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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 19. Juni 2013; 02:23
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EU:
> Griechenland-"Rettung": 77 Prozent flossen in Finanzsektor
Attac hat Details recherchiert
Seit Maerz 2010 haben die Europaeische Union und der Internationale
Waehrungsfonds (IWF) 206,9 Milliarden Euro fuer die sogenannte
"Griechenland-Rettung" eingesetzt. Wofuer diese grosse Summe
oeffentlicher Gelder im Detail verwendet wird, dokumentieren die
Verantwortlichen jedoch so gut wie gar nicht. Attac hat daher
nachrecherchiert: Mindestens 77 Prozent der Hilfsgelder lassen sich
direkt oder indirekt dem Finanzsektor zuordnen.
58,2 Milliarden (28,1 Prozent) wurden fuer die Rekapitalisierung
griechischer Banken verwendet - anstatt den zu grossen und maroden
Sektor nachhaltig umzustrukturieren und die Eigentuemer der Banken
fuer deren Verluste haften zu lassen.
101,3 Milliarden (49 Prozent) kamen Glaeubigern des griechischen
Staats zugute. Davon wurden 55,44 Milliarden verwendet, um auslaufende
Staatsanleihen zu bedienen - anstatt die Glaeubiger das Risiko tragen
zu lassen, fuer das sie zuvor hohe Zinsen kassiert hatten. Weitere
34,6 Milliarden dienten dazu, die Glaeubiger fuer den Schuldenschnitt
im Maerz 2012 zu gewinnen. 11,29 Milliarden wurden im Dezember 2012
fuer einen Schuldenrueckkauf eingesetzt, bei dem der griechische Staat
Glaeubiger beinahe wertlose Anleihen abkaufte.
46,6 Milliarden (22,5 Prozent) flossen in den griechischen
Staatshaushalt oder konnten nicht eindeutig zugeordnet werden.
0,9 Milliarden (0,4 Prozent) gingen als griechischer Beitrag an den
neuen Rettungsschirm ESM.
"Das Ziel der politischen Eliten ist nicht die Rettung der
griechischen Bevoelkerung, sondern die Rettung des Finanzsektors",
fasst Lisa Mittendrein von Attac die Ergebnisse zusammen: "Sie haben
Hunderte Milliarden an oeffentlichen Geldern eingesetzt, um Banken und
andere Finanzakteure und vor allem deren Eigentuemer vor den Folgen
der von ihnen verursachten Finanzkrise zu retten."
Politik stellt "Rettungspakete" falsch dar
Die weit verbreitete und von Politikern vertretene Position, dass das
Geld der sogenannten "Rettungspakete" den Menschen in Griechenland
zugutekommen wuerde, ist damit widerlegt. Die griechische Bevoelkerung
muss die Rettung von Banken und Glaeubigen vielmehr mit einer brutalen
Kuerzungspolitik bezahlen.
"Unsere Ergebnisse machen deutlich, dass das Hauptziel der
Krisenpolitik darin besteht, die Vermoegen der Reichsten zu schuetzen.
Die Politik nimmt enorme Arbeitslosigkeit, Armut und Not in Kauf - um
einen Finanzsektor zu retten, der nicht zu retten ist. Auch die
oesterreichische Regierung traegt diesen menschenverachtenden Kurs
seit Jahren mit", ergaenzt Mittendrein. Aus demokratiepolitischer
Sicht ist zudem bedenklich, dass die Verantwortlichen in Troika und
EFSF ihren Umgang mit oeffentlichen Mitteln kaum dokumentieren. "Es
ist ein Skandal, dass die EU-Kommission zwar Hunderte Seiten an
Berichten veroeffentlicht, aber nirgendwo auflistet, wofuer das Geld
konkret verwendet wurde", erklaert Mittendrein.
Zu den tatsaechlich Geretteten zaehlt etwa die Familie Latsis, eine
der reichsten Familien Griechenlands, die grosse Teile der staatlich
geretteten "Eurobank Ergasias" besitzt. Auch Spekulanten profitierten:
Der Hedgefonds Third Point streifte im Zuge des Schuldenrueckkaufs vom
Dezember 2012 mit Hilfe von oeffentlichen Geldern einen Gewinn von
rund 500 Millionen ein.
Weitere 34,6 Milliarden fuer Zinszahlungen
Maximal 46,6 Milliarden (22,5 Prozent) der sogenannten
"Rettungspakete" flossen in den griechischen Staatshaushalt. Dieser
Summe stehen jedoch weitere Ausgabenposten, die nicht der Bevoelkerung
zugutekommen. Mehr als 34,6 Milliarden flossen als Zinsen fuer
laufende Staatsanleihen erneut an Glaeubiger. Zudem wendete der Staat
in den ersten Jahren 10,2 Milliarden fuer Verteidigungsausgaben auf.
Insidern zufolge ueben die Regierungen in Berlin und Paris Druck auf
Griechenland aus, die Militaerausgaben nicht zu kuerzen, da davon
deutsche und franzoesische Ruestungskonzerne betroffen waeren.
Mittendrein meint auch, dass man nicht vergessen duerfe, dass Europas
Banken seit 2008 bereits 670 Milliarden Euro an direkter staatlicher
Hilfe (ohne Garantien) erhalten haben. Der Finanzsektor
Griechenlands - wie auch Gesamteuropas - bleibt jedoch weiterhin
hoechst instabil.
Die Politik verabsaeumt notwendige Regulierung...
