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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 19. Juni 2013; 02:29
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Glosse/Gruene:
> Honecker waere stolz gewesen
Zur Regierungsbildung in Salzburg
Nach dem Erdrutschsieg der Salzburger Gruenen bei den Landtagswahlen 
ist jetzt die neue Koalition fix. Nur wenige Tage nachdem das Team 
Stronach verkuendete, es wuerde Gewerkschaften am liebsten abschaffen, 
begannen die Gruenen Verhandlungen mit eben diesem sowie der seit Jahr 
und Tag in der Regierung vertretenen Volkspartei. Dieser wurde dann 
auch der Posten des Landehauptmanns zugeschoben. Dazu erhaelt die OeVP 
all jene Ressorts, in denen wirklich Geld und Einfluss liegt: 
Wirtschaft, Tourismus, Bildung, Arbeitsmarkt, Finanzen, Landwirtschaft 
und Personal. Den neoliberalen Einpeitschern vom Team Stronach 
sicherte man das Verkehrs- (und besonders skandaloes) das 
Wohnungsressort. Dafuer wurde fuer die gruene 
Landeshauptmannstellvertreterin Roessler ein eigenes 
"Nachhaltigkeitsressort" geschaffen, dessen wohl eher gering 
einzuschaetzendes Gewicht gleich im ersten Punkt des entsprechenden 
Abschnitts im Koalitionsuebereinkommen herauszulesen ist: "Natur- und 
Artenschutz sollen vermehrt in der Oeffentlichkeit thematisiert und 
beworben werden, unter anderem auch im Rahmen des Aufgabenbereiches 
der Naturschutzbeauftragten." Natuerlich sind Natur- und Artenschutz 
etwas Positives. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass Sumpfdrosseln 
und vergleichbares Getier in der Regel bei politischen Entscheidungen 
weniger ins Gewicht fallen als die Interessen von Wirtschaft, 
Tourismus, Landwirtschaft (OeVP). Zum Umweltschutz bekommen die 
Gruenen noch weitere "softe" Bereiche, wie Kultur sowie Jugend, 
Familien, Soziales. Wie gut ausgestattet die Gruenen Ressorts hierbei 
sind sieht man auch an der Kritik des Dachverbandes Salzburger 
Kulturstaetten (Vertretung von ca. 75 zeitgenoessischen 
Kultureinrichtungen), die zu Recht bemaengeln, dass die Finanzierung 
der Kultur im Arbeitsuebereinkommen keine Erwaehnung findet. Bisher 
wurde nur ein Zehntel des Kulturbudgets fuer freie Kunst verwendet. Es 
ist mehr als fraglich, ob sich das aendern wird.
Es geht aber nicht um ein mehr oder weniger schlechtes Arbeitsergebnis 
der Gruenen, sondern um die Koalition als solche. Mit dem Team 
Stronach zu koalieren bedeutet die neoliberale Sekte des 
verhaltensauffaelligen Multimilliardaers salonfaehig zu machen. Auch 
wenn der Salzburger Ableger des Vereins bei Zeiten eher 
harmlos-einfaeltig wirkt geht es um die Gruppe an sich. Im 
Grundsatzprogramm wird eine (noch) strengere Handhabung des Asylrechts 
gefordert, man will Privatisierungen durchpeitschen und fordert die 
Ausschaltung der wichtigsten Organisationen von ArbeitnehmerInnen - 
die Gewerkschaften (ein Programmpunkt der in Oesterreich zuletzt 
uebrigens von Dollfuss und Hitler durchgesetzt wurde). Mit dieser 
rechten, neoliberalen Fuehrerpartei legen sich die Gruenen ins 
koalitionaere Bett. Mit diesem Buendnis wird der OeVP wiederum der 
Sitz des Landeshauptmanns zugesichert. Das liegt im oesterreichweiten 
Trend. In Oberoesterreich koalieren die Gruenen bereits mit der OeVP 
und betreiben mit ihr gemeinsam Sozialabbau und Kuerzungen im 
Gesundheitsbereich. Man ist offensichtlich bereit alles in Kauf zu 
nehmen um endlich an die Macht zu kommen.
