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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 12. Juni 2013; 01:19
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Soziales/Glosse:
> Gewalt am AMS: Die wirklichen Opfer werden ausgeblendet
*AKTIVE ARBEITSLOSE* fordern eine parlamentarische 
Untersuchungskommission mit Einbeziehung der 
Betroffenenselbstorganisationen
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Unter dem Titel "Im AMS liegen oefter die Nerven blank. 1400 
Zwischenfaelle bei Vorsprachen in einem Jahr" berichtete die 
Tageszeitung KURIER am 21.5.2013 ueber eine parlamentarische Anfrage, 
die steigende Gewalt am AMS belegen soll. Auffallend an dieser 
Berichterstattung ist, dass mit keinem Wort ueber die Ursachen der den 
Arbeitslosen zugeschriebenen steigenden Aggressionen gefragt wird. 
Ohne Kenntnis der wirklichen Ursachen kann aber der "Hotspot AMS" 
nicht entschaerft werden.
Untersuchung "Wuerde statt Stress" belegt: Massiver Druck auf 
Arbeitslose
Bereits das im Herbst 2010 von oesterreichischen 
Arbeitsloseninitiativen selbst organisierte Gesundheitsprojekt "Wuerde 
statt Stress" zeigte auf, unter welch enormen Leidensdruck Arbeitslose 
in Oesterreich leben. Einer Online-Umfrage zufolge fuerchten sich 
naemlich 30% der Arbeitslosen vor dem naechsten AMS-Termin und es 
bekommen 30% der Arbeitslosen gesundheitliche Beschwerden, wenn sie 
einen AMS-Kurs machen muessen, den sie nicht selbst ausgesucht haben. 
Auch aus zahlreichen gesammelten Erfahrungsberichten und 
Rueckmeldungen geht hervor, dass Arbeitslose unter massiven Druck 
seitens des AMS und seiner Zwangsmassnahmen leiden.
Bezeichnend war, dass das AMS auf Ansuchen um Unterstuetzung dieses 
Pilotprojekts urspruenglich nicht reagierte und auch nach Abschluss 
des Projekts keinerlei Interesse an dessen Ergebnisse zeigte.
Arbeitslose leiden unter mehrfacher struktureller Gewalt:
* Hauptuebel ist das vom Parlament vorgegebene Sanktionenregime, mit 
dem Arbeitslose andauernd bedroht werden: Jede noch so kleine 
Verfehlung, oder auch nur die Behauptung einer solchen, dient dem AMS 
als Vorwand sofort den AMS-Bezug zu sperren, ohne dass zuvor der von 
diesem Existenzentzug betroffene Mensch zu den Vorwuerfen Stellung 
nehmen konnte.
* Arbeitslose sehen sich oft einer fuer sie undurchschaubaren 
Buerokratie gegenueber und werden gar nicht, nur sehr unvollstaendig 
oder sogar falsch ueber ihre Rechte aufgeklaert. Bei Problemen mit dem 
AMS gibt es keine Verfahrenshilfe. Rechtsschutzversicherungen helfen 
oft nicht. Arbeitslose erleben sich gegenueber der Buerokratie als 
ohnmaechtig.
* Arbeitslose haben nach wie vor keine Interessensvertretung und 
koennen auch nicht bei der Erstellung und Umsetzung der 
Arbeitsmarktpolitik mitreden, obwohl die auch von Oesterreich 
unterzeichnete und als Bundesgesetz veroeffentliche ILO-Konvention 122 
ein solches Recht zugesteht. Abgehobene Politiker und vermeintliche 
ExpertInnen entscheiden von oben herab, was gut sein soll fuer die 
Arbeitslosen.
* Arbeitslose haben keine Lobby und Arbeitsloseninitiativen haben 
nicht die Ressourcen, um die tagtaeglichen Uebergriffe des AMS gegen 
Arbeitslose systematisch zu dokumentieren und auszuwerten. Die 
strukturelle Gewalt gegen Arbeitslose bleibt so verborgen und wird von 
der Politik nach wie vor schamlos geleugnet.
* Arbeitslose werden von Politik und Medien nicht als vollwertige 
Menschen mit Rechten wahrgenommen. Arbeitslose kommen so gut wie nie 
selbst zu Wort und werden aus der Oeffentlichkeit verdraengt. Auch 
grosse Teile der "Zivilgesellschaft" ignorieren das Leid der 
Arbeitslosen.
Die SPOe macht Stimmung gegen Arbeitslose
Bezeichnend fuer die doppelboedigen Zustaende in Oesterreich ist, dass 
die parlamentarische Anfrage an Sozialminister Hundstorfer, durch die 
Arbeitslose offenbar als gewalttaetig stigmatisiert werden sollen, 
nicht von der eher rechtsextremen FPOe stammt sondern vom 
SPOe-Abgeordneten Johann Maier, der auch Leiter der Abteilung fuer 
Konsumentenschutz der Arbeiterkammer Salzburg ist und 
Vorstandsmitglied des Bundes Sozialdemokratischer Freiheitskaempfer, 
Opfer des Faschismus und aktiver Antifaschisten in Salzburg!
