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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 23. Jaenner 2013; 03:17
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Demokratie/Debatte:
Die demokratische Farce einer Volksbefragung
*Tassilo Seidl-Zellbrugg* und *Gerhard Schuster* eroerterten am Tag
der Volksbefragung auf der Homepage "zapata33 -- die zukunft der
revolution" die verfassungsphilosophische Widerspruechlichkeit dieses
als direktdemokratisch angesehenen Instruments.
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Zum ersten mal in seiner Geschichte wird heute in Oesterreich eine
Volksbefragung auf Bundesebene durchgefuehrt. Diese Moeglichkeit des
Nationalrates, das Volk zu einer unverbindlichen Meinungsaeusserung
aufzufordern, besteht - im Unterschied zu Volksbegehren und
Volksabstimmung, welche schon in der ersten Republik in unserer
Verfassung vorgesehen waren - erst seit 1989. Oft wurde ihre Anwendung
in den parteipolitischen Debatten verlangt, doch ist bisher darauf
verzichtet worden. Was gut war! Jetzt hat die Republik diesbezueglich
ihre Unschuld verloren. Warum? Was findet bei der Volksbefragung
eigentlich statt? Es wird behauptet, die Volksbefragung haette etwas
mit direkter Demokratie zu tun. Aber stimmt das eigentlich? Nun, sie
figuriert in unserer Verfassung (Artikel 49b), aber ist sie vom Wesen
der Sache her mit der Idee der Demokratie vereinbar?
In drastischen Worten und in unuebertroffener Klarheit hat es einmal
der CDU-Abgeordnete Rainer Barzel formuliert, als es bei unseren
deutschen Nachbarn in den 50er-Jahren um die Atombewaffnung ging und
die damalige SPD-Opposition auch zu dem Mittel einer Volksbefragung
greifen wollte. Dazu entgegnete er: "Es ist eine undemokratische
Zumutung, amtlich das ganze Volk zu einer unverbindlichen
Meinungsaeusserung aufzufordern. Wenn sich der Souveraen aeussert,
dann entscheidet er auch ... Die Volksbefragung ist kein Rechtsinstitut
fuer eine demokratische Verfassung; sie passt nur in die Diktatur. Es
waere mit dem demokratischen Prinzip unvereinbar, wenn der Wille des
Volkes nur unverbindliche Richtschnur waere ... In der Demokratie ist
das Volk der Souveraen ... nicht Orakel und nicht Hampelmann." (am 24.
4. 1958 im Deutschen Bundestag)
"In der Demokratie ist das Volk der Souveraen!" - Das stellt auch die
oesterreichische Verfassung fest, wenn es im Artikel 1 heisst:
"Oesterreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk
aus". Wie aber kann der Souveraen sich ueberhaupt unverbindlich
aeussern? Es ist ein Widerspruch in sich. Der Begriff des Volkes ist
nicht der Begriff "Bevoelkerung" im Sinne der Summe aller Buergerinnen
und Buerger, die eine unverbindliche Meinung haben. Das Volk - im
Sinne von "Rechtsgemeinschaft" - ist ein handelndes Subjekt fuer sich,
das, wenn es sich aeussert, einen Willen formuliert - den
Gemeinwillen. Dieser kann ein Wahlergebnis sein oder - bei
Volksabstimmungen - ein verbindlicher Entscheid in einer Frage der
Gesetzgebung. Fehlt die Verbindlichkeit, handelt es sich nicht um ein
demokratisches Entscheiden des Subjektes "Volk", sondern um Demoskopie
(Meinungsforschung), die im Falle der Anwendung einer Volksbefragung
ein teures - durch Steuern finanziertes - Mittel waehlt.
Man kann dem entgegenhalten, dass in dem konkreten Fall der Befragung
zur Wehrpflich beteuert wurde, das Ergebnis als verbindlich zu
beachten. Beim naeheren Hinschauen sieht man aber, dass auch damit dem
demokratischen Prinzip Hohn gesprochen wird. Denn wer ist es denn, der
die Verbindlichkeit der Volksbefragung verspricht? Die Regierung - so
liest man es sogar in der Parlamentskorrespondenz (Nr. 682 vom
14.09.2012). Und wer hat etwaige Aenderungen in Sachen Wehrpflicht
demokratisch umzusetzen? Das Parlament als der
repraesentativ-demokratische Gesetzgeber. Hier masst sich die
Regierung die Macht der Gesetzgebung an, die sie nicht hat. Die
Regierung hat nur im Rahmen beschlossener Gesetze zu handeln; beim
parlamentarischen Beschliessen der Gesetze jedoch gilt: "Die
Mitglieder des Nationalrates und die Mitglieder des Bundesrates sind
bei der Ausuebung dieses Berufes an keinen Auftrag gebunden." (Art.
56,1 B-VG). Es werden also mit diesem Regierungs-Versprechen offen die
fuer eine Demokratie fundamentalen Prinzipien der Gewaltenteilung und
des freien Mandats missachtet. Wenn also die Volksbefragung rechtlich
nicht bindend ist, kann fuer die Mitglieder des Parlaments aus dem
Ergebnis kein "Auftrag" erwachsen. Verpflichtet sind sie nur ihrem
Gewissen. Nur das ist demokratisch!
Anders sieht es aus, wenn bei einer Volksabstimmung von vornherein
feststeht, dass das Ergebnis gueltig ein Gesetz beschliesst oder - wie
es in Oesterreich der Fall ist - ein durch den Nationalrat
beschlossenes Gesetz bestaetigt oder verworfen wird (s.Art. 43 B-VG).
Hier bleibt die Gewissensentscheidung des einzelnen Mitgliedes des
Parlaments unberuehrt.
Auf den ersten Blick kann dieser Sachverhalt uebersehen werden und man
meint in der Erklaerung, die Volksbefragung verbindlich umzusetzen,
etwas demokratisch Fortschrittliches zu erblicken. Die Volksbefragung
als Quasi-Volksabstimmung. Warum dann aber nicht gleich eine
verbindliche Volksabstimmung? Argumentiert wurde: Weil man dazu ein
beschlossenes Gesetz brauchen wuerde, fuer das es aber keine Mehrheit
im Nationalrat gab. Wie aber kann dann "versprochen" werden, dass sich
daran nach einer rechtlich unverbindlichen Volksbefragung etwas
aendert und die parlamentarische Mehrheit danach eine andere waere?
Die Volksbefragung ist und bleibt eine Befragung und kann niemals zum
Entscheid werden!
Aus diesen Ueberlegungen kann gesehen werden, dass das Instrument der
Volksbefragung sowohl antiplebiszitaer wie auch antiparlamentaristisch
ist. Soll die Befragung dem Parlament nur zur Richtschnur dienen, wird
der Souveraen nicht ernst genommen. Wird sie fuer verbindlich
erklaert, geraet der Parlamentarismus unter den Druck, seinen Willen
nicht mehr frei zu bilden.
Die Regierung in einer Demokratie darf nur regieren, entscheiden muss
das Volk - direkt oder durch gewaehlte Vertreterinnen und Vertreter in
einem von der Exekutive unabhaengigen Parlament. Ā la hauteur des
principes gedacht sind die direkt- und indirekt-demokratischen
Entscheidungsprozesse zwei wohl komplementaer zusammenwirkende aber
voneinander unabhaengige Saeulen, die sich gegenseitig nicht unter
Druck setzen oder missbrauchen duerfen.
(gekuerzt)
Volltext:
http://www.zapata33.com/2013/01/20/die-demokratische-farce-einer-volksbefragung
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