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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 12. Februar 2013; 20:14
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Fremd in Oe:
> "Keine individuelle Verfolgung"
Wieder mal aus der Asylrechtspraxis ein Beispiel unter vielen
Die Proteste der Fluechtlinge haben Diskussionen ausgeloest und die 
oeffentliche Meinung sensibilisiert. Mittlerweile sollte klar sein, 
dass es nicht in erster Linie um bessere Quartiere geht. Aber auch der 
(sehr wichtige!) Zugang zum Arbeitsmarkt ist nur ein Teilaspekt.
Hauptursache der Proteste ist vielmehr die fortschreitende 
Verwahrlosung der Asyljudikatur, die permanente Missachtung der Genfer 
Fluechtlingskonvention durch das Bundesasylamt und den 
Asylgerichtshof.
Viele der Betroffenen stammen aus Pakistan, wo die (einst vom CIA 
herangezuechtete) Taliban einen Vernichtungskrieg gegen die 
schiitische Minderheit fuehren.
Einem von ihnen, Herrn T. (er war unser Klient, daher kenne ich seinen 
Akt), schossen die Taliban mit Raketenwerfern das Haus in Brand. Alle 
35 Doerfer in der Gegend wurden niedergebrannt. Er selber entkam; 
seine Eltern wurden spaeter umgebracht. Eine CD, die sein zerstoertes 
Heimatdorf zeigt, legte Herr T. dem Asylamt vor. Er entstammt einem 
den Taliban verhassten schiitischen Clan.
Das Bundesasylamt (Erstaufnahmestelle Ost; bis in eine Aussenstelle 
drang sein Akt gar nicht vor) machte kurzen Prozess und behauptete, 
sein Vorbringen sei "aeusserst allgemein"; er habe "keine individuelle 
Verfolgung vorgebracht".
Selbst wenn man allen seinen Angaben Glauben schenke, so das 
Bundesasylamt, wuerde dies keinesfalls zu einer Asylgewaehrung 
fuehren, da die Bedrohung "vom Staat ausgehen oder zumindest von 
diesem gebilligt werden" muesse. Der Staat Pakistan gehe aber "hart 
gegen den (!) Taliban vor".
Schon diese "Begruendung" ist eine Verhoehnung der Judikatur des 
Verwaltungsgerichtshofes, der (als er noch fuer Asylsachen zustaendig 
war) in jahrelanger Rechtsprechung entschied, dass Verfolgung eben 
nicht vom Staat ausgehen und auch nicht von ihm gebilligt werden muss, 
um asylrelevant zu sein, dass es vielmehr darauf ankommt, ob der Staat 
auch IN DER LAGE ist, vor Verfolgung zu schuetzen.
Letzteres ist in Pakistan, einem gescheiterten Staat, wo die Taliban 
nach Belieben ihr Spiel treiben, offenkundig nicht der Fall. 
Zahlreiche Medienberichte, die dies belegen, reichte unser gut 
informierter Klient im Laufe des Verfahrens (vergebens) nach.
Der Asylgerichtshof wies die Beschwerde ab, ohne eine Verhandlung 
durchzufuehren oder sonstige Ermittlungen anzustellen; er wiederholte 
im wesentlichen das Vorbringen der Erstaufnahmestelle, fuegte aber 
auch noch eigene Schmankerln hinzu:
Es sei zwar bekannt, dass Schiiten Opfer von Anschlaegen werden, 
jedoch seien 20 Prozent der Pakistani Schiiten, daher sei die 
statistische Wahrscheinlichkeit, dass gerade Herr T. (dessen Haus 
schon niedergebrannt ist, dessen Eltern ermordet wurden!) einem 
Anschlag zum Opfer fiele, doch sehr gering.
Er sei "freiwillig in seinem Haus geblieben", um gegen die Taliban zu 
kaempfen und sein Haus zu verteidigen, und habe "nicht einmal 
versucht, staatlichen Schutz zu erhalten".
Ja, da war er doch selber schuld, wenn er dann verfolgt wurde! Aber 
asylrelevant ist das nicht. Soweit die Logik eines oesterreichischen 
Beamtenhirns.
Der Asylgerichtshof vermeinte aber auch, einen "Widerspruch" in seinen 
Aussagen zu sehen:
Er hatte naemlich bei der ersten, kurzen Befragung in Traiskirchen 
gesagt, sein Haus sei niedergebrannt und seine Familie 
auseinandergerissen worden; um sein Leben zu retten, habe er fluechten 
muessen.
Bei der zweiten (ausfuehrlicheren) Befragung hatte er praezisiert, die 
Familie sei (zum Glueck!) schon fuenf Tage vor dem Angriff der Taliban 
gefluechtet (den er im Raketenhagel ueberstand).
Wieso das ein Widerspruch sein soll, bleibt ein Geheimnis des 
Asylgerichtshofes. Anfragen bitte ich dorthin zu richten 
(einlaufstelle-linz{AT}asylgh.gv.at; Zahl E10 418640-1/2011/23E vom 
10.10.2012)
Herr T. hat in Oesterreich eine Frau kennen gelernt; sie haben 
miteinander ein Kind. Sie ist aus Tschetschenien gefluechtet und in 
Oesterreich subsidiaer schutzberechtigt. Der Asylgerichtshof 
entschied, es sei ihr und dem Kind zumutbar, mit ihm nach Pakistan zu 
ziehen. Oesterreichische Staatsangehoerige hingegen warnt das 
Aussenamt auf seiner Homepage vor Reisen nach Pakistan wegen der dort 
ueberall herrschenden Terrorgefahr.
Ein Fall unter vielen; die Begruendungen sind skandaloes, aber nicht 
skandaloeser als hunderte andere. Offensichtlich ist weder das Asylamt 
noch der Asylgerichtshof in der Lage oder gewillt, die Genfer 
Fluechtlingskonvention (in Verbindung mit der Europaeischen 
Menschenrechtskonvention) rechtsrichtig anzuwenden.
*Michael Genner, Asyl in Not / gek.*
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