**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 9. Oktober 2013; 16:57
**********************************************************

Wahl / Debatten:

> Wolkig bis regnerisch

Das Wahlergebnis laesst verwirrt zurueck -- was ist die Conclusio?
Ein Rundblick durch die Blogosphaere
*

Hermann Dworczak sieht am 30.September weniger durch das Auftauchen
der NEOS das schwache Abschneiden der Gruenen begruendet als in deren
Eigenfehlern:

"Die Gruenen konnten nur ganz leicht dazugewinnen. Deren Fuehrung ist
vor allem darauf bedacht 'mitzuregieren' (in Tirol mit VP-Platter; in
Salzburg sogar mit Stronach!). Glawischnig biederte sich in Interviews
auch der Industriellen-Vereinigung an. Ihr kuschelweicher Lamperl-Wahl'kampf'
('Saubere Umwelt, saubere Politik - Gemeinsam schaffen wir das'; 'Bio
macht schoen') tat sein Uebriges."

Unter dem Zwischentitel "Die Hoffnung stirbt zuletzt" meint Dworczak
unverdrossen:

"Ich hoffe doch, dass der mehr als ernuechternde Wahlausgang von
etlichen Linken nicht mit einem blossen Achselzucken und Phrasen wie
'So sind halt die Dinge bei uns -- da kann man nix machen' beantwortet
wird. Ich schlage daher konkret vor, mit einem gewissen Abstand zu den
Wahlen -- etwa im November -- einen gut vorbereiteten, breiten,
gesamtoesterreichischen Linken Ratschlag zu machen. Zentriert um 2
Punkte: solidarisches Bilanzieren der Wahlen und ihrer Folgen;
Ausloten der Moeglichkeiten gemeinsamen Handelns -- auf der
'Bewegungsebene', aber auch allgemein politisch."
*

In ein aehnliches Horn stoesst auch Manfred Ecker von der "Linkswende"
noch am Wahlabend unter "FPOe beinahe auf 22% - wie kann das sein?":

"Die Staerke der FPOe ist kein absolutes Mass dafuer, wie rechts die
oesterreichische Bevoelkerung ist. Sie ist das Ergebnis einer
politischen Auseinandersetzung zwischen politischen Parteien. Die FPOe
ist so stark, wie die anderen schwach sind. Wer sich das bildlich
vorstellen will, der muss sich nur Faymann, Spindelegger, Glawischnig,
Bucher, Stronach und die anderen vor sein geistiges Auge holen. Gegen
diese Parteien und Politiker hat die Strache-FPOe gut abgeschnitten.

Oesterreich ist so weit rechts wie es der politische Kampf ergibt.
Gehen die linken Kraefte weiter in die Defensive, dann werden die
Rechten noch offensiver und gewinnen mehr Terrain - Oesterreich wird
noch rechter. Die brutale Wahrheit ist, dass erst die Bildung einer
Partei links der SPOe diese Dynamik wird aendern koennen. Es wird viel
Geschicklichkeit und sehr viel Engagement beduerfen, eine echte Partei
fuer Arbeiterinnen und Arbeiter aufzubauen, an der sich
Gewerkschafter_innen und Leute aus den Betrieben beteiligen." (2)
*

Die Gruene Wiener Sozialsprecherin Birgit Hebein verzweifelt ein wenig
am Wahlausgang und deutet unter dem Titel "Damit die Hoffnung auf
rot-gruen nicht stirbt" etwas dezenter Kritik am Wahlkampf ihrer
eigenen Partei an (2.Oktober):

