**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 12. Februar 2013; 20:12
**********************************************************
Oe/Recht extrem/Kommentar:
> WIR, die stolzen Europaeer
Die Gegenbesetzung in der Votivkirche sollte unser Bild der extremen 
Rechten veraendern
"Identitaer" -- was soll das sein? Die "Wiener Identitaere Richtung" 
sorgte dieser Tage fuer Aufregung, weil eine Gruppe von neun jungen 
Maennern sich zu einer "Gegenbesetzung" der Votivkirche aufraffte. Der 
Ansatz war ein an der Spassguerrilla orientierter: Ein steirischer 
"Fluechtling" mit Steirerhut und Goiserern habe seinen Pass 
weggeworfen und wolle nun um Asyl ansuchen, da es ja doch den 
Asylwerbern viel besser ginge als den Einheimischen -- so die 
erzaehlte Geschichte dieses Theaters im oeffentlichen Raum.
So richtig lustig kam das aber nicht rueber. Das lag sicher auch an 
der etwas verkrampft-unsicheren Art, wie die Sache von den 
"Identitaeren" praesentiert wurde, aber auch am penetranten 
Praesentieren ihrer Fahne. Allein wie sie ihr Symbol, der griechische 
Majuskel Lambda in einem Kreis, schwarz auf gelben Grund der 
Oeffentlichkeit nahebrachten, hatte etwas Kriegerisches.
Genau in diesem Spannungsfeld bewegt sich aber die Gruppe, die sich zu 
einer europaweiten Bewegung aufschwingen will und die man der "Neuen 
Rechten" zuordnen kann. Der Auftritt in der Votivkirche war 
laecherlich, doch die Intervention in einer so heiklen Angelegenheit 
wie der Besetzung der Kirche durch Fluechtlinge brachte ihnen doch 
oesterreichweite Oeffentlichkeit -- seither ist "identitaer" auch 
hierzulande ein Begriff.
"Europaeismus"
Wie vieles in in Oesterreich ist auch diese Bewegung aus Deutschland 
importiert. Dort wiederum orientierte man sich am franzoesischen 2003 
begruendeten "Bloc Identitaire". Die Identitaeren entsprechen einer 
Tendenz, die schon seit laengerem immer staerker in der extremen 
Rechten Europas wird. Die klassischen Rechtsextremen setzten auf 
Nationalismus -- was in einer kleiner gewordenen Welt fuer sie ein 
Problem darstellt. Beispielsweise scheiterten die Versuche im 
Europaparlament eine rechtsextreme Fraktion zu bauen immer an den 
eigenen Widerspruechen -- da brauchte z.B. nur irgendwer laut 
"Suedtirol" rufen und schon war die Gespraechsbasis zwischen 
italienischen Neofaschisten und den Deutschnationalen den Bach runter.
Diese Spaltung aufzuheben ist Ziel der "Neuen Rechten". Man setzt auf 
eine "europaeische Identitaet" -- "Regionalismus, Nationalismus und 
Europaeismus" ist quasi die Tricolore dieser Bewegung. So neu ist das 
allerdings gar nicht, wurden diese Ideen doch schon seit 1951 mit der 
Gruendung der Zeitschrift "Nation Europa" mit einem gewissen Erfolg in 
der deutschsprachigen rechtsextremen Szene verbreitet. Der Hintergrund 
dieser ideologischen Neuausrichtung ist aber natuerlich nicht nur das 
Interesse an einer Ueberwindung der Spaltung der neuen Rechten, 
sondern resultierte auch aus den veraenderten politischen Bedingungen 
in Deutschland und Oesterreich. Denn nach 1945 sah sich die 
verbleibende Nazibewegung gezwungen, von den alten deutschnationalen 
Bildern loszukommen, da diese nun kompromittiert waren. Dass die 
Begruender von "Nation Europa" ein ehemaliger SS-Sturmbannfuehrer und 
ein ehemaliger SA-Obersturmfuehrer waren, macht klar, woher der Wind 
damals wehte. Das Europaeische dieser fruehen "Neuen Rechten" war 
hauptsaechlich das Interesse, dass Europa am deutschen Wesen zu 
genesen habe.
