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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 18. September 2013; 01:00
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Oe:

> Menschenrechte sind kein Einsparposten


NGO-Schattenbericht fordert Paradigmenwechsel: Menschenrechte muessen
Prioritaet in Politikgestaltung haben. -- Aussendung von FIAN
Oesterreich
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In wenigen Wochen wird der oesterreichische Staatenbericht ueber
wirtschaftliche, soziale und kulturelle (WSK) Rechte vor dem
zustaendigen UN-Komitee in Genf geprueft. Aus diesem Anlass
praesentierte das NGO-Buendnis WSK-Rechte Forum heute einen
Schattenbericht als zivilgesellschaftliche Gegendarstellung zum
Regierungsbericht. Zusaetzlich fuehrte das WSK-Rechte-Forum eine
Wahlbefragung aller wahlwerbenden Parteien durch und forderte
Stellungnahmen bzgl. der vorrangigsten menschenrechtlichen Defizite in
Oesterreich.

Empfehlungen von UN-Ausschuessen nicht umgesetzt

Menschenrechtsdefizite wie das Fehlen eines nationalen Aktionsplans
und einer nationalen Menschenrechtsinstitution nach den Pariser
Prinzipien* bestehen laut Schattenbericht bereits seit vielen Jahren.
Eine diesbezuegliche Empfehlung der allgemeinen Menschrechtspruefung
(Universal Periodic Review [UPR]) wurde von der Regierung abgelehnt.
"Menschenrechte sind mehr als nur Meinungsfreiheit, Recht auf
Privatleben und das Verbot von Folter: auch Arbeit, Bildung und
Gesundheitsversorgung sind Menschenrechte. Diese sind jedoch in der
oesterreichischen Verfassung nicht anerkannt, was im europaeischen
Vergleich ein ueberraschend negatives Faktum ist", so Marianne Schulze
von der Oesterreichischen Liga fuer Menschenrechte. "Die rechtliche
Einforderbarkeit von wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechten ist
dringend moeglich zu machen, zum einen durch verfassungsrechtliche
Anerkennung, zum anderen durch Beitritt zum Fakultativprotokoll fuer
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte."

Wachsende Armut und Diskriminierung als Folge

Die Orientierung an Menschenrechten ist in den meisten
Politikbereichen ausbaufaehig, so das Fazit des Schattenberichts.
Empfehlungen von UN-Ausschuessen werden in Oesterreich nicht
systematisch umgesetzt, sondern eher zufaellig abhaengig von
engagierten Einzelpersonen in den Ministerien.

Folgen der strukturellen Menschenrechtsdefizite sind systemische
Gewalt, anhaltende Fremdenfeindlichkeit, massive Benachteiligung von
Frauen, Migrant_innen, Asylwerber_innen und Menschen mit Behinderungen
sowie ein Ansteigen der Armut. Seit 2008 waechst die Armutsluecke
kontinuierlich, also die Differenz zwischen dem verfuegbaren Einkommen
in armutsgefaehrdeten und armen Haushalten und der Armutsschwelle (60%
des Medianeinkommens).

Besonders Asylwerber_innen sind von Verletzungen ihres Rechts auf
Nahrung betroffen. Mit einem Tagsatz von 19 Euro muessen die
Quartiergeber_innen Verpflegung, Hygieneartikel, Energiekosten und die
Organisation von Fahrtendiensten bestreiten.

Auch im Bereich der Mindestsicherung und der Invaliditaetspension
attestiert der Schattenbericht grobe Maengel. "Die Mindestsicherung
ist besser als die ‚alte' Sozialhilfe, aber immer noch nicht gut genug
fuer Oesterreich und den oesterreichischen Standard", so Jochen Prusa
vom Oesterreichischen Berufsverbands der SozialarbeiterInnen (obds).
Automatisierte Sanktionen in der Mindestsicherung und in der
Invaliditaetspension sind aus menschenrechtlicher Sicht aeusserst
problematisch.

Ein Kernbereich des Schattenberichts ist auch das Recht auf Wohnen.
2012 gab es mehr als 12.000 registrierte Wohnungs- und Obdachlose.
Etwa 5.000 Delogierungen wurden durchgefuehrt, wodurch fast 15.000
Menschen wohnungslos wurden. Auch internationale Verpflichtungen im
Visier

Das WSK-Rechte Forum fordert einen Paradigmenwechsel zur Ueberwindung
der politischen Krise. Die ausufernde soziale Notlage erfordert eine
Politik, die sich an menschenrechtlichen Standards orientiert. Anhand
der Artikel des internationalen WSK-Pakts zeigt der Bericht konkreten
Reformbedarf auf. Menschenrechte muessen fuer die Gestaltung von
Politik oberste Prioritaet haben.
(gek.)


Parallel- bzw. Schattenbericht des WSK-Rechte Forum zum 5.
Staatenbericht der Republik Oesterreich zum Internationalen Pakt ueber
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (WSK-Pakt):
http://www.fian.at/home/aktionen/parallelbericht2013/


* Anm. akin: Die 1993 von der Uno-Generalversammlung verabschiedeten
Pariser Prinzipien enthalten eine Reihe von Grundsaetzen fuer die
Ausgestaltung nationaler Menschenrechtsinstitutionen. Diese sollen
ueber eine juristische Grundlage, einen klaren Auftrag sowie eine
ausreichende Infrastruktur und Finanzierung verfuegen. Sie sollen
gegenueber der Regierung unabhaengig sowie pluralistisch
zusammengesetzt und vor allem fuer besonders schwache Gruppen
zugaenglich sein.



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