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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 27. Maerz 2013; 01:15
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> Ohne Kirche keine Sozialinstitutionen?

Vom 15. bis 22.April haben das Demokratie- und das
Anti-Kirchenprivilegien-Volksbegehren ihre Eintragungswoche. Auch
viele religionslose Linke sind skeptisch gegen letzteres, da sie
befuerchten, dass durch ein Streichen dieser Privilegien auch durchaus
gute Arbeit im Sozialbereich gefaehrdet waere. Die akin haben die
Volksbegehrensinitiative um eine Stellungnahme gebeten und erhielten
folgenden Text von *Gerhard Engelmayer*:
*

Vielfach wird den Privilegien und Subventionen ein einfaches Argument
gegenuebergestellt: Die Kirche tut ja so viel Gutes! Das Geld ist gut
angelegt. Was ist mit dann mit den Armen und Kranken, wenn es die
Kirche nicht mehr gibt?

Die Antwort ist einfach: Es passiert nichts!

Alles wuerde so laufen wie bisher. Der Grund ist: Die Menschen
beispielsweise in der Caritas arbeiten heute dort, weil es ihr Job
ist, der sie befriedigt und ernaehrt und in der Vielzahl der Faelle
nicht, weil es gottgefaellig ist. Das tun tausende andere uebrigens
auch in anderen nicht-kirchlichen Organisationen ebenso.

Die Vorstellung, dass die Caritas billiger oder besser funktioniert,
weil dort Menschen um Gottes Lohn arbeiten, ist gluecklicherweise
weder zutreffend noch wuenschenswert. Mit und ohne Gott - es hat sich
eben herauskristallisiert, dass es gut tut, Gutes zu tun, dass ein Job
mit solchem Arbeitsmotiv fuer manche befriedigender ist, als ein
normaler Buerojob, obwohl der vielleicht mehr einbringt. Mit anderen
Worten, viele verzichten auch so, mit und ohne Gott, auf ein besseres
Gehalt als in anderen Branchen. Das ist also kein Verdienst der Kirche
und damit kein Grund fuer Ersparnisse beim Betrieb dieser
Einrichtungen.

Diese Organisationen sind autonome Betriebe. Sie funktionieren, ob sie
nun Teil der Kirche sind oder nicht, denn - wie wir seit dem Buch
"Gottes Werk und unser Beitrag. Kirchenfinanzierung in Oesterreich"
(Czernin Verlag) von Carsten Frerk und Christoph Baumgarten wissen -
traegt die Kirche finanziell nur wenig bei. Bei der Caritas sind es
weniger als 2 %, bei den Spitaelern duerften es eher 0% sein. Es ist
durch die mangelnde Transparenz in allen Kirchenbereichen nicht einmal
moeglich, genau festzustellen, ob die Kirche nicht durch finanzielle
Transaktionen bei den Spitaelern nicht doch sogar einen Profit macht.

Im Gegenteil, es spricht einiges dafuer, dass diese Betriebe ohne
"geistliche" Fuehrung besser funktionieren wuerden, denn die
Sozialstandards lassen dort zu wuenschen uebrig und passen nicht ins
21. Jahrhundert. In Oesterreich ist vor wenigen Tagen ein Streik der
oberoesterreichischen Spitalsangestellten zu Ende gegangen, deren
Forderungen mehr als bescheiden klangen: 39 Stunden Woche und
Inflationsabgeltung. Es ist das Wort Sozialdumping gefallen. Aber in
Deutschland, wo die Verhaeltnisse aehnlich liegen, sind zum Teil sogar
skandaloese Zustaende aufgebrochen. So wurden hervorragende
Mitarbeiter entlassen, weil sie sich haben scheiden lassen, was mit
einem "christlichen Lebenswandel" nicht zu vereinbaren ist. Menschen,
die nicht ins christliche Schema passen, werden unter Hinweis auf
"unabaenderliche kirchliche Vorschriften" diskriminiert, wie wir aus
dem Fall "Stuetzenhofen" gelernt haben. Die Bezahlung folgt der
allgemeinen Vorstellung von einer Arbeit fuer "Gottes Lohn".

