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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 6. August 2013; 22:16
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Polizei/Regierung/Medien/Fremd/Glosse:
> Nachtigallen im Nebel
Ungeordnete Anmerkungen zum Fluechtlingsdrama
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War das alles eine Inszenierung? Wenn ja, dann eine schlechte -- oder 
einfach eine mit zu vielen Regisseuren.
Am 23.Juli erhielten 20 Fluechtlinge aus dem Servitenkloster 
Benachrichtigungen ueber den Einsatz des "gelinderen Mittels" -- also, 
dass sie sich taeglich bei der Polizei melden muessten. Damit koenne 
Schubhaft einstweilen zumindest vermieden werden. Seltsam war dabei, 
dass sie sich, obwohl alle an der selben Adresse aufhaeltig, auf 
verschiedenen Wachstuben melden sollten -- und dass diese 
Benachrichtigungen in Deutsch und jeweils in Hindi, afghanischem 
Pashtu oder Bangali verfasst waren, Sprachen, die keiner der 
Fluechtlinge beherrschte. Zumindest ein Bescheid war in der 
Fremdsprache ueberhaupt unleserlich, weil offensichtlich ein 
Software-Fehler unverstaendlichen Computercode statt einer 
menschlichen Sprache wiedergab. War die Entscheidung, diese 
Benachrichtigungen auszuschicken, so kurzfristig gekommen, dass bei 
der Polizei derart geschlampt worden war?
Auf alle Faelle riskierte die Polizei damit, dass die Fluechtlinge 
diese Bescheide nicht verstehen haetten koennen. Ohne die Hilfe von 
NGOs, die ihnen die Bescheide uebersetzten, haetten die Fluechtlinge 
ihrer Meldepflicht nicht nachkommen koennen -- und waeren damit erst 
recht zur Schubhaftverbringung ausgeschrieben worden.
Kaum waren aber diese Bescheide draussen, wurden einige der 
Betroffenen schon bei ihrer Polizeimeldung festgenommen. Hier liegt 
die Vermutung nahe, dass man keine Festnahmen im Servitenkloster 
machen wollte, damit die Sache ohne groesseres Aufsehen ueber die 
Buehne gehen koenne. Dafuer spricht auch der Zeitpunkt: Ein Sonntag 
mitten im Hochsommer, wo mediale Aufmerksamkeit, Demonstranten und 
Anwaelte nicht so leicht mobilisierbar erschienen.
Das wiederum passt allerdings nicht zu der ebenfalls nicht voellig 
haltlosen Annahme, dass die Abschiebungen wahlkampfbedingt gewesen 
seien -- es sei denn, man wollte oeffentlich Haerte zeigen, aber keine 
Festnahmen auf Kirchenboden. Moeglich. Moeglich ist aber auch, dass 
das alles wirklich kein Kalkuel war, sondern einfach nur die 
alltaegliche behoerdlich Abschiebepraxis, die halt ausnahmsweise hier 
in einem politisch besonders heiklen Fall passierte.
Leise ging das Ganze aber sowieso nicht ab. Kurz nach den Festnahmen 
gab es die erste Spontankundgebung -- die Polizei wollte sie 
untersagen, liess es aber nicht zur Eskalation kommen. Wollte man also 
wirklich keine Wickel von seiten der Polizeifuehrung oder der 
Innenministerin? Zu einer Eskalation kam es erst Tage spaeter, als die 
Demos fast ununterbrochen Tag und auch Nacht weitergingen und die 
Innenministerin sich auf Rechtskonformitaet und unabhaengige Gerichte 
berief, weil ihr nichts mehr anderes einfiel.
Wiedermal die Krone des Boulevards
Nur drei Tage nach den Schubhaftfestnahmen kam zu den Verhaftungen im 
Servitenkloster wegen des Verdachts der Schlepperei. Die 
Kronen-Zeitung posaunte auch gleich die abenteuerlichsten 
Ausschmueckungen der Polizeibehauptungen aus -- noch dazu in der ihr 
eigenen Art, wo jeder Verdacht einem letztinstanzlichen Urteil 
gleichgesetzt wird
War das absichtslose Koinzidenz? War es der Zufall, der Regie fuehrte?
Irgendwie moegen gelernte Oesterreicher nicht so recht daran 
glauben -- auch weil der Vergleich mit der "Operation Spring" 1999, 
die kurz nach dem Tod von Marcus Omofuma und wenige Monate vor der 
Nationalratswahl stattgefunden hatte, sehr nahe liegt.