"Die erste Hochrechnung wird bekannt und ich verfalle. In
Sekundenschnelle wird klar: trotz gesellschaftlicher und
wirtschaftlicher Entwicklung und bevorstehender Sparpakete wird kaum
Veraenderung gewaehlt; rot-schwarzer
Beton, warum gilt diese irre FPOe als Hoffnungstraeger, warum haben
wir Gruene die Mauer mit stetigem Tropfen nicht durchbrochen. Und eine
Journalistin fragt, warum ich mich nicht ueber den Zuwachs freue? Ja
weil es nicht nur um uns Gruene geht. Soll ich jubeln? [...] Ich war
mir fast sicher, habe uns Gruene sogar auf 17% getippt. Ja, eh. Warum?
Die SPOe ist ohne Visionen, einzementiert auf die grosse Koalition und
Verwaltung. Die OeVP fuehrt einen grottenschlechten Wahlkampf, 1.500
Euro brutto den Menschen neidig, eine Poltik fuer die reichsten 5% der
Bevoelkerung, mit einen kuenstlich ueberdrehten Kandidaten,
unverzeihliches agieren gegen Mindestsicherungsbezieher
und -bezieherinnen.
Und wir? Haben gute Voraussetzungen, eine engagierte Kandidatin und
sind gemeinsam unterwegs. Setzten durch Marketing des Vorwurf
abgehoben zu sein etwas entgegen. 'Seid populistischer'. Ja eh, die
Plakate wurden sicher nicht fuer mich gemacht. Ja, die Plakate.
Intelligente Menschen fuehlen durch sie sich beleidigt, die selben
werfen uns aber diese Abgehobenheit vor. Einige davon waehlen den
frischen Wind der NEOS. Egal der Inhalt:
Privatisierung, 'Buergergeld'. Es riecht nach Freiheit, das genuegt.
Es ist zum Verruecktwerden. ... Linke Alternative? Nein, eine SPOe der
Arbeiter und Arbeiterinnen mit Visionen ohne Angst vor FPOe. Eine
Gruenpartei mit 'Uebersetzung': statt 'Bio macht schoen': gesundes
Essen sollen sich alle leisten koennen, warum sollen Menschen im 15ten
um 5 Jahre frueher sterben als im 1., denn Armut macht krank. Darueber
koennen wir reden." (3)
*

Karl Fischbacher von Labournet Austria hatte am Wahltag auch "keinen
Anlass zur Freude":

"Die KPOe hat oesterreichweit 1% erhalten. Mirko Messner &
Genoss_innen haben noch immer nicht begriffen, dass ihr
kommunistisches Hemd schon laengst schmutzig geworden ist. Die SLP
erhielt in Wien 844 Stimmen (0,02%). Auch kein berauschendes Ergebnis
und trotzdem ist ihr gross anzurechnen, dass sie die einzige
Gruppierung in der radikalen Linken ist, die sich im demokratischen
Kampf der Refugees engagiert. Neben der SLP grundeln
antikapitalistische Linke mehr oder weniger Avantgarde-selbstbewusst
unbeirrt weiter. Ihr Zusammenschluss waere selbstverstaendlich auch
ein Flop. Wir warten noch immer auf einen neuen Radikalisierungsschub
in der Arbeiter_innenklasse und der fortschrittlichen Jugend, der
Grundlage fuer ein linkes Revival waere." (4)
*

Walter Baier, ehemaliger KPOe-Vorsitzender sieht seine Partei
naturgemaess positiver, ist aber auch nicht sonderlich begeistert:

"Als einzige ausgewiesen linke Partei stand die KPOe zur Wahl und
erreichte ihr traditionelles 1%-Ergebnis (Wien 1,7%, Steiermark 1,8%).
Dort, wo die KPOe kommunal verankert ist, liegen die Ergebnisse
zwischen 2,5% und 4% und stellen Positionsgewinne bei bevorstehenden
lokalen Wahlgaengen in Aussicht. Die Piraten erhielten 0,8%. Das
Problem einer strategischen Neuaufstellung der Linken auf breiter
politischer Basis, zu der die KPOe aufruft, bleibt weiterhin
ungeloest." Ganz allgemein sieht er ein "paradoxes" Wahlverhalten der
OesterreicherInnen: "Sie haben ihre Unzufriedenheit mit der
neoliberalen Politik der Koalition durch die Staerkung neoliberaler
Parteien ausgedrueckt, und werden daher noch mehr neoliberale Politik
bekommen. Die deutschnationale, rassistische FPOe bleibt ... in
Lauerstellung." (5)
*

Die SLP sieht am 2.Oktober ein Quadropol der kleineren Uebel in der
oesterreichischen Innenpolitik:

"Die vier Hauptparteien SPOe, OeVP, FPOe, Gruene naehern sich
inhaltlich und stimmenmaessig immer mehr aneinander an. Sie werden als
zunehmend unattraktiv gesehen. Meist sind Taktik oder das 'kleinere
Uebel' der Grund einer Partei die Stimme zu geben, echte Begeisterung
gibt es kaum. Zwar haben die vier Hauptparteien eine
StammwaehlerInnenschaft von 60-70% doch haben sie am meisten ans Lager
der NichtwaehlerInnen verloren, die somit "staerkste Partei" wurden -
und das, obwohl es eine Reihe neuer Listen auf dem Stimmzettel gab.
Diese Ablehnung der buergerlichen Demokratie drueckt einen Frust ueber
'die da oben' aus und das berechtigte Gefuehl, ohnehin nicht wirklich
mitentscheiden zu koennen (2/3 sind der Meinung, dass die Parteien nur
die Stimmen der WaehlerInnen wollen, aber ihre Anliegen sie nicht
interessieren). Teilen der Bourgeoisie ist die Gefahr, die in der
Krise der buergerlichen Demokratie steckt, durchaus bewusst -
naemlich, dass Unmut nicht mehr ueber ein Wechseln von verschiedenen
mehr oder weniger berechenbaren Parteien ausgedrueckt wird, sondern
ein Ventil voellig abseits davon, z.B. in Aufstaenden oder
Klassenkaempfen finden kann. Daher auch das Draengen aus diesem Lager
auf Veraenderungen bzw. zumindest Signale.

[...] Der Wunsch, zu regieren und die inhaltliche Anpassung u.a. an
die OeVP hat die Gruenen aus Sicht der herrschenden Klasse zu einer
stabilen und moeglichen Regierungspartei gemacht, WaehlerInnen hat der
Kurs kaum gebracht und an der Basis kommt es zu einem Wegbrechen von
Schichten, die teilweise inaktiv werden, teilweise nach einer neuen
politischen Heimat suchen. Der Zick-Zack-Kurs von Freda Meissner-Blau
spiegelt dieses Dilemma wieder (sie ist quasi gruenes 'Urgestein', hat
dann einen Wahlaufruf fuer den Wandel gemacht, im Zuge des Wahlkampfes
dann in einem Standardinterview erklaert, nicht zu waehlen und dann
knapp vor der Wahl verlautbart, Oellinger eine Vorzugsstimme zu
geben). Manche Linke werden - wie es seit Jahrzehnten bei der SPOe der
Fall ist - aus taktischen Ueberlegungen und als kleineres Uebel die
Gruenen gewaehlt haben. Begeisterung oder Aktivitaet fehlt aber. [...]

Das Fehlen eines sichtbaren linken Angebots war ein zentrales Problem
dieser Wahl. Es wird zwar in den Medien nicht transportiert, aber es
kam zu einer, wenn auch in bescheidenem Rahmen, Staerkung der Linken:
KPOe, SLP, und auch der Wandel als linke Listen sowie die Piraten, die
als links gesehen werden, haben insgesamt an Stimmen und
Aufmerksamkeit dazu gewonnen. [...] Waere der Appell der SLP fuer ein
linkes Wahlbuendnis, das mehr als nur SLP + KPOe haette sein muessen,
das AktivistInnen z.B. aus der Plattform 25 in der Steiermark, von den
Protesten gegen die Nulllohnrunden in Wien und Salzburg, aus der
Fluechtlingsbewegung etc. zusammengefasst haette, aufgegriffen worden,
dann haette es die Chance fuer eine starke linke Kandidatur gegeben,
die weit sichtbarer und v.a. kaempferischer gewesen waere. Diese
haette auch ein Attraktionspol fuer frustrierte FSGlerInnen sein
koennen, und v.a. ein Ansatz fuer die Proteste, die gegen die Angriffe
der kommenden Regierung so dringend notwendig sein werden."

Fuer sich selbst sieht die SLP das Wahlergebnis hauptsaechlich als
Gewinn in der Mitgliederwerbung:

"Wir haben mit 'Sozialismus statt kapitalistisches Chaos' einen sehr
klaren Hauptslogan gewaehlt, der uns von allen anderen Parteien
unterschieden hat und uns als einzige eindeutig antikapitalistische
Liste gezeigt hat. Darauf haben wir vorwiegend positive Reaktionen
erlebt. Wir haben mit knapp 1000 Stimmen ein nicht berauschendes, aber
passables Ergebnis eingefahren. [...] Natuerlich haetten wir uns ueber
mehr Stimmen mehr gefreut, doch ohne eine gesamtgesellschaftlich
andere Situation waere auch mit mehr Einsatz kaum mehr moeglich
gewesen. In diesem Wahlkampf haben uns viele Menschen naeher kennen
gelernt bzw. sind erstmals auf uns aufmerksam geworden. Die Tatsache,
dass wir noch eine kleine Partei sind und stimmenmaessig nicht bei den
'Grossen' mitspielen, wird aber nicht als Manko wahrgenommen, im
Gegenteil: Wir haben seit dem Wahlabend mehr Anfragen fuer
Informationen und Beitritte zur SLP als davor." (6)
*