Mittlerweile hat sich aber der europaeische Gedanke in diesen 
Gruppierungen verfestigt -- wenn die Wiener Identitaeren in einem 
Youtube-Video betonen, keine Nazis zu sein, ist das nicht voellig 
falsch. Man orientiert sich in dieser Szene vielleicht hie und da noch 
hinter vorgehaltener Hand an Hitler, doch ist der alte Antisemitismus 
laengst dem Gedankengut eines Samuel P. Huntingtons oder eines Thilo 
Sarrazins gewidmet, also der Idee der Verteidigung des Abendlandes 
gegenueber der "Gefahr aus dem Osten". Der Buchstabe Lambda, den die 
Indentitaeren verwenden, verweist auf Leonidas, jenen 
Spartanerfuersten, der ja doch so heldenhaft gegen die eindringenden 
Perserheere gekaempft habe. Andere Ikonen sind Karl Martell und Prinz 
Eugen, aber auch die "Katholischen Koenige" Spaniens. Gerade mit der 
Forderung nach einer "neuen Reconquista", wie von manchen 
"Identitaeren" gefordert, wird aber der europapatriotisch-christliche 
Hintergrund klar. Das kommt jedoch alles schon verdammt nahe dem 
Gedankengut des norwegischen Massenmoerders Anders Breivik, der mit 
den Nazis nichts am Hut haben will und von einer "al-Qaida fuer 
Christen" traeumt. Und auch an H.C. Strache und sein Rumgefuchtel mit 
dem Kreuz fuehlt man sich erinnert -- den alten deutschnationalen, oft 
ausgepraegt antiklerikalen Rechtsextremen waere so etwas nie 
eingefallen.
Wenig treffsicherer Antifaschismus
Waehrend also das Rekurrieren auf das christliche Abendland fuer die 
Einigung der Rechten so hilfreich ist, fuehrt das auch zu einer 
Problematik bezueglich des vielbeschworenen antifaschistischen 
Konsenses in Europa.
Denn bislang hat zum einen die Linke sich auf ein paar Deppen 
konzentriert, die noch mit Hakenkreuzfahnen herumlaufen oder diese 
zumindest zu Hause haengen haben.
Zum anderen erwischt es auch den Staatsantifaschismus am falschen 
Fuss. Gerade in Oesterreich werden dadurch die ideologischen 
Versaeumnisse der letzten Jahrzehnte deutlich. Hierzulande hat man in 
der Nachkriegszeit Oesterreichpatriotismus -- und damit auch den 
politischen Katholizismus -- absurderweise mit Antifaschimus 
gleichgesetzt. Und in den 90ern kam dann etwas verspaetet das nach der 
franzoesisch-deutschen Aussoehnung gedichtete Hohelied auf Europa auch 
in unser Land. Der "europaeische Gedanke" sollte den alten 
Nationalismus ueberwinden, wir sollten alle "stolze Europaeer" werden. 
Doch jetzt kommen da rechtsextreme Gruppierungen, die genau diese 
Parolen konsequent weiterspinnen -- darauf hat ein klassischer 
buergerlicher Antifaschismus genau keine Antwort. Man erinnere sich 
daran, dass im ORF die Weisung ausgegeben worden war, Breivik nicht 
als militanten Christen sondern als Nazi zu stilisieren -- das 
resultierte nicht nur aus der Angst, die hiesige Staatsreligion 
koennte angepatzt werden, sondern auch aus dem Willen, das Bild eines 
Faschisten zu zeichnen, wie man es eben gewohnt ist. Ein Massenmoerder 
darf nunmal nicht christlich-europaeisch motiviert sein.
Bewegungen wie die Identitaeren brauchen wir jetzt sicher nicht zum 
Popanz aufbauen -- letztendlich werden diese idealistisch gesinnten 
Grueppchen wieder verschwinden. Aber man wird sich anhand dieser Leute 
wieder einmal klar werden muessen, dass faschistisches Gedankengut 
eben nicht auf irgendwelchen Spinnereien aufbaut, sondern aus der 
Mitte einer nach wie vor vom autoritaeren Charakter gepraegten 
Gesellschaft kommt.
*Bernhard Redl*
***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der 
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd 
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe 
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit 
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der 
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem 
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige 
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement 
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den 
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.
*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.redaktion{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976-00, Zweck: akin