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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 6. Maerz 2013; 02:19
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Debatten/Wahlen:

> Der Sieg der Siegertypen

Die Wahlen in NOe und Kaernten sind geschlagen. Kaernten erlebt einen
Totalumbruch, Niederoesterreich das Gegenteil: Vollkommene Stagnation!
Die NOe-Wahl brachte zwei Sieger: Der eine, Erwin Proell, hat zwar ein
wenig an Stimmen verloren, aber die absolute Mehrheit gehalten -- in
heutigen Zeiten doch ein Erfolg. Der andere, Frank Stronach, der
reiche Onkel aus Amerika, schaffte sowohl in Kaernten als auch in NOe
um die 10%. Und sagt jetzt auch noch, eigentlich nicht ganz zufrieden
mit dem Ergebnis zu sein.

Wie kann man sowas waehlen? Also ich wundere mich ja sowieso, wieso im
21.Jahrhundert ueberhaupt noch wer OeVP waehlen kann, aber in NOe muss
man ja sowieso froh sein, wenn dem Durchschnittswaehler klar ist, dass
es das Erzherzogtum Oesterreich unter der Enns nicht mehr gibt.

Proell und Stronach haben etwas gemeinsam: Es sind "geborene Sieger".
Proell waehlt man, wie die OeVP das im Wahlkampf formuliert hat, um
"klare Verhaeltnisse" zu haben -- also "weita in dera Dickn".

Aber wenn man sich Detailergebnisse ansieht und diese mit den
Ergebnissen von Kommunal- und Nationalratswahlen ansieht, kommt man
aus dem Staunen nicht mehr heraus. Zugegeben, Kommunalwahlen sind
immer etwas anderes, weil sie stark personenorientiert sind und auch
nur lokal existente Listen oft eine gewichtige Rolle spielen -- doch
die Ergebnisse von Landtags- und Nationalratswahlen aehneln sich in
anderen Bundeslaendern viel mehr als in NOe. Da gibt es erzrote
Gemeinden, wo die Proell-Partei bei den Landtagswahlen regelmaessig
trotzdem die meisten Stimmen erhaelt. Extrembeispiel Wiener Neustadt:
Waehrend die OeVP 2008 bei den Nationalratswahlen dort gerademal 18,4%
hatte, waren es bei den Landtagswahlen im selben Jahr 41,2% und heuer
immer noch 39,6%. Bei den Gemeinderatswahlen 2010 aber schaffte die
OeVP dort gerade mal 25,4%. Das System Proell, die Herrschaft des
guetigen Landesvaters, scheint auch fuer Leute, die sonst
sozialdemokratisch waehlen, aeusserst attraktiv zu sein -- vielleicht
eben nur deswegen, weil man bei den Siegern dabei ist.

Aehnliches kann man aber auch ueber Stronach sagen. Den kannte bis vor
ein paar Jahren kein Mensch, dann aber kaufte er alles zusammen, was
nicht niet- und nagelfest war bis hin zur Fussballbundesliga, erwarb
Industriebetriebe, baute alles moegliche mit mehr oder weniger
Erfolg -- und fing sich dann aus der praesumtiven Konkursmasse des
BZOe einen Nationalratsklub zusammen. Und das reichte ihm als
Grundlage dafuer, derart bei zwei Landtagswahlen zu punkten -- ohne
ein Programm, ohne klare politische Aussagen (ausser, dass er gegen
den ESM ist) und mit Kandidaten, die fuer keinen irgendwie greifbaren
politischen Inhalt stehen. Der Vergleich mit Joerg Haider, der da
jetzt haeufiger gezogen wird, ist ueberhaupt nicht treffend. Denn
Haider baute auf einer zwar roechelnden, aber immerhin noch existenten
Partei auf und reuessierte mit wenn auch ungustioesen, so doch klaren
Aussagen. Von Stronach gibt es nur sein Laecheln auf Plakaten mit
nebulosen Spruechen und einige wenige, zumeist chaotische Interviews.
War es etwa die Art, wie er sich gegen die Interviewregeln eines Armin
Wolf wehrte, die ihm den Nimbus eines Rebellen verschaffte? Kaum!

Nein, Stronach ist der, der den beruehmten Traum des Tellerwaeschers,
der Millionaer werden will, verwirklichte. Er hat es geschafft. Er
versteht etwas von Wirtschaft, so die Botschaft. In einem Land, in dem
Betriebswirtschaft und Nationaloekonomie fuer das Gleiche gehalten
wird, und man lieber nicht sieht, wer denn tatsaechlich unter welchen
Bedingungen den Reichtum des Herrn Stronach erwirtschaftet hat,
funktioniert das. Wenn Stronach diesen Staat wirklich so fuehren
koennte, wie er seine Betriebe fuehrt, koennte man Demokratie und
Sozialsystem endgueltig vergessen -- aber das sehen seine Waehler
nicht. Sie sehen den Erfolgreichen, den Siegertypen -- und dessen
Anhaenger wollen sie sein.

Wahlpolitik ist doch nur ein Spektakel -- ein Spektakel der
Siegerfiguren. Waehrenddessen warfen sich in NOe beispielsweise die
KPOe und in Kaernten die ASOK mit unheimlich viel Engagement und fast
schon dem Mut der Verzweiflung in eine Wahlschlacht. Von ihren
Inhalten her haetten sie ja wohl fuer viele attraktiv sein muessen,
aber sie konnten nicht punkten, weil sie von Anfang an die Punze der
Verlierer trugen und bei den meisten Wahldiskussionsveranstaltungen
deswegen gar nicht eingeladen waren. Stattdessen wurden die Sieger
gewaehlt oder zumindest die, die schon mal ein bisserl was gewonnen
haben.

Mit dem Argument der "verlorenen Stimme" allein ist das nicht zu
begruenden. Viel wirkmaechtiger ist da der autoritaere Charakter. Denn
wahrscheinlich ist es das, woran unsere Demokratie am meisten krankt:
Die Sehnsucht, erfolgreichen Fuehrern hinterherzulaufen!
*Bernhard Redl*


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