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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 3. Juli 2013; 03:55
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Glosse:
> Die Verantwortungstraeger
Neulich laeutet es an meiner Haustuer. Die WEGA, drei Mann und eine 
Frau hoch, begehrt Einlass. Die Beamten wollen jemanden im Haus 
sprechen. Sagen sie. Einen meiner afrikanischen Nachbarn. Unsicherheit 
meinerseits. Hausrecht habe ich ja nur in meiner Wohnung. Kann ich sie 
da auch von der Haustuer abweisen? Und wenn ich das tue, wie geht das 
dann aus? Doch da sind sie schon im Haus. Die Wohnung, zu der sie 
wollen, haben sie schnell selbst gefunden. Die Tuer ist nicht 
abgesperrt. Was ich jetzt noch tun kann, ist den Zeugen markieren. Sie 
betreten die Wohnung einfach. Mit gezogener Waffe, den Lauf horizontal 
haltend. Man kann nur hoffen, dass da keiner stolpert, wirklich 
sichern kann man ja eine Glock nicht. Sie finden den Betroffenen 
nicht. Nein, sie wollten ihn gar nicht verhaften, er muesse nur etwas 
unterschreiben. Dazu kommen vier Beamte einer Sondereinheit. Und 
halten die Glock schussbereit.
Wenige Tage zuvor war die Geschichte in Liesing passiert, wo acht 
WEGA-Beamte ausgerueckt waren, um einen Ausgezuckten mit einem Messer 
festzunehmen. Der Ausgang ist bekannt: Vier der Beamten feuerten und 
konnten dann nur mehr den Leichnam des Delinquenten sicherstellen. 
"Laut Insidern duerfte der Einsatz wegen der Enge im Stiegenhaus 
tragisch geendet haben. Denn auf fuenf bis sechs Quadratmetern 
bewegten sich acht Beamte und das spaetere Schussopfer. Sichtachsen 
waren verstellt, Bewegungsfreiheit kaum gegeben." (Kurier, 25.6.) Was 
fuer ein Glueck da die Beamten gehabt haben muessen, dass sie bei dem 
Durcheinander genau nur den einzigen Nichtbeamten getroffen haben.
Nein, man wundert sich gar nicht mehr ueber derlei. Zu oft passieren 
solche Einzel- und Ungluecksfaelle. Man wundert sich nur, dass jetzt 
doch die Staatsanwaltschaft wegen fahrlaessiger Toetung ermittelt. 
Sollte das Verfahren nicht sowieso vorzeitig eingestellt werden, ist 
die Hoechststrafe 8 bis 11 Monate bedingt. Das ist das Standardurteil 
fuer Polizisten, denn damit koennen sie nach Disziplinarrecht auch 
weiterhin ihren Dienst versehen.
Von der Polizei zur Justiz: Der Fall eines 14jaehrigen, der in U-Haft 
vergewaltigt worden war, machte nun die Zustaende in den 
Jugendabteilungen unserer Gefaengnisse publik. Und er blamierte eine 
Justizministerin, die zur Rechtfertigung meinte, dass Strafvollzug 
nunmal "kein Paradies" sei. Einmal abgesehen davon, dass es sich bei 
dem Betroffenen praktisch um ein Kind handelt und U-Haft kein 
Strafvollzug sein kann -- was ist das fuer eine Aussage? Ist 
Vergewaltigung durch Mitgefangene Teil der Bestrafung?
Aehnliches gilt -- unabhaengig von den nun teilweise aufgehobenen 
Freispruechen -- fuer den Tierrechtlerprozess: Der Staat strengt ein 
voellig unzureichend fundiertes Verfahren an und nach den 
Freispruechen sagt er: 'Wir haben uns geirrt, ihr seid jetzt frei'. 
Dass da mit diesem Verfahren Existenzen zerstoert worden sind, ist dem 
Staat egal. Entschaedigung? Dafuer hat der Staat leider kein Geld. Das 
hatte er nur fuer den Ermittlungsaufwand. Denn der Prozess ist selbst 
die Strafe -- da hilft auch kein Freispruch.
Es geht hier um Prinzipielles: Der Staat besitzt Machtmittel, 
Menschen -- aus welchen Gruenden auch immer -- in seine Gewalt zu 
bekommen. Er kann dann mit ihnen praktisch machen, was er will. Und 
die Amtstraeger tun das auch oft genug. Nur duerfen sie vieles davon 
eben nicht. Oder sollten es nicht duerfen. Denn der Staat uebernimmt 
mit seinem Gewaltmonopol auch Verantwortung fuer das Leben der 
beamtshandelten Menschen. Jedoch scheinen die fuer die Beamten eben 
oft nur Delinquenten zu sein. Deren Leben ist nicht viel wert. Mit 
oder ohne Richterspruch haben sie alle Menschenrechte verwirkt -- in 
dieser Haltung werden Polizei- und Justizwachebeamte oft auch auf 
Stammtischen und in Webforen bestaetigt. Denn was die Justizministerin 
gesagt hat, ist auch die Meinung eines nicht unerheblichen Teils der 
Vox Populi. Der Fehler der Ministerin war nur, dass sie es in dem Fall 
eines 14jaehrigen gesagt hat.
Es bedarf einer Politik, die klar macht, dass Macht wirklich auch 
Verantwortung bedeutet und dass die Garantie der Menschenrechte nicht 
genau in dem Moment verfaellt, wenn ein Mensch gerade dringend ihrer 
bedarf. Doch die Macht korrumpiert die Beamten, die Angst vor dem 
Stammtisch die Politiker. Und letztlich ist das Schicksal der Justiz 
anheimgefallener Menschen dem Stammtisch egal -- im Gegenteil, die 
Vergewaltigungspraxis in unseren Gefaengnissen ist Gegenstand ekliger 
Witze. Die Vernichtung der Menschenwuerde gehoert auch weiterhin 
unausgesprochen zum Strafrepertoire unserer Gesellschaft.
Eine politische Kursaenderung ist also nicht zu erwarten. Die 
Menschrechte werden auch weiterhin in dem Moment obsolet werden, wo 
man in den Lauf einer Glock schaut.
*Bernhard Redl*
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