Auch um die Basis musste sich die Gruene Partei in Frage der 
Regierungsbeteiligung keine Sorgen machen; die OeVP entschied auf 
hoeherer Ebene und Stronach hat keine Basis die es zu befragen gaebe 
(Stichwort: "Ich bin der, der die Werte vorgibt!"). Die Gruene 
Parteifuehrung war sich ueber die Linientreue ihrer Mitglieder so 
sicher, dass sie bereits am Tag vor der Landesversammlung auf ihrer 
Homepage die Annahme des Programms und die Zustimmung zur Regierung 
bekanntgab obwohl noch von "?? Prozent der Mitglieder" geschrieben 
wurde). Da hatte sie dann auch nicht unrecht. Mit einem Ergebnis, das 
Honecker stolz gemacht haette, stimmten bei einer Enthaltung und einer 
Gegenstimme 110 der 112 Anwesenden fuer das Regierungsprogramm und die 
Koalition. Alleine das verdeutlicht wie wenig fortschrittliches und 
kritisches Potenzial in der Partei vorhanden ist (etwa 1,79 Prozent, 
wenn die Enthaltung mitgerechnet wird).
Christkindel-Uebereinkommen
Fuer was wurde da gestimmt? Der groesste Teil des 
Arbeitsuebereinkommens zwischen OeVP, Gruenen und Stronach besteht aus 
nett klingenden Absichtserklaerungen und Wuenschen. Man haette die 
Praeambel auch mit "Liebes Christkind," beginnen koennen. 
Finanzierungsvorschlaege oder auch nur konkrete Zahlen kann man auf 
den 74 Seiten lange suchen. Dafuer stolpert man ueber einige 
bemerkenswerte Anwandlungen bzw. faellt auf, welche entscheidenden 
Punkt gerade nicht angesprochen werden. So erklaeren die 
Koalitionspartner zwar, sie wollen "den Arztberuf staerken" und 
verstehen darunter "wettbewerbsfaehige Entlohnung, verbesserte 
Arbeitsbedingungen". KrankenpflegerInnen und deren teils prekaeren 
Arbeitsbedingungen und Loehne bleiben aber unerwaehnt. Ohne AerztInnen 
ihr Einkommen streitig machen zu wollen - die absolute Mehrheit der 
Beschaeftigten im Gesundheitsbereich sind Pflegekraefte, die meisten 
von ihnen Frauen. Und gerade diese sind es, denen ein deutlich 
hoeheres Gehalt zusteht als sie jetzt erhalten. Dazu schweigt man sich 
aus, was eindeutig ein Anknuepfen an die Nulllohnrundenpolitik der 
Burgstaller-Haslauer-Regierung erinnert. Zur Pflege wird nur eine 
abstrakte "Aufwertung der Pflegehilfeausbildung" genannt, was 
erfahrungsgemaess v.a. ein paar Lippenbekenntnisse und anerkennendes 
Schulterklopfen bedeutet.
