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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 15. Jaenner 2013; 21:41
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Militaer/Demokratie/Diskussion:
> Hornberger Befragung
Am Abend des 20.Jaenner werden wir also das Ergebnis der 
Volksbefragung haben. Und die Debatte geht in die naechste Runde. Denn 
nach wie vor weiss niemand so recht, was die Frage eigentlich bedeuten 
soll. Es gibt vage Konzepte der OeVP fuer eine Reform des 
Wehrpflichtigenheeres und ebenso vage Konzepte fuer Berufsheer und 
Sozialjahr der SPOe. Egal, wie das Ergebnis ist, keines der beiden 
Konzepte wird dann Realitaet werden, denn danach muessen sich erst 
SPOe und OeVP darauf einigen, was umgesetzt werden soll, von dem man 
auch sagen kann, es waere gemaess dem Ergebnis der Volksbefragung. 
Denkbar ist auch, dass erst recht ein Kompromiss realisiert wird, der 
so oder so interpretierbar ist.
Da der Trend hin zu einem voll ausgebauten Berufsheer aufgrund der 
EU-Zusammenhaenge auf lange Frist nicht ignorierbar ist, wird sich 
dieses kaum vermeiden lassen. Die Sinnhaftigkeit, dann noch 
zusaetzlich jaehrlich 22.000 Maenner einzuberufen, um sie sinnlose 
Taetigkeiten verrichten zu lassen, wird hoechstens noch als Entlastung 
des Arbeitsmarkts und als rechtliche Grundlage fuer die 
Zivildienstpflicht vorhanden sein, sonst aber kaum. Ob das aber 
ausreicht, diese Zusatzkosten zu legitimieren, ist mehr als fraglich.
Umgekehrt wird ein voelliger Verzicht auf die Wehrpflicht (selbst ohne 
die Zivildienstproblematik) auch nicht im Interesse des Staates 
sein -- schliesslich geht das Bundesheer von einer theoretischen 
Gesamtmobilisierungsstaerke von einer Million Mann aus, das sind alle 
Maenner im wehrpflichtigen Alter, die nicht zivildienstpflichtig sind 
und zumindest teilweise wehrtauglich. Dazu kommt eine mittlerweile 
auch recht ansehnliche Zahl an Zivildienstpflichtigen, die zu einem 
ausserordentlichen Dienst auch im Rahmen der "Umfassenden 
Landesverteidigung" herangezogen werden koennen. In der 
augenblicklichen politischen Situation erscheint die Moeglichkeit 
einer solchen Mobilmachung zwar voellig abwegig, aber letztlich kann 
sich eben diese Situation sehr schnell aendern. Will sich der Staat 
wirklich diese Reserve fuer Kriegs-, aber auch Buergerkriegs- und 
sonstige Notstandssituationen nehmen lassen?
Dazu kommt, dass dieser Regierung vielleicht nur mehr wenig Zeit 
bleibt, eine Reform umzusetzen -- die ja auch im Falle einer 
Entscheidung fuer die Wehrpflicht passieren soll. Spaetestens im 
Herbst wird gewaehlt, wie die Koalition danach aussehen wird, kann 
jetzt noch niemand sagen. Wuerde Schwarzblau bei entsprechendem 
Ausgang der Volksbefragung wirklich die Wehrpflicht abschaffen? Oder 
Rotgruen im umgekehrten Fall die Wehrpflicht beibehalten? Und selbst 
bei einer grossen Koalition wuerde sich bei einem Votum fuer die 
Abschaffung der Wehrpflicht so leicht nicht die notwendige 
Verfassungsmehrheit im Nationalrat finden lassen.
Eine oesterreichische Loesung?
Kann es nicht sein, dass relativ bald einfach die Wehrpflicht 
ausgesetzt, also keine Zwangseinberufungen mehr passieren, und 
stattdessen vielleicht eine Art Freiwilligen-Grundwehrdienst 
eingefuehrt wird? Dies koennte man naemlich bei jedem Ergebnis der 
Volksbefragung als Durchsetzung des Volkswillen darstellen -- eine 
oesterreichische Loesung eben. Der Verdacht, dass irgendein windiger 
Kompromiss herauskommen soll, wird durch die Tatsache, dass man statt 
einer Volksabstimmung mit einem eindeutig formulierten 
Gesetzesvorschlag eine nicht bindende Volksbefragung angesetzt hat, 
auch nicht gerade entkraeftet.
Was wird uns das Ergebnis aber ueber die Tendenzen in der 
oesterreichischen Bevoelkerung ueber das Thema sagen? Auch nichts. Die 
Stimmen gegen die Wehrpflicht kann man kaum als Votum fuer ein 
Berufsheer zu werten, aber als a) gegen die Militarisierung der 
Gesellschaft oder b) gegen Zwangsdienste im Allgemeinen oder c) als 
Abwehr einer denkbaren Wehrpflicht fuer Frauen oder eben d) generell 
gegen das Bundesheer gerichtet interpretieren -- je nach Geschmack; 
von jenen Stimmen, denen es darum geht, ein Votum fuer die SPOe oder 
auch nur Norbert Darabos als Verteidigungsminister abzugeben, gar 
nicht zu reden. Ebenso koennen die Stimmen fuer die Wehrpflicht 
genauso wahlweise als a) gegen eine Buergerkriegs- und NATO-Armee oder 
b) ebenso generell gegen das Bundesheer gerichtet als auch c) als 
Ausdruck des autoritaeren Charakters, der immer noch moechte, dass die 
"jungen Burschen parieren lernen", oder gar d) als Votum gegen die von 
Strache befuerchtete "Migrantenarmee" interpretiert werden. Genauso 
ist hier eine parteipolitische Interpretation moeglich, zum Beispiel 
als Stimme fuer eine Neuauflage von Schwarzblau.
Natuerlich koennte es aber auch passieren, dass die Beteiligung an der 
Volksbefragung derart gering und die Zahl der ungueltigen Stimmen so 
hoch wird, dass die Glaubwuerdigkeit des Votums auch in der breiten 
Oeffentlichkeit einfach nicht mehr gegeben ist. Dies liesse aber 
ebenso ein breites Spektrum an Erklaerungen zu, denn diese 
Enthaltungen koennten sowohl als a) generelle Ablehnung des 
Bundesheeres als auch b) die Kritik an der Verknuepfung von 
Wehrverfassung und Sozialstaat sowie c) der voelligen Unklarheit ueber 
die aus dem Votum sich ergeben koennenden Konsequenzen interpretiert 
werden. In diesem Fall wuerde also die Politik erst recht freie Hand 
haben, wie sie die Zukunft des Militaers in Oesterreich gestalten 
moechte.
Die Wahrscheinlichkeit also, dass die erste bundesweite Volksbefragung 
in unseren schoenen Demokratie eher ein Hornberger Schiessen wird, ist 
nicht gerade gering. Ein Gutes aber hat diese Befragung doch: Ueber 
das Bundesheer wird wieder geredet und die Institution zurueck in den 
politischen Diskurs geholt. Da kann auch die antimilitaristische 
Bewegung wieder neu ansetzen. Am 20.Jaenner werden die Diskussionen 
nicht beendet sein, sondern erst so richtig beginnen. Und das bietet 
erneut Chancen, in der oeffentlichen Debatte auch wieder mit der 
Forderung nach der Abschaffung des oesterreichischen Bundesheeres 
Gehoer zu finden. Ob wir diese nutzen koennen, haengt aber vor allem 
von uns selbst ab.
*Bernhard Redl*
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