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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 15. Jaenner 2013; 22:04
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China:
> Akademisch fuer Marxismus
China wird - nicht ganz zu Unrecht - assoziiert mit 
Wachstumsfetischismus, blindem Vertrauen in die Segnungen des 
"Marktes" und ausufernder Konsumideologie. Aber es gibt auch 
Gruppierungen, die gegen den Strom schwimmen. Die "Akademie fuer 
Marxismus" in der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften ist 
eine von ihnen.
Wenn man/frau nach China kommt, ist man mit der allumfassenden 
Vermarktung des Lebens konfrontiert. Selbst die zentralen staatlichen 
Nachrichten im Fernsehen werden mehrmals durch Werbebloecke 
unterbrochen. Konsum, Konsum und nochmal Konsum ist die dominerende 
Ideologie. Dies haengt nicht nur mit dem nur allzu verstaendlichen 
Nachholbedarf der chinesischen Bevoelkerung zusammen, sondern wird 
bewusst von der chinesischen Fuehrung lanciert: "Brot und Spiele", um 
Gesellschaftskritik niederzuhalten.
Waehrend in den Medien zum Grossteil nur oberflaechliche Unterhaltung 
oder regimefreundliche Propaganda geboten wird, haben es linke 
Publikationen schwer. Immer wieder werden fortschrittliche websites 
"gestoert". Angesichts der allgegenwaertigen Repression sind nur 
wenige bereit, sich gegen den mainstream zu stemmen. Die "Akademie 
fuer Marxismus" in der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften 
ist einer der kritischen Stachel.
In den Publikationen der Akademie fuer Marxismus wird der "Sozialismus 
mit chinesischen Merkmalen" einer kritischen Reflexion unterzogen. Der 
Leiter der Akademie Prof. Enfu Cheng hat kuerzlich einen Artikel 
veroeffentlicht, in denen er die die wesentlichsten ideologischen 
Stroemungen in China (in der Bandbreite Neoliberalismus ueber 
Keynesianismus bis hin zu kritischem Marxismus) mit Zitaten und 
Namensnennung analysierte und dabei die Neoliberalen in der KP einer 
scharfen Kritik unterzog - eine Vorgangsweise, die ich - 
vergleichsweise - waehrend meiner Cuba-Aufenthalte nicht registrieren 
konnte. Im Zuge der Vorbereitung des Parteitags im November 2012 
machte er sich auch dafuer stark, dass im Parteiprogramm die 
"Prioritaet des oeffentliches Eigentums" gewahrt wird.
Die Akademie fuer Marxismus spielt mit ihren Instituten an etlichen 
Universitaeten nicht nur innerhalb Chinas eine wichtige Rolle. Auch 
ihre internationale Taetigkeit ist beachtlich. Bereits 2006 wurde - 
vor allem in Kooperation mit MarxistInnen aus den USA und Japan die 
"World Association for Political Economy" (WAPE) gegruendet. Jaehrlich 
findet in einem anderen Land das internationale Forum der WAPE statt. 
Auf den Foren wird offen und kontroversiell ueber die globale 
Entwicklung des Kapitalismus und seine Krisen, aber auch ueber die 
sozialen, oekologischen und politischen Probleme in China diskutiert. 
Ich selbst nahm an den letzten drei Foren teil und referierte unter 
anderem ueber "Welche Art von Sozialismus im 21. Jahrhundert?" und 
nahm mir dabei hinsichtlich Stalinismus oder Politik der chinesischen 
Buerokratie kein Blatt vor den Mund. Die "Akademie fuer Marxismus" lud 
mich auch zu "speakers-tours" nach China ein, wo ich an mehreren Unis 
ueber die "Krisen in Europa - Die Antwort der Linken" oder die 
ansteigende Woge des internationalen Rechtsextremismus und 
Rechtspopulismus Vortraege hielt.
Die Akademie fuer Marxismus bzw. die WAPE verfuegt ueber eine Reihe 
von Publikationen. Auf zwei moechte ich besonders verweisen: "World 
Journal of Political Economy" und "International Critical Thought".
Die WAPE machte eine bestimmte Entwicklung durch. Dominierten in den 
ersten Jahren theoretische Analysen ziemlich fern von praktischen 
Ueberlegungen, sind nunmehr auch aktuelle Querbezuege zu sehen: auf 
dem letzten WAPE-Forum im Mai 2012 in Mexico City wurde in die 
Schlussresolution ein Passus aufgenommen der zur "konkreten 
Solidaritaet mit dem Widerstand gegen die Austeritaetspolitik des 
internationalen Kapitals in Griechenland" aufruft. Wenn man /frau sich 
die Politik der chinesischen Regierung oder chinesischer Unternehmen 
in Erinnerung ruft (die Firma Cosco kaufte eine Teil des Hafens von 
Piraeus, verschaerfte die Arbeitsbedingungen extrem und schraenkte die 
Gewerkschaftsrechte drastisch ein), so ist das alles andere als eine 
"internationalistische Selbstverstaendlichkeit". GenossInnen der 
Akadamie ueberlegen auch am kommenden Weltsozialforum (26.-30. Maerz 
in Tunis) teilzunehmen.
Das naechste WAPE-Forum findet von 23.-26. Mai 2013 auf der Federal 
University of Santa Catarina in Florianopolis in Brasilien statt. 
Themen wie "Modelle des Sozialismus", "Analyse der aktuellen Finanz- 
und Wirtschftskrise" oder "Oekosozialismus und die Anti-AKW-Bewegung" 
lassen daruf schliessen, dass es auch diesmal spannend werden wird.
*Hermann Dworczak*
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