Allgemein scheinen im Gesundheits- und Sozialbereich Kuerzungen 
anzustehen. Das wird zwar nicht offen ausgesprochen, aber diverse 
Punkte legen dies nahe: So sollen Wege entwickelt werden, Kinder 
"gemeindeuebergreifend zu betreuen" (lies: Schliessung von 
Kindergaerten in kleinen Gemeinden). Man will eine "Staerkung des 
Systems der pflegenden Angehoerigen durch Gemeinwesenarbeit, Staerkung 
der Eigenverantwortung der Buergerinnen und Buerger im sozialen 
Nahfeld." Real bedeutet dies Pflege von aelteren oder 
beeintraechtigten Menschen aus der oeffentlichen Hand auszulagern und 
die kostenguenstig von (meist weiblichen) Angehoerigen durchfuehren zu 
lassen, die dafuer nicht selten ihre Arbeit und Privatleben aufgeben 
muessen. Die Parteien stellen fest: "Ehrenamtliche koennen die 
Fachkraefte im Sozial- und Gesundheitswesen in vielen Bereichen 
sinnvoll ergaenzen." Das stimmt schon, die Betonung des Ehrenamtes hat 
in der Vergangenheit jedoch immer den Abbau regulaerer Arbeitskraefte 
und deren "Ersatz" durch unbezahlte Freiwillige bedeutet, was nicht 
nur Arbeitsplatzverlust und Lohndrueckerei sondern auch 
Qualitaetsverlust zur Folge hatte und hat. Zudem will man in den 
Salzburger Landeskliniken die "Vor- und Nachteile bezueglich der 
direkten Beschaeftigung von neu eintretenden Mitarbeitern und 
Mitarbeiterinnen" abwaegen. Bedeutet real: Auslagerung und Anstellung 
von Menschen die in der Regel zu deutlich schlechteren Bedingungen 
beschaeftigt sind als das Stammpersonal.
Zentrale Frage in Salzburg, insbesondere in der Landeshauptstadt, ist 
die des Wohnens. Wohnbau durch die oeffentliche Hand wird nicht einmal 
erwaehnt. Man will durch eine Ummodelung der Wohnbaufoerderung 
privaten Investoren bessere Anreize liefern. Diese haben aber noch nie 
(und werden auch nie) fuer die Interessen der Menschen gebaut, sondern 
immer nur solche Immobilien, von denen sie die hoechsten Profite 
erwarten. Die Vorschlaege sind entweder abstrakt, wie etwa "Massnahmen 
zur Mobilisierung von leerstehendem Wohnraum" oder sind peinliche 
Versuche, sich um die Aufgabe, neuen Wohnraum zu errichten, zu 
druecken: "Ausbau von Dachboeden". In der Stadtplanung sollen die 
"Orts- und Stadtkerne [...] Schwerpunkt fuer die Versorgung der 
Bevoelkerung sein." Was irgendwie logisch klingt; hat aber in den 
letzten Jahrzehnten v.a. in der Landeshauptstadt bedeutet, dass rund 
um einen Handels-, Gastronomie- und Kulturschwerpunkt in der 
Innenstadt real Schlafsiedlungen stehen, in denen man oft wenig mehr 
Infrastruktur als einen Supermarkt und eine Trafik findet. Der Punkt 
staerkt zwar die alteingesessenen HaendlerInnen, Gastronomen etc. (und 
fuer die ist er auch da), bedeutet aber dass die geringe 
Attraktivitaet und Praktikabilitaet der Nicht-Innenstadtbezirke 
weiterhin beibehalten wird.
Nulldefizit?
Man koennte diese Auflistung von fragwuerdigen oder unsozialen Punkten 
lange weitefuehren. Viele Aspekte sind auch noch vollkommen 
unspezifisch formuliert und sind mit keinerlei Finanzierungskonzept 
verbunden. Allgemein will man (Grasser laesst gruessen) bis 2016 das 
Nulldefizit erreichen. Klingt schoen, war in der Vergangenheit aber 
immer mit Sozial- und Personalabbau und Privatisierungen verbunden und 
ist letztlich grandios gescheitert.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das 
Arbeitsuebereinkommen im Gegensatz zu seinem Titel in keiner Form als 
"Neustart fuer Salzburg" bezeichnet werden kann. Es bedeutet 
Kuerzungen im Gesundheits- und Sozialbereich und keine Loesung des 
brennenden Problems der Wohnungsnot im Bundesland und insbesondere der 
Landeshauptstadt.
(Jan Rybak, SLP Salzburg / gek.)
Volltext: http://www.slp.at/artikel+M58be69be2bc.html
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