Moeglicherweise waren auch die jetzigen Festnahmen schon lange 
vorbereitet worden -- juengste Andeutungen sprechen auch von einer 
moeglichen Strafverfolgung wegen "krimineller Vereinigung", da gegen 
mehr als zehn Personen ermittelt werde. Das aber wiederum koennte eine 
Rechtfertigung fuer schon laenger andauernde Lauschangriffe und 
aehnlich invasive Mittel gewesen sein. Was wiederum die Frage 
aufwirft: War der Zeitpunkt der Festnahmen ausgerechnet jetzt 
polizeilich wirklich rechtfertigbar? Und gab es da ueberhaupt keine 
Einmischung durch die Innenministerin?
Die Nachtigallen, die da trappsen, sind mittlerweile Legion.
Die Berichterstattung der Krone war auf alle Faelle fuer Polizei und 
OeVP Gold wert. Die Polizei wird sich sicher auch in Zukunft der Krone 
fuer solche Texte erkenntlich zeigen. Doch die Krone hat fuer ihre 
Vorverurteilungen eine durchaus glaubwuerdige Begruendung: "Wie bei 
jeden anderen Ermittlungen auch, berichten wir laufend ueber die 
Verdachtsmomente. Sonst haetten wir ja nur mehr eine 
Gerichtsberichterstattung, wenn der Prozess laeuft." Das schreibt 
Christoph Budin, stellvertretender Ressort-Chef der Krone, an einen 
empoerten Leser. Und das ist einfach nur die Logik leider nicht nur 
des Boulevards. Denn wuerden kommerzielle Medien nicht ueber laufende 
Ermittlungen berichten, haetten sie ueberhaupt keine Geschichten mehr, 
die die Leute gerne lesen. Fragezeichen, Konjunktiv, Zitatform und 
eine echte Unschuldsvermutung, die sich durch den Tonfall der ganzen 
Berichterstattung zieht und nicht nur ein bedeutungsloser Nebensatz 
ist -- das ist alles viel zu kompliziert. Und wer die Schlagzeile erst 
bringt, wenn ein ordentliches Gericht den Verdacht naeher untersucht, 
und wer dann den Prozess vielleicht auch noch kritisch begleitet, hat 
in einer Medienlandschaft, die prompte Erschlagzeilen braucht, kaum 
Chancen bei einem Massenpublikum.
Eiertanz der SPOe
Diesem Massenpublikum hingegen gar keine Angriffsflaeche bieten wollte 
die SPOe, deren Spitzenvertreter anfangs so taten, als ginge sie das 
gar nichts an und das waere alles eine Sache des OeVP-gefuehrten 
Innenressorts. Einzig Barbara Prammer reagierte prompt und meinte 
schon am Tag nach den Verhaftungen, sie appelliere an Mikl-Leitner, 
sich doch noch eine humanere Loesung zu ueberlegen. Und auch Prammer 
glaubte nicht recht an einen Zufall: "Ich kann nur appellieren, den 
Wahlkampf nicht auf dem Ruecken der Fluechtlinge zu machen - das ist 
ungeeignet und nicht menschenwuerdig".
Doch die Schrecksekunde in der SPOe-Fuehrung auf Prammers Ansage 
dauerte zwei Tage. Und dann kam Bundesgeschaeftsfuehrer Norbert 
Darabos, verteidigte Mikl-Leitner und war sichtlich dankbar, dass 
mittlerweile die Schlepper-Geschichte aufgetaucht war, auf die zu 
verweisen er sich auch nicht verkneifen konnte. Dagegen wiederum fand 
von den SPOe-Spitzenvertretern nur noch der OOe-Parteichef Josef 
Ackerl klare Worte -- allerdings sehr klare: "Ich stehe weder vor noch 
hinter Mikl-Leitner und habe diese Frau satt. Habe noch nie gehoert, 
dass Spindelegger hinter Heinisch-Hosek und Schmied steht", liess er 
Norbert Darabos ueber Facebook ausrichten.
Theater? So quasi: Wir haben fuer die Law-and-Order-Waehlerschaft den 
Darabos und fuer die Gutmenschen die Prammer und den Ackerl?
Oder war es einfach nur Panik von seiten des Geschaeftsfuehrers und 
echte Empoerung aus Oberoesterreich? Auf alle Faelle bleibt die Frage: 
Wofuer genau steht jetzt eigentlich die SPOe?
Fakt ist: Zumindest vier der Servitenklosterfluechtlinge sind 
abgeschoben worden. Ob das dem Wahlkampf zu verdanken ist, wissen wir 
nicht.
Die Fluechtlinge, die in Pakistan gelandet sind, haben jetzt wohl 
andere Sorgen. Aber wir hier sind mit Nebelbomben zugepflastert, kaum 
jemand weiss mehr, was hier gespielt wird und warum. Und auf dieser 
Informationsbasis wird im September gewaehlt. Nach der Tragoedie der 
abgeschobenen und den Aengsten der hier noch verbliebenen Fluechtlinge 
ist vielleicht der dritte Skandal, wie in Oesterreich Beamtentum und 
Politik agieren.
*Bernhard Redl*
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