Aber auch Menschen, die im Bereich der Kirche gut bezahlt werden und
nicht diskriminiert werden, haben ein Handicap: Sie bekommen einen
unsichtbaren Maulkorb umgehaengt oder verhalten sich in vorauseilendem
Gehorsam unwuerdig angepasst. So ist mir der Name einen Arztes eines
Ordensspitals bekannt, ein Atheist reinsten Wassers, der nie auch nur
ein Wort ueber seine Gesinnung in der Oeffentlichkeit sagen wuerde,
weil er sonst seinen Arbeitsplatz gefaehrden wuerde.

Es ist diese Art von leider oft unauffaelliger Macht ueber die Koepfe
von Kindern, ueber die Lebensfuehrung von Kindergarten-Leiterinnen,
von Sexualeinstellungen von Pfarrratsmitgliedern und die Kontrolle
ueber Privatleben verschiedenster Art, das ein unertraegliches
Privileg der Kirche in unserer Zeit darstellt, ein Anachronismus, der
groesste unserer Zeit. ###

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Kasten

> Was sind die Privilegien aus Sicht der Initiative?

aus: http://www.kirchen-privilegien.at/unterschreiben

Es gibt natuerlich kein Kirchenprivilegien-Gesetz, das eine Liste
aller Besserstellungen enthaelt. Diese sind verteilt auf viele Bundes-
und Landesgesetze. Die Privilegien und weitere Forderungen sind in
drei Hauptpunkten widergespiegelt:

1) Laizitaet: Klare Trennung von Staat und Religion

Das Demokratie-Defizit kann nur behoben werden, wenn sich der Staat in
Bezug auf Religion und Weltanschauung neutral verhaelt. Ein
gefoerderter Status, der in der Praxis nur von sehr wenigen Religionen
erreicht werden kann und nicht-religioese Weltanschauungen per se
ausschliesst, ist undemokratisch.

Die Religionszugehoerigkeit seiner Buerger_innen muss fuer den Staat
irrelevant sein. Religion ist Privatsache. Sie kann ebenso wenig wie
Herkunft, Augenfarbe, sexuelle Orientierung, Hautfarbe, usw. dazu
dienen Menschen zu kategorisieren und rechtlich zu privilegieren oder
diskriminieren.

Privatsache heisst uebrigens nicht, dass Glauben und
Religionsausuebung aus der Oeffentlichkeit verbannt werden, sondern
nur dass sie in oeffentlichen Institutionen keine Relevanz haben. Die
Streichung der Privilegien ist eine unvermeidliche Konsequenz einer
klaren Trennung von Staat und Religion.

2) Reduktion der Subventionen an die Religionsgesellschaften

Wir alle zahlen mit unseren Steuern fuer die Kirchen. Mit 3.8
Milliarden pro Jahr werden die Kirchen und Religionsgesellschaften
subventioniert. Eine genaue Aufschluesselung der Summe ist in dem Buch
"Gottes Werk und unser Beitrag. Kirchenfinanzierung in Oesterreich."
(Czernin Verlag) von Carsten Frerk und Christoph Baumgarten zu finden.

Alle diese Zahlungen sind sachlich fragwuerdig. Jene, wo eine bezahlte
Dienstleistung gegenuebersteht, sind zudem mit arbeitsrechtlichen
Einschraenkungen verbunden, die der Staat, der ja die Gelder praktisch
zur Gaenze zur Verfuegung stellt, nicht tolerieren darf. Damit wird
Sozialdumping beguenstigt und Missionierung mitgeliefert.

3) Staatliche Aufklaerung kirchlicher Missbrauchs- und
Gewaltverbrechen

Der letzte Punkt betrifft ausschliesslich die katholische Kirche, in
deren Reihen die Faelle sexueller Misshandlung ein Ausmass annimmt,
das von staatlicher Seite nicht ignoriert werden darf. Auch wenn diese
Faelle formal oft verjaehrt sind, muss hier von staatlicher Seite
aufgeklaert werden. In jeder anderen Organisation kaeme es zu
Ermittlungen, Hausdurchsuchungen (wie das auch in anderen Laendern
passiert), etc.

In Oesterreich darf die Kirche mit wohlwollender Unterstuetzung der
Regierung die systematischen Verbrechen von sexueller Gewalt und
Machtmissbrauch selbst aufarbeiten und damit weiter kontrollieren.

Opfer werden mit geringen Betraegen entschaedigt, die Taeter werden
bestenfalls versetzt. Die zu den Faellen vorhandenen Akten werden auf
Anweisung von Joseph Ratzinger (2001) im Vatikan versteckt. ###



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