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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 10. April 2013; 02:40
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Oe/Recht:

> VfGH entscheidet ueber Staatsbuergerschaftsgesetz
> und Sicherheitspolizeigesetz

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner letzten Session noch weitere
Entscheide gefaellt. Zwei Normpruefungsverfahren sind dabei besonders
interessant:

Die "Selbsterhaltungsfaehigkeit" ist nach bislang geltendem Recht --
ohne Ausnahme -- eine Voraussetzung fuer die Erlangung der
oesterreichischen Staatsbuergerschaft. Das Gesetz nimmt jedoch nicht
darauf Ruecksicht, dass es Menschen gibt, die aufgrund einer
unverschuldeten Notlage diese Bedingung nicht erfuellen koennen. Auch
fuer behinderte Menschen wird das Kriterium
"Selbsterhaltungsfaehigkeit" von vornherein ein Ausschliessungsgrund.
Da diese aber nicht denselben Zugang zum Arbeitsmarkt haben und somit
Ungleiches gleich behandelt wird, ist diese Regelung im Lichte der
verfassungsrechtlichen Bestimmungen gegen Behindertendiskriminierung
verfassungswidrig, so der VfGH.

Das Sicherheitspolizei-Gesetz erlaubt hingegen der Polizei zuviel. Das
hat mittlerweile auch der VfGH begriffen. Das Hoechstgericht
kritisiert die Bestimmungen ueber die DNA-Ermittlung fuer
Fahndungszwecke und hat daher diese als verfassungswidrig aufgehoben.

Die derzeitigen gesetzlichen Bestimmungen gestatten naemlich den
Sicherheitsbehoerden die DNA-Ermittlung schlechthin bei jedem Verdacht
eines "gefaehrlichen Angriffes". Das bedeutet, dass schon beim
Verdacht auf geringste strafrechtlich belangbare Delikte eine
DNA-Ermittlung moeglich ist. Angesichts der besonderen Sensibilitaet
eines DNA-Profiles ueberschreite diese weitgehende Ermaechtigung die
Grenzen des verfassungsrechtlich Erlaubten, so das Hoechstgericht.

Die beiden Entscheide betreffen aber momentan nur die konkreten zu
behandelnden Faelle resp. die noch diesbezueglich bereits laufenden
Verfahren. Unmittelbar aendert sich aber nichts an der allgemeinen
Gesetzeslage. In beiden Angelegenheit hat der VfGH dem Gesetzgeber
eine grosszuegige Reparaturfrist bis Juni 2014 gewaehrt. Erst dann
wuerden die beanstandeten Gesetzesstellen ersatzlos ausser Kraft
treten.

OGH: Photographierverbot

Ein faktisches Photographierverbot fuer Personen hat nun der OGH
verhaengt. Wie praktikabel das in Wirklichkeit ist, bleibt abzuwarten.
Aus der Pressemitteilung des OGH: "Eine zielgerichtete Aufnahme, die
eine deutliche Identifizierung des Abgebildeten ermoegliche, sei nur
mit dessen Einverstaendnis zulaessig. Ohne ein derartiges
Einverstaendnis liege ein Eingriff in das allgemeine
Persoenlichkeitsrecht des Abgebildeten vor. Anderes gelte etwa bei
ueblichen Urlaubsfotos, auf denen im Hintergrund andere Menschen
abgebildet sind" (OGH 27.2.2013, 6 Ob 256/12h). Dabei geht es nicht um
die Veroeffentlichung der Bilder, sondern alleine um deren
Anfertigung.

Fuer Kritik sorgt nicht nur diese recht weitgehende Auslegung der
Persoenlichkeitrechte, sondern auch, dass der OGH in offensichtlicher
Ermangelung oesterreichischer Rechtsquellen auf die staendige
Rechtssprechung des deutschen Bundesgerichtshofs abstellt.

Leute ohne Einwilligung zu fotografieren, koenne man sich kuenftig
kaum noch trauen, zitiert die "Presse" (8.4.2013) den
Medienrechtsanwalt Peter Zoechbauer. Zulaessig waere es etwa noch,
Politiker waehrend einer Rede abzulichten. Aber ansonsten "muss man
sich noch mehr als bisher um Einverstaendniserklaerungen kuemmern",
erklaert der Anwalt. Das Urteil betreffe nicht nur Berufsfotografen,
sondern alle, die Bilder anfertigen. Raum fuer Interpretationen biete
nur die Interessenabwaegung zwischen Fotograf und Fotografiertem, die
der OGH vorschreibe. Fotos ohne Einwilligung wuerden aber nun
"hochriskant" werden, warnt Zoechbauer.

Wer erfolgreich auf Unterlassung geklagt werde, muss nun zumindest die
Prozesskosten tragen. Eine Abmahnwelle unterbeschaeftigter Anwaelte
aehnlich der seinerzeitigen Spam-Klagen ist damit angesichts der
Bilderflut speziell in den Sozialen Netzwerken nicht auszuschliessen.
-br-




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