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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 12. Februar 2013; 20:20
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Suedafrika:
> 1,50 Euro am Tag
Der ANC ist laengst Teil des kapitalistischen Establishments. 
Ausgebeutete Bergarbeiter wollen nun eine neue sozialistische Partei 
gruenden.
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Die Mehrheitspartei in der Suedafrikanischen Regierung, der ANC 
(African National Congress) hat eine bewegte Geschichte. Die 1912 als 
Lobbygruppe einer schwarzen Bildungselite gegruendete 
Vorlaeuferorganisation South African Native National Congress (SANNC) 
orientierte sich stark an den Idealen der britischen Weissen und 
erwartete das auch von anderen Schwarzen. Ein Mitspracherecht fuer 
alle Schwarzen in Suedafrika gehoerte fuer lange Zeit nicht zu den 
Zielen des SANNC.
Nach der Umbenennung auf ANC Anfang der 1920er Jahre sank die 
Popularitaet durch den Einfluss linker Gewerkschaften, die naeher am 
Volk standen. In den 1930ern verschwand der ANC in der 
Bedeutungslosigkeit. Erst 1940 unter neuer Praesidentschaft wurde er 
modern restrukturiert und neuorganisiert. Als am bedeutsamsten sollte 
sich aber die Gruendung der Jugendorganisation ANC Youth League im 
Jahr 1944 erweisen, aus der auch Nelson Mandela hervorging. In dieser 
Zeit wurde erstmals das Ende der Apartheid gefordert und jedem 
Schwarzen (nicht nur einer Bildungselite) die Mitgliedschaft im ANC 
ermoeglicht.
Anfang der 1950er-Jahre wurde der ANC mittels eines breiten, dezidiert 
linken Anti-Apartheid-Programms zur Massenorganisation, an der sich 
grosse Teile der Arbeiterklasse orientierten. Auf Repressionen in den 
Jahren ab 1956 folgte das Verbot 1960. Ab dann operierte ein 
bewaffneter Teil des ANC aus dem Untergrund. 1964 wurden fuehrende 
Aktivisten, darunter Mandela, zu lebenslanger Haft verurteilt. Der ANC 
arbeitete weiter - im eigenen Land im Untergrund, ausserhalb mit 
eigenen Ausbildungszentren.
Der Schueleraufstand von Soweto 1976-78 zeigte, wie sehr es 
mittlerweile in der Bevoelkerung gaerte, und laeutete eine neue Aera 
offenen Widerstands ein. Erst ab Mitte der 1980er Jahre begannen 
Geheimgespraeche zwischen der Regierung und ANC-Fuehrern im Ausland. 
Dem mittlerweile zum Symbol gewordenen Nelson Mandela wurde unter fuer 
ihn inakzeptablen Bedingungen die Freilassung angeboten. Er lehnte ab. 
Unter dem neuen Praesidenten de Klerk wurde bald das Verbot des ANC 
aufgehoben und Mandela ohne Bedingungen freigelassen. 1993 folgte nach 
zaehen Verhandlungen zwischen de Klerk und Mandela die Aufhebung der 
Apartheid. Der ANC wurde als Partei zugelassen. 1994 gewann der ANC in 
den ersten freien Wahlen in Suedafrika 63 % der Stimmen. Nelson 
Mandela wurde der erste schwarze Praesident. Seither gewann der ANC an 
der Spitze einer Dreierkoalition immer die Wahlen, mehrfach mit 
Zweidrittelmehrheit.
Von Links nach Rechts
Aber was ist 20 Jahre nach dem Ende der Apartheid aus den Traeumen und 
Hoffnungen der Arbeiterklasse geworden? Sobald er staerkste Partei in 
der Regierung war, driftete der ANC immer weiter nach rechts und fiel 
seinen Waehlern in den Ruecken. Aus der "Rasse vor 
Klasse"-Gesellschaft der Apartheid wurde eine "Klasse vor 
Rasse"-Gesellschaft, in der es sich weisse Reiche zusammen mit 
schwarzen Reichen gemuetlich eingerichtet haben.
Die (schwarze) ArbeiterInnenklasse lebt hingegen mehr als je zuvor in 
Armut. Der durchschnittliche Arbeiter lebt von 18 Rand (1,50 Euro) am 
Tag, wobei jedoch 44% (6 Mio.) weniger als 10 Rand (0,82 Euro) am Tag 
verdienen. Die Arbeitslosigkeit bei Schwarzen liegt bei 35-40%, die 
Jugendarbeitslosigkeit bei mindestens 50%. Bei Weissen liegt die 
Arbeitslosigkeit uebrigens bei nur 8%.
