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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 20. Maerz 2013; 08:25
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Debatten/Kirchliches:
> Papst: Lichtgestalt oder was?
Da ich die letzten Tage (halb)krank war, hab ich mir die Papstsachen
im Fernsehen angesehen, und - manche werden laecheln - die Sache hat
mich irgendwie eingenommen; ich habe einige Zeit damit verbracht mir
ein Bild zu machen. Und ich schicke voraus, dass ich grundsaetzlich
das Glas lieber halbvoll als halbleer sehe moechte.
Insofern hat mich die Art des Auftretens und vor allem die
Franziskus-Ansage schon beeindruckt, obwohl ich nicht mehr Mitglied
des Vereins bin. Franziskus ist ja nicht nur eine Ansage fuer die
Armen und die Toleranz, sondern auch fuer die Umwelt. Dann kam der
Schlag mit der zumindest unklaren Haltung waehrend der
Militaerdiktatur. Mich beruehrt es irgendwie mehrfach: weil bei uns ja
gerade der Jahrestag der Nazi-Annexion ist; weil ich 1978 in Kuba
Montoneros kennenlernte, die die Militaerdiktatur bekaempften.
Dass vor allem der hoehere Klerus in Argentinien das Militaerregime,
das 1976 bis 1983 etwas 30.000 Leute verschwinden hatte lassen,
gestuetzt hat, ist ziemlich unbestritten. Allerdings sagt der
Friedensnobelpreistraeger Esquivel, dass Bergoglio nicht mit den
Militaers kooperiert haette.
Die Sache ist vielschichtig. Der Kern zur Papstvergangenheit: Es gibt
ein Buch "El Silencio" nicht von irgendjemanden, sondern des
"Starjournalisten" Horacio Verbitsky aus 2005, wo die Kollaboration
breiter Teile Kirche mit der Militaerdiktatur belegt wird. Die
Hauptvorwuerfe gegen Bergoglio beziehen sich auf die Aussagen zweier
verschleppter Jesuiten, die schliesslich wieder freigelassen wurden.
Weil sie Anhaenger der Befreiungstheologie waren, ist ihnen befohlen
worden, aus der Taetigkeit in den Slums auszusteigen. Da sie das nicht
gemacht haben, seien sie ausgeschlossen und denunziert worden und
damit zum Freiwild fuer die Todesschwadronen geworden. Bergoglio sagt,
er haette sich hinter den Kulissen fuer ihre Freilassung eingesetzt.
Einer der gekidnappten Jesuiten lebt jetzt in Oberfranken und meint
jetzt nur mehr, dass er sich mit dem Kardinal versoehnt habe. Das sagt
eigentlich eh sehr viel.
Ich habe mir nun aus verschiedenen Artikeln folgende vorlaeufige
Meinung gebildet: Das Verhalten des jetzigen Papstes waehrend der
Militaerdiktatur war nicht ruehmlich, waere aber durch eine offene
Stellungnahme korrigierbar, und vor allem koennte man die notwendigen
Lehren durch konkretes Handeln ziehen (die geleistete allgemeine
Entschuldigung der argentinischen Kirche voriges Jahr - 30 Jahre nach
Ende der Diktatur - ist eventuell ein erster Schritt, aber doch etwas
wenig).
Noch weniger ruehmlich ist die heutige Medienstellungnahme des
Vatikans, die alles als Anschwaerzen durch Linke hinstellt - das hat
mich zu diesem Artikel veranlasst.
Was zu denken gibt, ist die Hypothese, die von Linken in den USA
(siehe "Democracy now") und auch in Lateinamerika vertreten wird: so
wie der polnische Papst als Fanal zum Zusammenbruch des Ostens
gewaehlt worden sei, koenne der jetzige Papst als wichtiger Schachzug
gegen die Linksregierungen von Argentinien bis Venezuela gesehen
werden. Ein Beleg dafuer ist zunaechst die weitgehende politische
Konfrontation des Kardinal Bergoglio gegenueber der mehr oder weniger
progressiven Regierung Kirchner in Argentinien. Aber wirklich
ueberzeugend find ich das eigentlich derzeit nicht.
Es bleibt daher die Hoffnung, dass dem Bekenntnis zu Franziskus, der
Parteinahme fuer die Armen und die Natur konkrete Taten folgen.
Kuerzlich, noch als Kardinal hat der Papst die globalen
Ungerechtigkeiten angesprochen. Es ist zu wuenschen, dass nicht nur
einzelne Kirchenteile, sondern die Kirche mit all ihren Mitteln nicht
gegen sondern mit den globalen Kraeften fuer mehr Gerechtigkeit und
den Schutz des Planeten geht.
*Josef Baum*
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