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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 11. September 2013; 01:24
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Oe / Sozial:
> Die Sauerei mit der Mindestsicherung
Niederoesterreich macht Koerberlgeld auf Kosten behinderter Menschen. 
Denn die diesbezueglichen 15a-Vereinbarungen sind nicht das Papier 
wert, auf dem sie geschrieben sind.
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Es ist schon verblueffend - und manchmal auch schockierend, mit 
welcher Dringlichkeit und Hartnaeckigkeit Regierung (Bund und 
Laender), bestimmte Parteien und Verwaltung finanzielle Ressourcen und 
Arbeitsenergie fuer angeblich "wichtige Themen" einsetzen. Fuer ein 
neues Lehrerdienstrecht etwa. Oder fuer bedingungslose 
Bankenrettungen, man denke nur an die Hypo-Alpe-Adria!
Aber wenn es darum geht, denen zu helfen, die - im Gegensatz zu den 
Banken - wirklich keine oder unzureichende finanzielle Mittel haben, 
dann sind weder Arbeitsenergie noch Geld vorhanden. Da wird dann jeder 
Cent mehrmals umgedreht und ganz laut gefragt, ob wir uns das alles 
noch leisten koennen, ob es nicht zu einfach ist, an die 
Sozialleistungen heranzukommen und ob es sich nicht allzu viele in der 
sozialen Haengematte bequem machen wuerden. Ich erinnere da nur an die 
Kampagne der OeVP gegen die Mindestsicherung in Wien. Oder an die 
ebenso ungustioese Kampagne der FPOe gegen die "Auslaender", die 
angeblich unser Sozialsystem ausnutzen wuerden.
Die Prioritaetensetzung zeigt auch, wie gleichgueltig und 
verantwortungslos mit armen und mittellosen Menschen umgegangen wird. 
Wenn ich mir etwa im Detail anschaue, wie die Bedarfsorientierte 
Mindestsicherung (BMS) in den Bundeslaendern umgesetzt wird, packt 
mich die Wut.
Da werden Menschen mit Behinderung, die die BMS beziehen, schikaniert 
und um ihre Rechte geprellt. Wie funktioniert das ?
Um die BMS umzusetzen, hat der Bund im Jahr 2010 mit den Laendern 
einen Staatsvertrag geschlossen: eine sogenannte 15a-Vereinbarung. Die 
Vertragsparteien verpflichteten sich, die vereinbarten Bestimmungen 
einzuhalten. Klingt unproblematisch - ist es aber nicht. Denn wenn 
sich einer der Vertragspartner nicht an die 15a-Vereinbarung haelt, 
passiert - nichts!
Konkret ist in der 15a- Vereinbarung eine Bestimmung enthalten, wonach 
alle Leistungen der Familienbeihilfe nicht auf die Mindestsicherung 
angerechnet werden duerfen. Alle Laender haben das akzeptiert und 
unterschrieben.
Einige Laender halten sich aber nicht an diese Vereinbarung! Sie tun 
so, als sei die "Familienbeihilfe" erwachsener Menschen mit 
Behinderung nicht von dieser Bestimmung erfasst.
Die 15a-Vereinbarung
Menschen bei denen schon vor ihrem 21. Lebensjahr eine koerperliche 
oder geistige Behinderung eingetreten ist, bekommen eine erhoehte 
Familienbeihilfe. Auch nach dem 24. Lebensjahr werden die 
Familienbeihilfe und der Erhoehungsbetrag ausbezahlt. Hier geht es um 
Menschen die nie arbeiten konnten und womoeglich nie arbeiten werden 
koennen. Bei vielen liegt eine intellektuelle Beeintraechtigung vor - 
die meisten Betroffenen werden von SachwalterInnen vertreten. 
Zuzueglich zur Familienbeihilfe haben sie einen Anspruch auf die BMS. 
So steht es in der 15a-Verordnung zur BMS.
"Gespart" wird nun folgendermassen: einige Bundeslaender betrachten 
die Familienbeihilfe als "Einkommen", das mit der BMS gegenverrechnet 
werden duerfe. Das widerspricht zwar ganz klar und eindeutig der 
15a-Vereinbarung, aber das macht den Laendern nichts aus, weil es kein 
Rechtsmittel zur Durchsetzung der 15a -Vereinbarung gibt!
