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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 20. Maerz 2013; 07:32
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Graz:

> (Kein) Urteil im Polizistenprozess

Polizist gegen Tierschutzaktivist: Richterin entschied, nicht
entscheiden zu koennen

Ohne viele Erwartungen ging ich am 11.Maerz in den Saal 3 des
Landesgerichts in Graz, um den Prozess gegen den Schlaegerpolizisten
unter Vorsitz von Einzelrichterin Gudrun Schmitt mitzuverfolgen. Der
Polizist hatte den stellvertretenden Obmann des "Vereins gegen
Tierfabriken", David Richter, der gerade eine illegale Treibjagd auf
Zuchtfasane filmte und sogar selbst die Polizei gerufen hatte, von
hinten niedergeschlagen.

Viele Erwartungen hatte ich nicht, weil bisher alle unsere Versuche,
die Polizei wegen Gesetzesuebertretungen zu belangen, fehlgeschlagen
sind. So hat mir die Staatsanwaltschaft erst kuerzlich mitgeteilt,
dass die Ermittlungen aufgrund meiner Anzeige im Fall des Anti-Terror
Polizisten, der unsere Tierschutzdemo gestoert hatte, eingestellt
wurden:

Doch der Prozess gegen den Schlaegerpolizisten wurden immerhin einmal
eroeffnet, im Gegensatz zu den bisherigen Verfahren. Vielleicht kann
Verfassungsschutz jetzt ein neues Kapitel in seinem
Verfassungsschutzbericht eroeffnen: "Militante Polizeigewalt". Auch
diese ist eine Gefahr fuer die Verfassung!

Der Prozess begann mit einem sehr erfreulich scharfen
Eroeffnungsplaedoyer der Staatsanwaeltin. Sie schilderte den Vorfall
und betonte, dass der Angeklagte ihr gegenueber 10 Tage spaeter bei
der Einvernahme behauptet habe, er sei von dem Tierschuetzer
geschlagen worden. Damit habe er neben der Koerperverletzung und der
Freiheitsentziehung auch das Verbrechen der Verleumdung begangen,
schloss sie. Amtsmissbrauch sei nicht angeklagt worden, weil die
Oberstaatsanwaltschaft der Ansicht sei, dass die dafuer notwendige
Absicht (Wissentlichkeit) nicht bewiesen werden koenne.

Anschliessend fuehrte die Richterin eine 3-stuendige Befragung des
angeklagten Polizisten durch. Trotz gegenteiligen Videobeweises, der
ihm auch vorgefuehrt wurde, beharrte er auf seiner Version, dass das
Opfer ihn zuerst ins Gesicht geschlagen habe. Dabei verstrickte er
sich in einige Widersprueche mit seinen frueheren Aussagen, die er
aber als irrelevant wegwischte. Der Angeklagte gab an, dass er schon
beim Aussteigen aus seinem Auto vor Ort den Verdacht gehabt habe, die
Tierschuetzer haetten nur ihn hereinlegen und zur Gewalt provozieren
wollen, um das dann zu filmen und oeffentlich zu machen. Und genau das
sei dann auch geschehen. Sein Opfer, nachdem er es niedergeschlagen
und ueber 20 Minuten auf den kalten Winterboden gedrueckt hatte, indem
er drauf sass, habe ihn in diesem Zustand noch verhoehnt. In den Augen
des Angeklagten war er selbst das einzige Opfer. Er habe voellig
korrekt gehandelt, er sei sogar danach noch persoenlich vom
Bezirkshauptmann fuer seinen Einsatz zum Schutz der Jagd gelobt
worden. Auf die Frage der Staatsanwaeltin, ob seine Amtshandlung
gelungen sei, antwortete er woertlich: "Aus meiner Sicht 100% ja!"

Da unterbrach die Richterin das Verfahren und meinte, die Anklage
ginge ihr zu wenig weit. Sie habe sich die Version des Angeklagten
anhoeren wollen und sei nun zum Schluss gekommen, dass er wissentlich
gehandelt habe. Damit sei die Voraussetzung des Amtsmissbrauchs
erfuellt. Woertlich sagte sie: "von blosser Fahrlaessigkeit sind wir
meilenweit entfernt!" Doch fuer ein Verfahren mit der Zusatzanklage
Amtsmissbrauch beduerfe es eines Schoeffengerichts und nicht einer
Einzelrichterin. Dann erhob sie sich und verkuendete ihr Urteil, dass
das Verfahren vor einem Schoeffensenat des Landesgerichts zu
wiederholen sein werde.

Das Oberlandesgericht hat nun darueber zu entscheiden, ob die
Erweiterung der Anklage durchgefuehrt werden darf. Mit der Neuauflage
des Prozesses mit oder ohne Schoeffensenat ist also erst in
fruehestens 6 Monaten zu rechnen - also bereits 2 Jahre nach der Tat.

Haette diese Richterin ueber die Straftaten des Angeklagten zu
urteilen gehabt, waere er eindeutig schuldig gesprochen worden. Doch
so verzoegert sich dieses Ereignis nicht nur, ein Senat von 3
RichterInnen hat den Fall voellig neu zu beurteilen - und koennte
natuerlich das Ganze ganz anders sehen.

(Martin Balluch auf seinem Blog/bearb.)
*

Quelle: http://www.martinballuch.com/?p=2223

Erratum: In akin 6/2013 hatten wir irrtuemlich vermeldet, Balluch
selbst waere der Angegriffene gewesen.



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