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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 19. Juni 2013; 02:21
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Reportage:
> Kuessen verboten!
Die sommerliche Wiener Christendemo mit Begleitmusik wird langsam 
Tradition
Da wuselt ein junger blonder Mann herum, mit gelber Warnweste. Auf 
seiner Armbinde steht "Sicherheitsdirektor". Und ein Schwarzhaariger 
mit Warnweste. Bei dem steht "Sicherheitsleiter" auf der Binde. Beide 
sehr geschaeftig. Um einen Wagen mit Lautsprecherboxen stehen ein paar 
alte Maenner und sind auch sehr wichtig. Ein Juengerer hingegen im 
Trachtenanzug, aber mit cooler Sonnenbrille, steht militaerisch steif 
da und haelt seine rotweissrote Standarte mit der Aufschrift "Heiliger 
Leopold - Bitte fuer uns". Auf einem Schild steht "Ehe nur zwischen 
Mann und Frau", auf einem anderen: "Gegen Genderluege und 
Geschlechterverwirrung". Auf einem Regenschirm gleich daneben lautet 
die Botschaft jedoch: "Patriarchat wegschwemmen". Vom Stephansdom 
haengt ein Transparent, das fuer die "Adventure World" einer 
Kaffeeverkaufskette wirbt.
Da geschieht das Abscheuliche: Zwei Maenner kuessen sich! Gott sei 
dank eilen sofort wackere Polizisten hinzu und trennen die Schamlosen. 
Touristen stehen ratlos in der Szenerie herum und versuchen 
herauszubekommen, worum es hier verdammt nochmal eigentlich gehen 
koennte.
Ja, die Christen sind wieder unterwegs. So wie letztes Jahr als 
Gegendemo zur Regenbogenparade. Und so wie letztes Jahr gibt es die 
Gegengegendemo. Die Polizei versucht, die Gruppen zu trennen, und die 
eigentliche Antichristenkundgebung ins finsterste Winkerl hinter dem 
Stephansdom zu verbannen. Nur: Die spaeter Hinzukommenden muesste man 
nun durch die anwachsende Christendemo schleusen. Also laesst man sie 
gewaehren.
Ueberhaupt hatte man den Eindruck, Christen und Antichristen wollten 
sich gar nicht trennen lassen und finden sich recht anziehend. Ein 
aelterer Christ mit einem enormen Kruzifix in der Hand und eine junge 
Antichristin kommen ins Diskutieren. Doch nein, da taucht der 
christliche "Sicherheitsleiter" auf und erklaert dem Mitchristen 
entschieden: "Wir diskutieren nicht mit Gegendemonstranten!"
Eine freundlichere Christin kommt zu mir und fragt mich, ob ich so 
offen sei, auch etwas zu lesen, was nicht meiner Meinung entspraeche. 
Nachdem ich ihr versichere, dass ich es durchaus mir ansehen und nicht 
vor der Lektuere, sondern hoechstens danach zerreissen wuerde, drueckt 
sie mir ein Faltblatt in die Hand. Dort kann ich nachlesen, was der 
letzte Papst zum Thema Gendertheorie zu sagen gehabt hatte, dass der 
Sexualkundeunterricht abgeschafft werden muesse und dass 
Selbstbefriedigung nicht als normal dargestellt werden duerfe.
"Wir bringen euch nicht um!"
Ein Sprecher der "Plattform Familie" ergreift das Wort. Nachdem er 
sich langmaechtig ueber die Verderbtheit der Homo-Ehe und die Zunahme 
moslemischer Bevoelkerung im Land ausgelassen hat sowie ueber die 
"feige Kirche", fuer die er sich "schaeme", spricht er auch die 
Gegendemonstranten an. Diese haetten ja keine Argumente, sondern 
koennten nur bruellen. Aber es sei ja einfach so: "Dieser Staat 
reagiert ja nur dann, wenn man laut bruellt und schreit und trampelt!" 
Er werde jetzt aber auch bruellen, weil er koenne das auch. Und: 
"Diese Leute haben ja das Glueck, dass sie in einem Land leben, wo sie 
diese naturwidrigen Gelueste, diese Abnormalitaeten ausleben koennen!" 
Weil: "Wir bringen euch nicht um, wir lassen euch leben, im Gegensatz 
zu einigen islamischen Laendern!" - Dieses enorme Ausmass an 
christlicher Toleranz beantworten die Antichristen mit dem 
schaendlichen Sprechchor: "Eure Kinder werden so wie wir!"
So, jetzt geht die Christen-Demo endlich los. Zwischendrin etliche 
bunt gekleidete Antichristen. Das Ganze sieht aus wie eine Kombination 
aus Regenbogenparade und Fronleichnamsprozession. Jetzt darf auch die 
eigentliche antichristliche Demo, die brav hinter dem Stephansdom 
ausgeharrt hatte, hintendreintrappeln. "HAAAALT!" Doch nicht. Um den 
laut bruellenden Polizei-Einsatzleiter muss man sich bei der Hitze des 
Tages langsam Sorgen machen, so rot ist sein Gesicht schon angelaufen. 
So, jetzt aber. Der seltsame Marsch zieht ueber den Graben und 
vermischt sich nun noch mehr mit den Touristenmassen. Die Polizei hat 
es kurzfristig aufgegeben, irgendwen von irgendwem trennen zu wollen. 
Jemand verteilt auch noch Flugblaetter "Gegen den Al Quds-Tag". Der 
Marsch kommt an den "Frauen in Schwarz" vorbei, die Ecke Kohlmarkt 
Palaestina-Solidaritaet betreiben. Sehr bunt das ganze Geschehen. Aber 
erfreulicherweise zu diesem Zeitpunkt sehr entspannt.
Am Michaeler Platz ist aber Schluss mit lustig. Polizistengerempel, 
Festnahmedrohungen, Sperrgitter. Die Christen, mit denen man doch so 
gemuetlich durch die Stadt spaziert war, werden ueberraschend in die 
Herrengasse geschleust, die Antichristen auf den Ballhausplatz. 
Eigentlich haetten die Christen auch vorgehabt, auf den Ballhausplatz 
zu ziehen, begnuegen sich dann aber mit dem Minoritenplatz. Doch die 
Antichristen wollen weiter mit den Christen spielen und so zieht es 
auch diese zum Minoritenplatz. Den macht die Polizei jedoch dicht. Und 
dann noch eine unschoene Szene: Eine Demonstrantin bespritzt einen 
Polizisten mit Wasser -- trotz der Hitze ist dieser nicht erfreut und 
die Uniformfrevlerin wird festgenommen und abtransportiert. Danach 
loest sich alles in Wohlgefallen auf.
Also fuer naechstes Jahr vormerken: Keine Busserln und nicht mit 
Wasser pritscheln, dann haben alle ihren Spass.
*Bernhard Redl*
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