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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 13. November 2013; 06:47
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Demokratie/Glosse:

> Der Gesetzgeber, der Souveraen und die Wirklichkeit

Im Oktober war die konstituierende Sitzung des Nationalrats. Grosse
Feierstunde, beschlossen wurde natuerlich nichts. Und dann hat man die
Abgeordneten in Urlaub geschickt. Die erste regulaere Sitzung kann man
ja auch im Jaenner machen. Was machen die Abgeordneten inzwischen?
Nicht viel, nicht einmal alle Ausschuesse sind konstituiert.

Doch warum dieses? Nun, die OeVP erinnert sich noch mit Grausen an
2006, als nach den Wahlen noch kein Koalitionspakt geschlossen war und
SPOe, Gruene und FPOe gemeinsam einige Beschluesse faellten, die in
der nachfolgenden Koalition sicher keine Parlamentsmehrheit gefunden
haetten. Solche "Unfaelle" will man jetzt vermeiden. Die Botschaft: Es
waere ja noch schoener, wenn das Parlament Gesetze beschliesst, die
der zukuenftigen Regierung nicht passen.

Die Opposition schaeumt, aber das kann den bisherigen und praesumtiven
Regierungsparteien egal sein. Die Opposition schaeumt ja eh staendig.

Szenenwechsel. Von Wien nach Graz: Dort gab es am 12.11. eine
wunderbar foederal-demokratische Begebenheit, einen aussertourlichen
Landesausstieg der Steiermark aus dem Bundes-ORF-Programm. Waehrend
der Rest von Oesterreich auf ORF2 den "Report" ansehen kann, stehen in
der Steiermark an diesem Sendeplatz SPOe-Landeshauptmann Voves und
sein OeVP-Vize Schuetzenhoefer live den Journalisten von ORF
Steiermark, Kronenzeitung und Kleiner Zeitung Rede und Antwort. Wenn
man weiss, wie regierungskonform in allen Bundeslaendern die
Landesstudios sind, und die "Steirerkrone" im Sommer in einer Serie
"Steirische Reformpioniere" die Regierungspolitik abfeierte, muss man
ja sogar noch die tiefschwarze Kleine Zeitung -- fuer die uebrigens
Schuetzhoefer in jungen Jahren als Lokalreporter gearbeitet hatte -
noch als die kritischste Stimme ansehen. Titel dieser sicher
spannenden Sendung: "Die Steiermark im Umbruch - Reformpartnerschaft
auf dem Pruefstand".

Das Spannendste daran aber: Waehrend die zwei Regierungsspitzen im
ORF-Studio plaudern, ist eigentlich eine Landtagssitzung angesetzt.
Eigentlich sollten die beiden da anwesend sein. Und eigentlich wollte
man bei dieser Landtagssitzung ueber eines der heikelsten Themen
dieser "Reformpolitik" reden, naemlich ueber das rigorose
Zusammenlegen von Gemeinden. Nein, da beantworten der LH und sein Vize
lieber die Fragen der Journalisten als die der Opposition.

Aber kann man die Parlamente derart ignorieren? Offensichtlich! Gaebe
es da nicht Moeglichkeiten so ein Verhalten abzudrehen? Natuerlich!
Die Praesidentin des Nationalrats koennte problemlos einen frueheren
ersten regulaeren Sitzungstermin anberaumen. Tut sie aber nicht,
schliesslich ist sie ja von der SPOe. Auch der steirische Landtag
koennte Landeshauptmann und Vize in die Sitzung zitieren -- tut es
aber natuerlich auch nicht, denn die Abgeordneten der
Koalitionsparteien werden ja nicht ihre eigenen Parteichefs
brueskieren.

Also: Die Abgeordneten der Regierungsparteien nehmen ihre
verfassungsgemaesse Aufgabe ja selbst nicht ernst und haben kein
Problem damit, auch noch die groessten Frechheiten abzunicken. Warum
also sollten dann die Regierenden die Parlamente ernst nehmen?

Es ist eine alte Geschichte, dass faktisch der Gesetzgeber im
Ministerrat und in den Landesregierungen zu verorten ist und die
Parlamente zu Abstimmungsmaschinen verkommen sind. Aber bisher hat man
das meistens eher unauffaellig gemacht und wenigstens so getan, als
gaebe es so etwas wie eine Gewaltentrennung und einen "lebendigen
Parlamentarismus". Nun aber ist es offensichtlich soweit, dass die
Regierungen gar nicht mal mehr bereit sind, den Schein zu wahren. Dass
aber ausgerechnet Nichtmehrganzso-Grosskoalitionaere diese Praepotenz
praktizieren, denen angesichts ihres Waehlerschwundes doch ein bisserl
mehr Demut gut anstuende, ist schon eine Chuzpe.

Und es macht auch eines klar. Der Nationalrat, der Bundesrat und die
Landtage sind laut Verfassung der Gesetzgeber und kontrollieren die
Exekutive; das Volk aber ist der Souveraen. Wenn die Parlamente jetzt
schon derart oeffentlich gedemuetigt werden resp. sich demuetigen
lassen, braucht man sich nicht wundern, wie wenig Verve die
Regierenden in diesem Land beweisen, wenn es darum geht, dem
angeblichen Souveraen auch nur ein Quaentchen mehr
Mitbestimmungsrechte zuzugestehen. Je geringer die Legitimation der
Regierenden wird, desto autoritaerer werden sie.

Im Prinzip ist dieses Verhalten ja gar nicht einmal der grosse
Skandal. Es geht nur ganz wenig ueber den Normalzustand der Republik
hinaus. Aber werden da nicht Grenzen ausgelotet, was noch alles
machbar ist? Ist sowas nicht vielleicht irgendwo doch ein Zeichen, ein
Vorzeichen an der Wand? Auf alle Faelle ist es aber eines: Gewogen,
Gemessen und als unertraeglich empfunden.
*Bernhard Redl*



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