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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 6. Maerz 2013; 02:12
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International:
> Krisenschicksale der Tagespresse
Die krisengeschuettelten Blaetter "Frankfurter Rundschau" und "Junge 
Welt" in Deutschland sowie "Eleftherotypia" in Griechenland bleiben 
einstweilen noch auf dem Medienmarkt. Doch die Strategien des 
Ueberlebens sind recht unterschiedlich.
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"Die FR bleibt linksliberal" titelte eben jene "Frankfurter Rundschau" 
am 1.Maerz. Glauben will das aber so recht niemand -- weder das 
"bleibt" noch das "linksliberal". Denn die insolvente FR wird 
verkauft -- an die buergerliche "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) 
und die Frankfurter Societaet, deren Hauptaktivitaet bislang die 
Produktion des lokalen Boulevardblattes "Frankfurter Neue Presse" 
(FNP) und des Lokalteils der FAZ war. Sowohl FAZ als auch Societaet 
gehoeren mehrheitlich der FAZIT-Stiftung.
Beim Eigentuemerwechsel der FR handelt es sich allerdings nicht nur 
einfach um einen Verkauf, sondern auch um eine voellige Zerstoerung 
der bisherigen Beschaeftigtenbasis. Hatte die FR bislang rund 400 
Mitarbeiter, sollen nun unter FAZ-Fuehrung nur mehr 28 Redakteure die 
Zeitung machen. Die Uebrigen werden bei vermindertem Gehalt fuer ein 
halbes Jahr in einer Transfergesellschaft ausgelagert -- was grosse 
Frustration bei den bisher Beschaeftigten ausloest: "Nachdem wir 
jahrelang auf Loehne verzichtet haben, um die FR zu retten, werden wir 
nun einfach so abgespeist", zitiert die "taz" den 
Betriebsratsvorsitzenden Marcel Bathis.
Eine weitere politische Dimension erhaelt die Angelegenheit durch die 
Rolle von Christdemokratischer Union und Sozialdemokratischen Partei. 
2003 hatte die FR ihrer erste grosse Krise -- das Land Hessen sprang 
mit einer Buergschaft zur Rettung der FR ein. Die SPD befuerchtete 
eine Einflussnahme durch die CDU-gefuehrte hessische Landesregierung 
so kaufte die SPD-eigene Medienholding DDVG 2004 90% des 
FR-Verlages -- um 2006 die Aktienmehrheit an den DuMont-Verlag 
weiterzugeben. Der DDVG verblieb ein Minderheitsanteil von knapp 40%. 
Nun liessen SPD und DuMont, den FR-Geschaeftsfuehrer Insolvenzantrag 
stellen und verkauften dann an FAZ und FNP.
Von den bisherigen Eigentuemern werden diese Entscheidungen als 
alternativlos dargestellt. Die taz zitiert dazu hingegen Manfred Moos, 
Medienexperte bei der Gewerkschaft Ver.di im hessischen Landesbezirk: 
"Die Moeglichkeit, dies ohne eine Insolvenz zu regeln, wurde von den 
Gesellschaftern nicht mit dem noetigen Ernst betrieben". Der 
Geschaeftsfuehrer der SPD-Medienholding, Jens Berendsen, dazu: "Wir 
haben die FR 2004 uebernommen und damit gerettet. Seither uebernehmen 
wir soziale Verantwortung, nun geht es nicht mehr."
Soliaufruf rettet "Junge welt"
Im Herbst 2012 stand auch die sich als marxistisch verstehende 
Tageszeitung "Junge Welt" vor dem Aus. Die 1947 als Zentralorgan der 
"Freien Deutschen Jugend" gegruendete Zeitung ueberlebte die 
Wiedervereinigung und etablierte sich in ihrer seither recht 
wechselvollen Geschichte einigermassen in der deutschen 
Medienlandschaft. Doch auch die jW ist natuerlich betroffen von der 
eminenten Krise der Tagesprintmedien. Als deklariertes Meinungsmedium 
konnte sie aber mittels eines Solidaritaetsaufrufs im Oktober letzten 
Jahres noch einmal den Bankrott abwenden. So konnte sie im Jaenner 
2013 vermelden: "Die Junge Welt wurde gerettet. Die verkaufte Auflage 
konnte von 17138 auf 18174 gesteigert werden. Wir haben es aufgrund 
unserer revolutionaeren Elans geschafft, insgesamt 1000 neue Leser zu 
gewinnen. Das entspricht einer Erhoehung der verkauften Auflage um 
6%." Ob das reichen wird, bleibt allerdings fraglich -- das naechste 
Ziel der jW ist eine Auflage von 20.000 Exemplaren.
Griechenland: Gespaltene Pressefreiheit
Einen seltsamen -- und wohl in der eklatanten oekonomischen Schieflage 
Griechenlands kaum durchhaltbaren -- Weg geht hingegen die 
linksliberale "Eleftherotypia". Die Zeitung, deren Titel 
"Pressefreiheit" bedeutet, gibt es jetzt an griechischen 
Zeitungsstandeln quasi in zwei verschiedenen Versionen.
Eleftherotypia war 2011 in Konkurs gegangen. Die Mitarbeiter der 
Zeitung reagierten darauf mit einer Besetzungsaktion und der 
Produktion des Streikblatts "Eleftherotypia der Redakteure". Daraus 
wurde dann "Die Zeitung der Redakteure" -- da die Rechte auf den Titel 
"Eleftherotypia" bei der bisherigen Verlegerin verblieben. Heute 
erscheint das Blatt im Genossenschaftseigentum einiger frueherer 
Eleftherotypia-Mitarbeiter taeglich -- dank teilweisem Lohnverzicht in 
der Anfangsphase.
Nun taucht von neuem eine Zeitung mit dem Titel "Eleftherotypia" 
auf -- herausgegeben von der bisherigen Verlegerin, doch zum Zwecke 
geringerer Gehaelter wirtschaftlich in eine Drittfirma ausgelagert. 
Inhaltlich versuchen sich beide Blaetter auch weiterhin als 
linksliberale Aufdeckermedien. Ob sie separiert voneinander besser 
ueberleben koennen als gemeinsam, was ja auch schon nicht mehr 
funktioniert hat, ist abzuwarten.
*Bernhard Redl*
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