Damit outet sich die einstige Partei der Unterdrueckten (der 
ArbeiterInnen) als willfaehrige Gehilfin des auf Luege und Gewalt 
aufbauenden kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem. Die 
SPOe will offenbar von der seit dem Jahr 2000 auch in Oesterreich 
herrschenden Massenarbeitslosigkeit ablenken. Die SPOe hat ueber die 
Betroffenen Menschen hinweg mit der AlVG-Novelle 2007, der repressiven 
Mindestsicherung und der schikanoesen Abschaffung des befristeten 
Invaliditaetspension ab 2014 das neoliberale Aktivierungs- und 
Arbeitszwangregime verschaerft.
Dies kann, wie aktuelle Faelle in Deutschland und in Grossbritannien 
zeigen, sogar zur Vernichtung der "Ueberfluessigen" durch Arbeitszwang 
fuehren! Arme und Arbeitslose werden mitunter von der repressiven 
Sozialbuerokratie regelrecht in den Tod geschickt!
Damit verstaerkt die SPOe den Druck auf die von der Teilhabe an der 
Gesellschaft mit Gewalt ausgeschlossenen Menschen Lohnarbeit um jeden 
Preis anzunehmen, auch unter der Armutsschwelle und zu unmenschlichen 
Bedingungen. Nicht die nach wie vor undemokratische und nur den 
Gewinninteressen einer kleinen Minderheiten dienende Wirtschaft wird 
verantwortlich fuer Arbeitslosigkeit gemacht, sondern die Arbeitslosen 
selbst, die durch Zuschreibung von "Vermittlungshindernissen" 
pathologisiert und diskriminiert werden.
Was die SPOe offenbar nicht versteht: Diese repressive Politik richtet 
sich nicht nur gegen arbeitslose ArbeitnehmerInnen, sondern gegen alle 
ArbeitnehmerInnen, die so gezwungen werden, immer schlechtere Arbeits- 
und Lebensbedingungen hinzunehmen obwohl die Gesellschaft als Ganzes 
immer reicher wird!
Ob die SPOe bewusst oder aus Unvermoegen bei dieser Menschen 
verachtenden Politik mit macht ist den betroffenen Menschen allerdings 
egal.
Sonderfall Wien: Sich organisieren bringts!
Obwohl gemeinhin ein erhoehtes Gewaltpotential in Grossstaedten zu 
verzeichnen ist, werden laut Antwort des Sozialministeriums in Wien 
fuer 2012 nur 47 Zwischenfaelle gemeldet, in Tirol hingegen 500. Das 
hat unserer Meinung damit zu tun, dass in Wien gleich 3 
Arbeitsloseninitiativen (Aktive Arbeitslose, AMSand und Zum alten 
Eisen?) sich um die Rechte der Arbeitslosen kuemmern und unabhaengige 
Beratung und Intervention anbieten, in Tirol Arbeitslose leider noch 
keine eigene Organisation haben. Zudem konnte mit der neuen 
Landesgeschaeftsfuehrerin des AMS Wien Frau Petra Draxl in einem 
ersten Gespraech die Schaffung eines organisierten Forums vereinbart 
werden, damit Arbeitslose endlich ein Gehoer finden.
Arbeitslose, die um ihre Rechte wissen, zum Beispiel dass sie zu 
heiklen Gespraechen eine Vertrauensperson (Rechtsbeistand oder 
Vertreter nach AVG) mitnehmen duerfen, Betreuungsvereinbarungen 
beeinsprucht werden koennen und auch nicht unterschrieben werden 
muessen, werden von den oft ueberforderten AMS-MitarbeiterInnen gleich 
korrekter behandelt.
Gemeinsam die wirklichen Ursachen der Gewalt bekaempfen!
Ausbaden duerfen das auch die MitarbeiterInnen des AMS, die ja nicht 
direkt fuer die Entrechtung der Arbeitslosen und fuer die zahllosen 
planwirtschaftlich von oben herab verordneten AMS-Zwangsmassnahmen 
verantwortlich sind. Das AMS ist ja "nur" die Oberflaeche des 
repressiven Systems. Die fuer die Repression verantwortlichen 
wirtschaftlichen und politischen Kraefte bleiben den meisten 
Arbeitslosen und auch den an der Repression mitwirkenden 
AMS-MitarbeiterInnen verborgen.
Um die wirklichen Ursachen der Gewalt am AMS offen zu legen, die sich 
vor allem gegen Arbeitslose richtet, fordert der Verein Aktive 
Arbeitslose daher die Einrichtung eines parlamentarischen 
Untersuchungsausschusses unter Einbeziehung der 
Arbeitsloseninitiativen und wirklich unabhaengiger und kritischer 
ExpertInnen (z.B. von FORBA) um endlich die verlogene 
Selbstbeweihraeucherung und Problemverdraengung durch die Regierung zu 
ueberwinden. (AA/gek.)
Kurier-Artikel: 
http://kurier.at/chronik/oesterreich/gewalt-steigt-im-ams-liegen-oefter-die-nerven-blank/13.298.100
Anfragebeantwortung:
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/AB/AB_13941/fname_303332.pdf 
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