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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 16. Oktober 2013; 17:07
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Oe/Recht:

> Es bleiben noch viele §278ff

Die Bewegung, die sich rund um den Skandalprozess gegen
TierrechtsaktivistInnen entwickelt hat, hat soviel Druck gemacht, dass
ein erster Erfolg erreicht werden konnte: Der § 278a, der sog.
"Mafia-Paragraf", wurde zumindest soweit entschaerft, dass er in
Hinkunft nicht mehr ganz so leicht gegen politisches Engagement und
NGO-Arbeit missbraucht werden kann. Ein grosser Brocken aber bleibt:
Die §§ 278 b ff, die sog. "Terror-Paragrafen". Diese wurden auf Grund
einer EU-Richtlinie in das oesterreichische Strafrecht aufgenommen und
sind demokratiepolitisch nicht weniger bedenklich. Als
"terroristisches Motiv" gilt unter anderem, wenn "eine Tat geeignet
ist, eine schwere oder laengere Zeit anhaltende Stoerung des
oeffentlichen Lebens oder eine schwere Schaedigung des
Wirtschaftslebens herbeizufuehren" oder dazu dient "oeffentliche
Stellen oder eine internationale Organisation zu einer Handlung,
Duldung oder Unterlassung zu noetigen oder die politischen,
verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen
eines Staates oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu
erschuettern." (§ 278c). Die Solidar-Werkstatt tritt z.B. dafuer eine,
die EU-Verfassung, die eine Aufruestungspflicht und ein
Neoliberalismusgebot enthaelt, "ernsthaft zu erschuettern". Treibt uns
also terroristisches Gedankengut an? Oder waren die Gewerkschaften
TerroristInnen, als sie 2003 zu Massenstreiks gegen den Raubzug bei
den Pensionen aufriefen? Jeder Streik kann schliesslich von findigen
Juristen als "schwere Schaedigung des Wirtschaftslebens" interpretiert
werden.

Im Zusammenhang mit dem neuerlichen Prozess gegen fuenf
TierrechtsaktivistInnen bekommen diese "Anti-Terror"-Paragrafen
zusaetzliche Brisanz. Denn eine "terroristische Tat" liegt vor, sobald
sich das oben beschriebene Motiv mit einem bestimmten Straftatbestand
verbindet; dazu zaehlt der § 278 c unter anderem die "schwere
Noetigung". Und die wuerde bereits vorliegen – so das Oberlandgericht
Wien in seiner Anklage – wenn friedliche und legale Proteste
angekuendigt werden, die die Geschaefte von Unternehmungen
beeintraechtigen koennen. Fast alle Aktivitaeten von NGOs und
Gewerkschaften koennen das tun: Kaufboykott gegen Produkte aus
Kinderarbeit oder besetzten Gebieten, Sitzblockaden gegen
Transitlawinen, Brandmarken von Ruestungsgeschaeften, Streiks fuer
hoehere Loehne und bessere Arbeitsbedingungen, usw. Strafrahmen der §§
278 b ff: bis zu 15 Jahre.

Dabei duerfen wir nicht vergessen: Diese Paragrafen entfalten ihre
demokratiegefaehrdende Wirkung bereits lange, bevor es zu Anklage oder
Verurteilung kommt. Denn sobald der Verdacht auf "terroristische
Aktivitaeten" im Raum steht, bekommt die Polizei ein umfassendes Recht
zur Ueberwachung von Menschen und sozialen Netzwerken. Die
Tierrechts-AktivistInnen wurden jahrelang bis ins Schlafzimmer
bespitzelt.

Dieser Anti-Terror-Paragraf kann sich also zur grossen Keule gegen
jedes "unerwuenschte" Engagement entwickeln.
(Solidar-Werkstatt/bearb.)

Quelle:
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=933&Itemid=1



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