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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 11. September 2013; 01:34
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Das Vorletzte:

> Von Geheimdienstposten, die man beschuetzen muss, obwohl sie gar
> nicht da sind

In der Wiener Poetzleinsdorferstrasse 126-128 steht die mittlerweile
nicht mehr ganz so geheime US-Liegenschaft, die im Verdacht steht, ein
Lauschposten der NSA zu sein. Das ist sie natuerlich nicht, denn der
Direktor des Bundesamts fuer Verfassungsschutz und
Terrorismusbekaempfung (BVT), Peter Gridling, dementiert gegenueber
der APA "saemtliche" "Vorwuerfe", wonach sich in der Villa ein
Horchposten des NSA befinden solle. Zumindest habe man davon "keine
Kenntnis". Und ueberhaupt behalte man sich beim BVT rechtliche
Schritte gegen "sogenannte Informanten" vor, die etwas anderes
behaupten. Also erstens weiss man von nichts, zweitens ist es nicht
wahr und drittens will man alle verklagen, die etwas behaupten, von
dem man nichts weiss. Und die OeVP-Innenministerin weiss sowieso von
nichts, fordert per Aussendung weiterhin ein "No-Spy-Abkommen" mit den
USA und ueberhaupt arbeite hoechstens das Verteidigungsministerium mit
der NSA zusammen und da sei der Verteidigungsminister verantwortlich,
der ja der SPOe angehoert.

Wer sich allerdings die Villa genauer anschauen moechte, wird sofort
von der Polizei nach seinen Daten gefragt. Deswegen startete am
letzten Sonntag ein "Spaziergang fuer Freunde der
Architekturphotographie" in die Poetzleinsdorferstrasse, um dort das
ehrwuerdige Gemaeuer abzulichten. Die Polizei schritt nicht ein, denn
dazu war die ganze Sache wohl schon zu heiss. Kurz vorher allerdings
wollte Raphael Wegmann das Gelaende in Augenschein nehmen und machte
auch ein Photo von der Villa. Den etwas surrelaen Dialog, der sich
daraufhin zwischen ihm und einem herbeigeilten Polizisten entspann,
dokumentierte Wegmann auf seinem Blog -- ein Kleinod oesterreichischer
Behoerdenmentalitaet, die das nicht ganz saubere Verhaeltnis der
Bundesregierung zu US-Geheimdiensten im Ganzen recht anschaulich
dokumentiert:
*

Polizist: Sie duerfen hier zwar ein Bild machen, aber ich muss von
ihnen einen Ausweis verlangen und ihre Daten festhalten.

Ich: Das kann nicht rechtens sein. Solange ich kein Delikt begehe,
muss ich mich auch nicht ausweisen.

P: Glauben Sie wirklich?

I: Ja, das steht im Gesetz.

P: Sind sie da sicher?

I: Sie sollten es eigentlich kennen.

(Der Polizist wendet sich von mir ab, und ruft den Group4
Sicherheitsdienst-Mitarbeiter des US-Lauschpostens.)

P: Er gibt mir keine Daten her. Er muss mir die Daten geben. Geh' hol
mir einen Funkwagen her bitte. Mein Handy ist leer, und das Funkgeraet
ist auch vor zwei Minuten leer geworden.

(Ich verabschiede mich vom Polizisten und setze mich auf mein Fahrrad.
Der Polizist haelt meinen Lenker fest und sagt:)

P: Sie fahren nicht. Ist das klar bitte? Ich brauch' einen Ausweis.

I: Bin ich festgenommen?

(Der Polizist haelt immer noch meinen Lenker fest.)

P: Nein, sie sind nicht festgenommen.

I: Dann darf ich jetzt fahren bitte.

P: Nein, Sie duerfen ganz sicher nicht fahren.

I: Dann bin ich festgenommen.

P: Nein, Sie sind nicht festgenommen.

I: Wenn Sie mich nicht fahren lassen, dann bin ich festgenommen.

P: Wollen Sie's darauf ankommen lassen?

I: Weshalb nehmen Sie mich jetzt fest? Weil ich in der Oeffentlichkeit
ein Foto gemacht habe?

P: Nein, weil Sie mir keinen Ausweis geben. Aus dem Grund.

I: Ja, aber ich muss ihnen keinen Ausweis geben, wenn Sie mir nicht
sagen koennen weshalb. Weil ich ein Foto gemacht hab, muss ich mich
jetzt ausweisen?

P: Das ist ein U.S.-Objekt.

I: Wo steht das? Wissen Sie, dass es verboten ist einen auslaendischen
Geheimdienst zu schuetzen?

P: Huh? Wer sagt das?

I: § 319 Strafgesetzbuch.

P: Dann ist die U.S. Botschaft zu schuetzen also auch verboten?

I: Nein, die U.S. Botschaft zu beschuetzen ist nicht verboten.

P: Wer sagt, dass das ein Geheimdienst ist?

I: Das stand heute in allen Zeitungen.

P: Dass es verboten ist, glauben aber nur Sie. Wenn die Behoerde den
Auftrag gibt, dass wir hier stehen und den beschuetzen muessen, dann
glaub ich schon ...

I: ... dann verstoesst bereits die Behoerde gegen das Gesetz.

P: Das interessiert mich aber wenig. Ich hab die Pflicht das zu
schuetzen. Ok?

I: Aber Sie muessen sich schon ans Gesetz halten, oder?

P: Ich halte mich an meine Anweisungen.

I: Sie muessen die Gesetze einhalten, egal welche Befehle sie
bekommen.

