondern lediglich ihr 
Recht in Anspruch genommen, unter freiem Himmel in oeffentlichem Raum 
zu naechtigen. Mit einer derartigen ungerechtfertigten 
Kriminalisierung Beduerftiger stellt sich die Gesellschaft selbst ein 
Armutszeugnis aus.
Wie es anders geht, zeigt das Tiroler Campinggesetz aus dem Jahre 
2001. Kampieren im Sinne dieses Gesetzes ist nur das Naechtigen von 
Personen in mobilen Unterkuenften, wie Zelte, Wohnmobile und 
dergleichen im Rahmen des Tourismus. Im Vorarlberger 
Campingplatzgesetz kann die Aufstellung von Zelten, Wohnwagen und 
aehnlichen beweglichen Unterkuenften ausserhalb von Campingplaetzen 
vom Buergermeister untersagt werden, wenn Interessen der Sicherheit, 
der Gesundheit, der Landwirtschaft usw.... groeblich verletzt werden. 
Dies kann man unseren wohnungslosen Mitmenschen wohl kaum 
unterstellen.
Die Strafhoehen bei Zuwiderhandlungen sind hoechst unterschiedlich. 
Mit der maximalen Grenze von € 700,- befindet sich Wien im Vergleich 
noch im unteren Bereich, in Salzburg ist die Obergrenze € 10.000,- 
oder im Falle der Uneinbringlichkeit 14 Tage Ersatzfreiheitsstrafe.
Die Zwangslage von wohnungslosen Menschen wird also in einigen 
Bundeslaendern kriminalisiert, in anderen nicht. Fuer die 
Normunterworfenen bedeutet dies, dass ein Zustand hoechster 
Rechtsunsicherheit besteht. Eine Ueberarbeitung der Wiener 
Kampierverordnung ist daher unerlaesslich.
(Solidaritaetsgruppe Schottengasse)
Rechtsquellen:
Wiener Kampierverordnung: 
http://www.wien.gv.at/recht/landesrecht-wien/rechtsvorschriften/html/i4550000.htm
Tiroler Campinggesetz: 
http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=LrT&Gesetzesnummer=20000099
Voralberger Campingplatzgesetz: 
http://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=LrVbg&Dokumentnummer=LRVB_9104_000_20100414_99999999
Salzburger Campingplatzgesetz: 
http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=LrSbg&Gesetzesnummer=20000849
Kontakt: Solidaritaetsgruppe, Schottengasse 3A/1/4/59, 1010 Wien, 
Tel.: 0699/112 25 867, Fax: 01/532 74 16, 
info{AT}solidaritaetsgruppe.org,
http://solidaritaetsgruppe.org
Oeffentlicher Beratungstermin: Jeden ersten Dienstag im Monat, ab 18 
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