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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 9. Oktober 2013; 16:54
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International / Kapitalismus / Nord-Sued::
> Grosses Leid fuer billige Schokolade
*Suedwind* und die Gewerkschaft PRO-GE machen anlaesslich des 
Welttages fuer menschenwuerdige Arbeit am 7. Oktober auf die 
Missstaende in der Schokoladeindustrie aufmerksam und fordern von den 
Unternehmen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in der 
Schokoladeproduktion.
Schon Anfang Oktober fuellen sich wieder die Regale in den 
Supermaerkten mit (vor)weihnachtlichen Schokoladeprodukten zu 
teilweise sehr niedrigen Preisen. Der Kakaopreis am Weltmarkt ist 
guenstig und der Schokoladekonsum hierzulande hoch: Oesterreich 
rangiert mit rund 9 Kilogramm pro Kopf auf Platz sechs weltweit.
Bis zu 14 Millionen ArbeiterInnen sind auf Kakaoplantagen und -farmen 
weltweit damit beschaeftigt, Kakaoschoten von den Baeumen zu pfluecken 
und sie anschliessend muehselig aufzuhacken, um die Bohnen fuer die 
Fermentierung und Trocknung freizulegen. Trotz der arbeitsintensiven 
Pflege und Ernte der Kakaobohne erhalten Kakaobaeuerinnen und -bauern 
aktuell nur mehr 6% am Anteil des Verkaufspreises einer Tafel 
Schokolade. Im Vergleich dazu waren es 1980 noch 16%.
Die seit den 1980er Jahren real um fast die Haelfte gefallenen Preise 
haben sukzessive zu einer Verarmung von Kakaobaeuerinnen und -bauern 
und zu einem Anstieg von ausbeuterischer Kinderarbeit gefuehrt. Zudem 
fehlt es nun an Kapital, um in die Vitalitaet und Produktivitaet der 
Kakaoplantagen zu investieren. Diese Missstaende koennen nun 
letztendlich der Schokoladeindustrie selbst zum Verhaengnis werden.
"Viele Jahrzehnte war es fuer Industriestaaten und multinationale 
Konzerne ganz einfach, Menschen aus dem Sueden auszubeuten. Die 
Strukturen in den Erzeugerlaendern haben auch dazu beigetragen, dass 
sich wenig politisch veraendert. Wir stehen nun vor einer voellig 
neuen Situation - Sinkende Ertraege, Perspektivlosigkeit und 
Abwanderung in die Staedte fuehren dazu, dass der steigende Bedarf der 
Industrie an Kakaobohnen bald nicht mehr gedeckt werden kann", 
erklaert Gerhard Riess von der Gewerkschaft PRO-GE.
Laut Einschaetzung des groessten Kakaoverarbeiters Barry Callebaut aus 
der Schweiz wird bis 2020 ein Kakao-Versorgungsengpass von einer 
Million Tonnen erwartet. Um diesen zu verhindern, muesste der 
weltweite Ertrag um ca. 100.000 Tonnen pro Jahr steigen. Derzeit 
werden jaehrlich 3,5 Mio. Tonnen weltweit produziert.
Gift fuer Suesses
Viele Schokoladekonzerne reagieren auf die zu erwartenden 
Lieferengpaesse, indem sie sogenannte Foerderprogramme zur Steigerung 
der Produktivitaet der Kakaoplantagen ins Leben rufen. Viele dieser 
Programme zielten darauf ab, den Baeuerinnen und Bauern die Verwendung 
von hochgiftigen Pestiziden und Duengemitteln nahezulegen und sie 
dabei auch finanziell zu unterstuetzen.
Hans-Peter Hutter, Facharzt fuer Hygiene und Mikrobiologie sowie 
Landschaftsoekologe an der Medizinischen Universitaet Wien, hat 
diesbezueglich auf Kakaoplantagen in Westafrika und der 
Dominikanischen Republik im Zuge der Vorbereitung einer medizinischen 
Studie recherchiert. Seine Augenzeugenberichte sind schockierend: "Ich 
fand es sehr schlimm, wie sorglos mit hochgradig 
gesundheitsschaedlichen Chemikalien umgegangen wird. Chemikalien, die 
aufgrund ihrer Gefaehrlichkeit in der EU schon laengst verboten sind, 
stehen dort noch tagtaeglich am Einsatzplan. Erschreckend ist vor 
allem, dass die Pestizide ohne jeglichen Schutz fuer die ArbeiterInnen 
ausgebracht werden, oft auch im Beisein ihrer Kinder. Viele von ihnen 
koennen nicht lesen und schreiben und sind oftmals voellig im Unklaren 
darueber, welchen Gesundheitsrisiken sie sich aussetzen. Trotz der 
schlechten Arbeitsbedingungen sind diese Menschen auf diese Arbeit 
angewiesen, um ihre Familien versorgen zu koennen."
ArbeiterInnen beklagen in erster Linie akute Symptome wie Augen- und 
Hautreizungen oder Uebelkeit. "An Langzeitfolgen wie Schaeden der 
Atemwege und des Nervensystems, Beeintraechtigung der 
Fortpflanzungsfaehigkeit wird hingegen ueberhaupt nicht gedacht", so 
Hutter.
"Es ist keineswegs nachhaltig den Baeuerinnen und Bauern guenstige 
Pestizide zur Verfuegung zu stellen, nur um kurzfristig deren Ertraege 
zu steigern, sondern menschenverachtend und auch in oekologischer 
Sicht hoechst problematisch", kritisiert Zeilinger von der NGO 
Suedwind. "All die heutigen Missstaende im Kakaoanbau sind bereits 
Folgen der jahrzehntelangen Niedrigpreispolitik der 
Schokoladenkonzerne. Wir fordern daher die Schokoladenunternehmen auf, 
Verantwortung zu uebernehmen und unseren Forderungen nach einer 
nachhaltigen Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen fuer 
Millionen von ArbeiterInnen nachzukommen" verweist Zeilinger auf eine 
Petition von Suedwind, PRO-GE, Weltumspannend Arbeiten, 
Dreikoenigsaktion sowie Nichtregierungsorganisationen aus insgesamt 16 
EU-Laendern.
Petition
In der gemeinsamen Petition treten diese ein fuer:
- faire Preise fuer Kakaobaeuerinnen und Kakaobauern;
- die Zahlung existenzsichernder Loehne und menschenwuerdige 
Arbeitsbedingungen fuer ArbeiterInnen;
- die bedingungslose Einhaltung des Verbots von ausbeuterischer 
Kinderarbeit;
- die Unterstuetzung fuer eine oekologisch nachhaltige und 
diversifizierte Landwirtschaft und eine unabhaengige Kontrolle der 
Zulieferkette.
Das FAIRTRADE-System kann dabei als gutes Vorbild dienen. So bietet 
FAIRTRADE ihren Kontraktbauern und -baeuerinnen einen 
existenzsichernden Mindestlohn, umfangreiche Schulungsprogramme im 
Bereich Biolandbau und Produktqualitaet sowie Vorfinanzierungen bei 
Investitionen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und in die 
Gesundheit der Kakaobaeume.
(Ausendung Suedwind/gek.)
Petition und Kampagnen-Website: http://www.makechocolatefair.org
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