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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 27. Maerz 2013; 01:10
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Glosse:

> Wie heisst der Staat?

Wann wurden eigentlich aus den Zyprioten Zyprer? Ich hoere diese
Bezeichnung eigentlich erst seit der Berichterstattung ueber die
Bankenkrise. Der "Meyer" kannte noch 2003 "Zyprer" und "Zyprier"
lediglich als generelle Nebenform von "Zyprioten" -- ohne Bezug auf
politische, ethnische oder religioese Unterscheidungen. Wikipedia
sieht das hingegen so: "Gelegentlich wurden frueher die
Zypern-Griechen als ,Zyprioten' bezeichnet, die Zypern-Tuerken
hingegen als ,Zyprer'; heute ist generell die Bezeichnung ;Zyprer'
fuer beide Volksgruppen ueblich. Gleichwohl definiert der Duden (24.
Auflage, 2006) ,Zypriot' als ,Zyperngrieche', ,Zyprer' hingegen als
,Bewohner von Zypern'." Also waere es zumindest laut Duden eben eine
zypriotische Bankenkrise, keine zyprische.

Dennoch: Ganz allgemein gilt Griechisch- oder Sued- oder EU-Zypern als
"Zypern", der andere gar so uneuropaeisch-tuerkische Teil ist
ueblicherweise nicht gemeint. Das erinnert ein bisserl an
"Deutschland" vor der Wiedervereinigung, als damit noch die BRD
gemeint war. Das andere Deutschland war "Ostdeutschland". Genauso wie
"Berlin" natuerlich Westberlin war und "Frankfurt" nicht jenes an der
Oder bezeichnete. Aehnlich ist es mit "Korea" -- damit meint man ohne
Zusatz ueblicherweise nicht Nordkorea. "Amerika" sind sowieso einfach
nur die USA.

Es gibt da immer den einen, den wichtigen oder gar richtigen Staat.
Und dann gibt es den anderen. Der interessiert uns entweder nicht oder
er ist der "falsche" Staat. Oder der boese, wie im Falle Nordkoreas.
Nur bezueglich Afrika ist das anders: Dass es zwei Staaten gibt, die
Kongo heissen, ist dem durchschnittlichen oesterreichischen
Zeitungsleser wohl immer noch nicht bewusst -- welcher welcher ist,
weiss kaum wer. Aber Afrika war sowieso immer der "dunkle Kontinent".

Aber in Europa, da kennen wir uns ja aus: Offiziell gehoert Nordzypern
zu "Zypern" -- was nur mit der Realitaet nichts zu tun hat. Doch diese
offizielle Sichtweise reicht der EU und damit auch der internationalen
Berichterstattung. Dass der EU die Teilung Zyperns hingegen vollkommen
egal ist, hat sie spaetestetens mit der Aufnahme Suedzyperns bewiesen.
Das Problem ist hoechstens von Interesse, wenn es um das
Krisenpotential an der "suedosteuropaeischen Flanke" der EU geht, aber
die Loesung des Konflikts stand nie ernsthaft auf der Agenda der
wirtschaftsorientierten Union.

Und so bleibt die Bankenkrise ein "zyprisches" oder "zypriotisches"
Problem -- auch wenn ein Teil der Bevoelkerung Zyperns davon kaum
etwas bemerkt; naemlich der, der seine Rechnungen in Tuerkischer Lira
begleicht...
*Bernhard Redl*



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