In beinahe einem Viertel der Haushalte gehoert Hunger zum Alltag. 60% 
der Lohnsumme fallen auf 10% Reiche, waehrend die aermsten 50% der 
Bevoelkerung am Kuchen nur einen Anteil von 10% haben.
Unter besonders schlimmen Verhaeltnissen arbeitende Bergleute, von 
ihrer Gewerkschaft NUM nicht mehr in ihrem Sinn vertreten, begannen im 
Platinwerk Marikana zu streiken. Der Streik wurde von der AMCU, der 
kleineren der beiden suedafrikanischen Bergarbeitergewerkschaften, mit 
einer Lohnforderung von +22% ausgeloest. Im Lauf des Streiks gab es 40 
Tote durch Auseinandersetzungen zwischen den beiden Gewerkschaften 
sowie zwischen den Streikenden und der Polizei. Bei dem Versuch, 
bewaffnet eine Polizeiabsperrung zu durchbrechen, die wie in einem 
Schlachthof in einem immer engeren Gittergang endete, wurden in einem 
Massaker, wie es seit dem Ende der Apartheid keines gegeben hatte, am 
16. August 34 Streikende getoetet und 78 verletzt. Etlichen davon war 
in den Ruecken geschossen worden.
Von der Platinminenstadt Rustenburg ausgehend kam es in der Folge zu 
immer mehr grossteils wilden (d.h. ohne Beteiligung einer Gewerkschaft 
ausgerufenen) Streiks, die sich rasch auch auf Gold- und 
Kohlebergwerke ausdehnten. Waren es anfangs 3.000 Bergarbeiter in 
Marikana, so streikten am 1.Oktober bereits 75.000 Bergleute. Immer 
wieder kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, bei denen es 
oft auch Tote gab. Waehrend der Streiks gab es auch insgesamt 15.000, 
grossteils spaeter zurueckgenommene, Entlassungen.
Sozialistische WASP in Gruendung
Unter diesen Umstaenden beinahe erstaunlich, entwickelte sich trotz 
der nicht mehr vorhandenen Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften rasch 
eine strukturelle Selbstorganisation mit Streikkomitees und internen 
demokratischen Strukturen. Diese neu entstandenen, stark politischen, 
Bewegungen benoetigen und erhalten natuerlich Unterstuetzung und 
Beratung. Das Democratic Socialist Movement (DSM, eine kleine 
trotzkistische Partei, Anm. akin) schlug im Dezember 2012 gemeinsam 
mit den Streikkomitees die Gruendung einer neuen Arbeiterpartei, der 
Workers and Socialist Party (WASP) vor.
"Alle derzeitigen Parteien sind in gewissem Ausmass kapitalistisch. 
Keine davon vertritt die Interessen der Arbeiterinnenklasse", sagt der 
aus dem DSM stammende Mametlwe Sebei, designierter Vorsitzender der 
WASP. Weiter: "Die Arbeiter fragen sich: Was sollen wir mit dieser 
Regierung, die uns toetet, anfangen? Der ANC hat die Arbeiterklasse 
niemals vertreten - und obwohl dieses Land mit dem Blut der 
Bergarbeiter errichtet wurde, tut dies auch die COSATU [der 
suedafrikanische Gewerkschaftsbund] nicht!" Zum Programm der WASP sagt 
Sebei: "Ein sozialistisches Programm. Wir werden fuer die 
Verstaatlichung der Bergwerke, der Banken und der Grossbetriebe 
eintreten. [...] WASP wird eine kaempferische Partei sein, in der sich 
unter anderem die Proteste der Arbeiterschaft, von Schuelern und 
Studenten vereinen werden."
Hatte die erste Versammlung am 20.12.2012 noch 20 Teilnehmer, soll der 
Gruendungsparteitag am 21. Maerz 2013 bereits in einem Stadion mit 
50.000 Plaetzen stattfinden. Die naechste Wahl in Suedafrika findet 
voraussichtlich im April 2014 statt.
*Peter Gruendler, SLP*
Website der WASP: http://workerssocialistparty.co.za
Spenden erbeten an das Konto der SLP, PSK 8812.733, BLZ 60.000 
(Verwendungszweck: Suedafrika)
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