P: Ich glaub ich hoere schlecht, bitte. Einen auslaendischen
Geheimdienst zu schuetzen, das ist ihrer Meinung nach verboten?

I: Ja, § 319 Strafgesetzbuch.

P: Dann handeln wir schon seit 30 Jahren ungesetzlich.

I: Ja, wahrscheinlich.

(Weil ich nicht glaube, dass mich der Polizist ohne
Identitaetsfeststellung fahren laesst, gebe ich ihm dann doch meinen
Fuehrerschein. Waehrend er sich ganz langsam die Daten meines
Fuehrerscheins notiert, sagt er noch.)

P: Wir werden den Funkwagen fragen, ob ein auslaendischer Geheimdienst
zu schuetzen ist. Wenn das naemlich verboten waere, dann waere mir das
nur recht, wenn ich ganz ehrlich bin. Da haette ich nichts dagegen.

(Er hat mir immer noch nicht seine Dienstnummer genannt, und laesst
sich jetzt besonders viel Zeit, damit die Verstaerkung (der Funkwagen)
kommt bevor die Identitaetsfeststellung beendet ist.)

P: Wenn Sie so klug sind und glauben, dass das verboten ist, warum
haben sie sich nicht schon laengst an die diversen Medien gewandt? Das
verstehe ich nicht.

I: Warum soll ich mich an die Medien wenden? Wenn das verboten ist,
dann sollte ich mich eher ans Gericht wenden und Anzeige erstatten.

P: Das koennen Sie machen.

I: Ja klar, Sie wollen mich ja auch anzeigen.

P: Ich zeige sie nicht an, bitte. Warum soll ich sie anzeigen? Sie
haben ja nichts Verbotenes gemacht.

I: Warum schreiben sie dann meinen Namen auf?

P: Weil ich jeden aufschreiben muss, der hier Fotos macht.

(Immer noch malt er jeden Buchstaben langsam von meinem Fuehrerschein
ab. Und dann fragt er nochmal nach.)

P: Ich verstehe nicht, was da ihrer Meinung nach verboten sein soll.
Ich stehe hier verbotenerweise von der Behoerde? Und die Behoerde ist
das Innenministerium.

I: Ja. Das ist interessant, aber das ist so.

P: Das gibt's ja nicht, bitte. Glauben sie wirklich, dass das so ist?

I: Das steht im Gesetz.

(Nachdem er mich noch nach meinem Beruf gefragt hat, ist er endlich
bereit mir seine Dienstnummer zu geben.)

I: Darf ich jetzt gehen?

P: Nein, ich bin ja noch nicht fertig mit aufschreiben. Haben sie das
noch nicht gemerkt?

(Jetzt faengt er noch vom Puls4 TV-Team zu reden an, deren Daten er
selbstverstaendlich ebenfalls aufgenommen hat. Er ist zwar laengst
fertig, wartet aber immer noch auf den Funkwagen und will mir meinen
Ausweis nicht zurueckgeben.)

I: Darf ich meinen Ausweis jetzt bitte wieder haben, oder bin ich
festgenommen?

P: Sie muessen warten bis ich die Daten fertig aufgeschrieben hab. Ich
weiss noch nicht, wo Sie wohnen.

I: Das brauchen sie auch nicht zu erfahren.

(Der Polizist ruft noch einmal ganz verzweifelt in sein anscheinend
doch nicht ganz leeres Funkgeraet: "Ich brauch den Funkwagen bitte,
dringend!" - "Zum Objekt U.S.")

I: Schauen Sie, wenn Sie mich anzeigen wollen, koennen sie das machen.
Warum muss ich noch auf den Funkwagen warten?

P: Ich kann sie nicht anzeigen, weil sie haben kein Delikt begangen.
Sie haben nur gefilmt, und ich hab hier die Anweisung alle, die hier
filmen oder fotografieren aufzuschreiben. Ich hab die Anweisung nicht
gemacht. Ich tue hier nur meine Pflicht.

I: Ja, sie sind sehr pflichtbewusst.

P: Und wenn das verboten ist, dann ist mir das nur recht.

I: Wir werden sehen, ob Ihnen das so recht ist.

P: Ihre Addresse bitte, wenn sie mir das noch sagen.

I: Nein, die sag ich Ihnen nicht. Ich bin nicht dazu verpflichtet. Sie
koennen ja im Melderegister nachschauen. Darf ich meinen Fuehrerschein
wieder haben?

(Widerwillig gibt er mir dann letztlich doch meinen Ausweis zurueck.)

I: Danke. Auf Wiedersehen!

(Auf meinem Rueckweg kommt mir dann die Funkstreife mit Blaulicht(!)
entgegen.)
*

Bleibt noch anzumerken, dass die US-Institution in der Villa nun
geschlossen werden solle. Dies habe aber nichts mit der derzeitigen
Diskussion zu tun, liess die US-Botschaft verlauten. Denn in dem Haus
sei lediglich ein "Open Source Center" untergebracht, in dem
oeffentlich zugaengliche Informationen aus aller Welt ausgewertet
wuerden. Gegenueber "Futurezone" meinte der Sprecher der US-Botschaft
aber, dass sich diese Aufgaben nun ueberholt haetten. Bleibt nur die
Frage, warum das Innenministerium dann darauf so erpicht war, dieses
"Open Source Center" derartig zu ueberwachen...
(akin)


Quelle des unfreiwilligen Polizisteninterviews:
http://auspacken.wordpress.com/2013/09/06/objekt-u-s/



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