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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 18. September 2013; 00:53
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Wahl / Debatte:

> Die Gruenen? Diskussionslos unwaehlbar!

Mit einer Aussage von Eva Glawischnig (Ende August im Rahmen der
ORF-"Konfrontationen" mit Gegner HC Strache) hat sich jede Debatte um
die Waehlbarkeit der Gruenen eruebrigt, weil es um Fragen
grundlegender Menschenrechte geht. Die Gruenen haben sich vom
Bekenntnis der prinzipiellen Achtung der Menschenrechte verabschiedet,
zumindest in der Person ihrer Partei"chefin". Andere Menschen aus
ihrer Partei haben sich oeffentlich nicht geaeussert. Diese Wahl wird
wohl keine eine Schicksalswahl werden, aber ich denke, dass sie eine
grundsaetzliche Entscheidung fuer all jene Gruene bzw. mit den Gruenen
symphatisierenden Waehler_innen darstellt, ob sie sich von dieser
Partei und ihren menschenverachtenden Positionen gedenken zu
verabschieden. Ich habe den Gruenen Respekt gezollt, weil sie sich aus
meiner Sicht Menschen gegenueber, die nach Oesterreich gefluechtet
sind und sich hier eine neue Chance erhofft haben, ein neues Leben zu
beginnen, immer grosszuegig und fair verhalten haben. Ich habe den
Gruenen Respekt gezollt, weil sie sich unkompliziert und rasch
solidarisch verhalten haben und ganz selbstverstaendlich einer Bitte
um Unterstuetzung nie abweisend gegenuebergestanden sind. Diese
Selbstverstaendlichkeit einer einfach menschlichen Reaktion, wenn es
darum geht, jemanden, der gefluechtet ist, zu helfen, ist die Basis
dafuer, dass ich die Gruenen bei all ihrem sonstigen Opportunismus nie
verteufelt hatte.

Ich bin entsetzt, ich begreife es nicht und ich kann es beim besten
Willen nicht verstehen, wie es einer Eva Glawischnig ueber die Lippen
kommt, zu sagen, dass sie es sich vorstellen koenne, "einer Familie
ins Auge zu sehen und zu sagen: Es gibt leider keinen Asylgrund".
Nicht alle um Asyl ansuchenden Menschen haetten in diesem Land Platz,
war die inhaltliche Botschaft. Was fuer ein Hohn. Wo bleibt ein
Aufschrei der gruenen Parteibasis?

Frau Glawischnig, wie stellen sie sich denn die Selektionsmechanismen
vor? Wer soll nach welchen Regeln bestimmen duerfen, welche um Hilfe
ansuchenden Menschen hier bleiben duerfen? Sollen unsere ach so human
agierenden Richter_innen und die Fremdenpolizei weiterhin Menschen
quaelen duerfen? Ich nenne Ihnen nur eines von vielen Beispielen. Eine
junge, aus der Tuerkei kommende Frau hat sich zufaellig in einen
Salzburger verliebt, sie haben geheiratet und sie erwartete ein Kind.
Sie bekam keinen Aufenthaltsstatus. Ihre Schwangerschaft war begleitet
von der staendigen Angst bald abgeschoben zu werden. Die Angst um ein
stabiles Leben hier ist nicht vorbei, nun hat sie mit ihrem Kind einen
laecherlichen Aufenthalt fuer ein Jahr zugesprochen bekommen. Was ist
das fuer ein Leben? Dieser Frau wuerden sie in die Augen sehen
koennen, um ihr zu sagen, sie soll doch in die Tuerkei zurueckgehen?
Ich moechte es nicht glauben, dass sie das wirklich koennen, ich
moechte glauben, dass sie einfach gar keine Menschen kennen, die
hierher kommen, um ein neues Leben zu beginnen. Wissen kann ich es
nicht, ob sie es wirklich uebers Herz bringen, einen Menschen eine
Lebensperspektive in dessen Augen schauend zu verweigern. Wissen kann
ich es nicht. Aber ihre Aussage macht mich fassungslos.

Die Gruenen haben sich laengst vom Antimilitarismus verabschiedet,
damit auch sich von der Friedensbewegung distanziert, zumindest von
jener, fuer die eine Welt mit Militaer keine Perspektive darstellt.
Robert Jungk wuerde sich mit diesem Positionenwechsel der Gruenen im
Grabe umdrehen. Dass sie sich nun auch vom fundamentalsten
Menschenrecht auf Asyl verabschieden, dass es fuer Sie keine
Denkvariante ist, dass Menschen, die um Hilfe und Unterstuetzung
ansuchen, ganz selbstverstaendlich in diesem Land unkompliziert und
bedingungslos hier einen Aufenthalt bekommen, macht die Gruenen fuer
mich zu einer Partei, die sich nicht einmal in der Frage der
Menschlichkeit von anderen unterscheidet. Fuer mich als Vertreterin
einer Menschenrechtsorganisation sind sie die groesste Enttaeuschung
in dieser Wahlkampfauseinandersetzung. Viel Kritik wurde bereits an
den Gruenen geuebt, daran habe ich mich selten beteiligt (ausser, wenn
es ums Bundesheer ging), aber ich habe immer gedacht, dass die Gruenen
bedingungslos die herrschende Fremdenrechtspolitik verabscheuen und
bedingungslos sich fuer alle Menschen einsetzen wuerden, die hier um
Asyl ansuchen. Ich begreife nicht, wie Sie es zustande bringen
koennen, einen Menschen, der hier nur eine Chance auf Leben will in
die Augen zu schauen um ihm zu sagen, er soll wieder gehen. Koennen
Sie ihm denn sagen wohin? Wohin? In das Land aus dem er geflohen ist?
In ein anderes Land, dass ihn ebenso abweisen wird? Sie koennen es
sich tatsaechlich vorstellen, einen Menschen der eine ganze Flucht
hinter sich hat auf eine weitere Odysee zu schicken? Das ist eine
erbarmungslose Haltung. Da erfahre ich ja noch von der katholischen
Kirche mehr Menschlichkeit, wenn es darum geht, Menschen Schutz zu
gewaehren. Meinen Respekt vor den Gruenen habe ich verloren.

Mir gefaellt Ihr Wahlplakat, in dem Sie ein kleines Schaf im Arm
halten (Anm. akin: siehe auch letzte Seite), Tierschutz ist fuer mich
auch ein wichtiges Thema. Ich begreife nicht, wie man einem Tier
Zuwendung schenken kann und gleichzeitig sich von einem Menschen
abwenden kann. Eine dem Leben zugewandte Haltung inkludiert meines
Erachtens die Freude und ein Kaempfen fuer die Existenz jedes
Lebewesens, also auch die Freude und Zugeneigtheit an der Existenz
eines Menschen, ich verstehe nicht, wieso es nicht einmal bei den
Gruenen mehr so ist, dass man einen Menschen, der zu uns kommt,
eigentlich mit einem Laecheln und -- symbolisch gesprochen -- einem
Blumenstrauss begruessen moechte.

Mit enttaeuschten Gruessen,

*rosalia krenn*
*arge wehrdienstverweigerung und gewaltfreiheit*



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