Optimismus verbreitet hingegen SOS Mitmensch aus einem thematisch
etwas eingeschraenkten Blickwinkel in einer Aussendung und meint das
Ergebnis insofern deuten zu koennen, "dass die Parteien, die
zivilgesellschaftliche Initiativen fuer eine menschliche
Fluechtlingspolitik und fuer die Oeffnung der oesterreichischen
Demokratie unterstuetzt haben, von den WaehlerInnen teils deutlich
gestaerkt wurden."

SOS-Sprecher Alexander Pollak: "Auch wenn die FPOe etwas zulegen
konnte, gibt es gerade in Menschenrechtsfragen fuer eine zukuenftige
Regierung keinen Grund, nach rechts zu schielen. Denn die Parteien,
die in Fluechtlings- und Integrationsfragen klare humanistische
Positionen vertreten, naemlich die Gruenen und Neos, konnten insgesamt
deutlich hoehere Zugewinne verbuchen als die Freiheitlichen".
*

Und Hannes Hofbauer versucht im "Neuen Deutschland" am 1.Oktober
unseren Nachbarn unter dem Titel "Nur einmal noch Rot-Schwarz?" die
seltsame Welt der hiesigen Innenpolitik zu erklaeren:

"Neben dem Erstarken der FPOe ... ist vor allem die Oligarchisierung -
wenngleich auf niedrigem Niveau - der Parteienlandschaft
bemerkenswert. Mit dem 81-jaehrigen Austro-Kanadier Frank Stronach und
Hans Peter Haselsteiner (NEOS) betraten Figuren das politische
Terrain, die glauben, sich Politik direkt kaufen zu koennen. Die
entsprechenden Parteien gleichen in ihrer Struktur eher liberalen
Klubs als gesellschaftlich relevanten Organisationen. [...] Gemeinsam
mit der FPOe und einer der beiden liberalen Unternehmerparteien Team
Stronach oder NEOS koennte der liberale Fluegel der
Christkonservativen versucht sein, eine Regierung zu bilden. Als
Vorbild wuerde die Regierung Wolfgang Schuessel aus dem Jahr 2000
dienen, die die FPOe salonfaehig gemacht hatte. Viel wahrscheinlicher
ist indes die Fortsetzung von Rot-Schwarz. Die von konservativer Seite
mehrfach betonte Einschaetzung, dass ein Weiterwursteln nicht
gewuenscht sei, zielt aber eher darauf ab, einen dritten Partner mit
ins Regierungsboot zu holen. Die NEOS haben sich von Beginn ihres
Wahlkampfes an fuer eine Regierungsteilnahme angeboten;
politisch-personell waeren sie billig zu haben, ihr Kernthema 'Weniger
Staat' wuerde der SPOe zusetzen und die OeVP mehr in die politische
Mitte ruecken. Die Verantwortung fuer schmerzhafte soziale Einschnitte
koennten den liberalen Hardlinern der NEOS in die Schuhe geschoben
werden." (1)
(Zusammenfassung: -br-)

(1)
http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Austria/wahl13c-neu.html
(2)
http://www.linkswende.org/6654/FPOe-beinahe-auf-22-wie-kann-das-sein
(3)
http://birgithebein.at/2013/10/damit-die-hoffnung-auf-rot-grun-nicht-stirbt-gedanken-nach-der-wahl/
(4)
http://www.labournetaustria.at/karl-fischbacher-29-9-2013-osterreich-hat-sich-weiter-nach-rechts-bewegt/
(5)
http://www.sozialismus.de/kommentare_analysen/detail/artikel/oesterreich-hat-paradox-gewaehlt/
(6)
https://www.slp.at/artikel/slp-stellungnahme-zur-nationalratswahl-5193



***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
Blog: https://akinmagazin.wordpress.com/
Facebook: https://www.facebook.com/akin.magazin
Mail: akin.redaktion{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976-00, Zweck: akin