Der Schuldenschnitt fuer den griechischen Staat hat die dortigen
Banken so stark getroffen, dass der Staat sich erneut verschulden
muss, um sie mit Milliardenhilfen zu retten. "Die europaeische Politik
hat es in den fuenf Jahren seit dem Finanzcrash verabsaeumt, die
Finanzmaerkte zu regulieren und ein Bankeninsolvenzrecht zu
verabschieden. So muessen bei Verlusten weiterhin die Steuerzahler
einspringen, waehrend die Bank-Eigentuemer ungeschoren davonkommen.
Die Regierungen muessen endlich aufhoeren, dem Finanzsektor diese
Erpressungsmoeglichkeit einzuraeumen", kritisiert Mittendrein.
... und rettet korruptes griechisches Bankensystem
Verschaerfend kommt hinzu, dass erneute Milliardenhilfen an die
griechischen Banken fliessen, obwohl einige von ihnen die offiziellen
Bedingungen dafuer nur noch mit dubiosen Mitteln erfuellen. Ein
Reuters-Bericht deckte auf, mit welchen skandaloesen Praktiken
griechische Banken einander unbesicherte Kredite ueber ein
Pyramidenspiel mit Offshore-Firmen zuschanzten, um so den Anschein zu
erwecken, noch Zugang zu privatem Kapital zu haben und damit die
Voraussetzungen fuer eine staatliche Rekapitalisierung zu erfuellen.
"Waehrend die europaeische und griechische Politik der breiten
Bevoelkerung Blut, Schweiss und Traenen abverlangt, verschliesst sie
ihre Augen gegenueber den geheimen Deals der Finanzoligarchen, die die
wahren Profiteure der Rettungsgelder sind", bestaetigt Marica
Frangakis, Oekonomin am Athener Nicos-Poulantzas-Institut und
Gruendungsmitglied von Attac Hellas.
Radikaler Kurswechsel ueberfaellig
In der europaeischen Krisenpolitik ist ein radikaler Kurswechsel
ueberfaellig. Zu grosse und damit "systemrelevante" Banken muessen
zerteilt und die Profitlogik durch Gemeinwohlorientierung ersetzt
werden. Glaeubiger und Vermoegende muessen an den Kosten der Krise
gerecht beteiligt und der Finanzsektor streng reguliert werden.
"Griechenland selbst braucht nach drei Jahren, in denen es von der
aufgezwungenen Krisenpolitik zugrunde gerichtet wurde, dringend echte
Rettungspakete, die auch bei der Bevoelkerung ankommen", fasst
Mittendrein zusammen.
Weitere bizarre Details:
Mehrmals hielten EU und IWF zugesagte Teilzahlungen wochen- bis
monatelang zurueck, um Druck auf die griechische Demokratie
auszuueben: im Herbst 2011, um eine Volksabstimmung ueber die
Austeritaetspolitik zu verhindern, und im Mai/Juni 2012, um die
Siegeschancen der Troika-freundlichen Parteien bei den
Parlamentswahlen zu erhoehen. Mit dem Zurueckhalten zugesagter Gelder
zwingt die Troika die griechische Regierung, kurzfristige Anleihen
auszugeben, um den unmittelbar drohenden Staatsbankrott zu vermeiden.
Da diese nur wenige Wochen laufenden "Treasury Bills" hochverzinst
sind, steigen damit die griechischen Staatsschulden und die Gewinne
der Geldgeber. Das ist ein weiterer Beleg dafuer, dass der
Schuldenabbau nicht das Hauptziel der Troika ist, sondern die
Zerstoerung von Sozialstaat und ArbeitnehmerInnenrechten.
Eine Tranche im Umfang von 1Milliarde Euro, die Griechenland im Juni
2012 von der EFSF erhielt, diente primaer dazu, die griechische
Pflichteinlage in den EFSF-Nachfolger ESM zu finanzieren. Die EFSF
finanzierte also ihren eigenen Nachfolger - aber nicht direkt, sondern
unter Erhoehung des griechischen Schuldenstands.
Klaus Regling, Vorsitzender von EFSF und ESM, hat in seiner Karriere
mehrfach zwischen Politik und Finanzsektor hin- und hergewechselt. Vor
dieser Taetigkeit arbeitete er abwechselnd fuer die deutsche
Bundesregierung, den Hedgefonds Moore Capital Strategy Group, die
Generaldirektion fuer wirtschaftliche und finanzielle Angelegenheiten
in der Europaeischen Kommission und den Hedgefonds Winton Futures Fund
Ltd. Er steht damit symbolisch fuer die Verflechtung von
Finanzmaerkten und Politik, die mitverantwortlich dafuer ist, dass die
EU-Krisenpolitik primaer auf die Rettung des Finanzsektors abzielt.
Laut Geschaeftsbericht gab die EFSF 2011 rund 3,1 Mio. Euro fuer
Personalkosten aus. In diesem Jahr arbeiteten Medienberichten zufolge
12 Personen fuer die EFSF. Im Schnitt wurden also 258.000 Euro pro
Mitarbeiter ausgegeben. EFSF-Vorsitzender Klaus Regling verdient
mutmasslich 324.000 Euro plus Zulagen im Jahr. Menschen mit Einkommen
in dieser Groessenordnung verwalten eine Politik, die in Griechenland
den Mindestlohn auf 580 Euro brutto pro Monat (510 fuer Jugendliche)
gesenkt hat.
(Attac)
Weitere Info:
http://www.attac.at/uploads/media/hintergrundmaterial_bailout_deutsch.pdf
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