In den Bundeslaendern Niederoesterreich, Kaernten und Oberoesterreich 
wird entgegen dem Staatsvertrag die Familienbeihilfe als Einkommen 
betrachtet und die Mindestsicherung deshalb heruntergesetzt!
Auf Kosten einer besonders wehrlosen Gruppe von Menschen wird da nicht 
nur "gespart", sondern auch ein Vertrag gebrochen. Kaltschnaeuzig, 
weil ohne Rechtsfolgen fuer das betreffende Bundesland! Ein 
niederoesterreichischer Landesjurist schreibt etwa, die 15a- 
Vereinbarung ueber die BMS sei irrelevant, "da aus dieser keine Rechte 
fuer den Einzelnen abgeleitet werden koennen". Es handelt sich bei der 
15a-Vereinbarung demnach um ein wertloses Stueck Papier. Haelt man 
sich dran, ist es gut. Haelt man sich nicht dran, dann ist es eben so. 
Aus!
Die betroffene Gruppe von Menschen mit Behinderung und dem Anspruch 
auf erhoehte Familienbeihilfe ist nicht gross. Es geht auch nicht um 
grosse Betraege, die da insgesamt eingespart werden koennen. Fuer die 
Betroffenen sind es aber rund 200 Euro Einkommen pro Monat weniger: 
also statt knapp 1.000 Euro im Monat eben nur die 773 Euro der 
Mindestsicherung. Und das bei einer Personengruppe, die wegen ihrer 
Behinderung erheblichen Aufwand etwa bei Gesundheitskosten hat!
Natuerlich ist das eine Sauerei auf Kosten wehrloser Menschen. Es ist 
auch ein Vertragsbruch, aber eben ohne wirksame rechtliche 
Konsequenzen. Ginge es um Banken oder Wirtschaftsfoerderungen - die 
Verantwortlichen wuerden sich das nie trauen!
Parlamentarisches
Die Gruenen brachten im Juni 2013 einen Gesetzesantrag ein, der auf 
sehr einfache Art und Weise diese Vertragsverletzung der Laender 
abstellen sollte.
Der Antrag wurde mit den Stimmen der OeVP und der SPOe abgelehnt.
Im Plenum des Nationalrats weigerte sich die Behindertensprecherin der 
SPOe, Christine Lapp, zum Sachverhalt ueberhaupt Stellung zu nehmen 
und redete voellig am Thema vorbei, ohne auf die vom Parlament 
zumindest urspruenglich so nicht vorgesehene Vorgehensweise der 
Laender anzusprechen.
Der OeVP-Hinterbaenkler Thomas Einwallner brillierte mit der Aussage: 
"Keine Sorge, die Laender wissen schon, was sie tun. Da mache ich mir 
keine Sorgen. Die Laender wissen, was sie tun."
Im Plenum des Nationalrats nicht zu Wort gemeldet hat sich der 
zustaendige Minister Hundstorfer. Im Ausschuss hingegen begruendete er 
die Ablehnung des Antrags mit angeblichen Verhandlungen mit den 
Laendern. Auch das ist irgendwie phantasievoll: Sozialminister 
verhandelt mit den Laendern, damit sie einen von ihnen selbst 
unterschriebenen Vertrag einhalten? In einem Rechtsstaat sollte das 
eigentlich selbstverstaendlich sein...
(Karl Oellinger auf seinem neuen Blog)
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Quelle: 
http://oellingersozial.net/2013/09/09/die-sauerei-mit-der-mindestsicherung
Anm.: Karl Oellinger macht mit seinem Blog auch 
Vorzugsstimmenwahlkampf. Nachdem ihn die Parteibasis auf Bundes- und 
Landesebene an beinahe unwaehlbare Stellen gelistet hat, versucht er 
jetzt direkt in den Nationalrat zu gelangen -- was allerdings nur 
moeglich ist, wenn seine Fans auch gruen waehlen.
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