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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 19. Dezember 2012; 03:23
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EU/Kapitalismus:
> Six-Pack, Two-Pack, EuroPlus-Pakt, Fiskalpakt, ESM etc.
Fakten zur Fiskal- und Wirtschaftsunion, 
zusammengestellt von *Attac Deutschland*
Unter dem Eindruck der europaeischen Finanz- und Wirtschaftskrise 
haben die politischen Eliten eine ganze Reihe weitreichender 
Reformbuendel durchgesetzt. Die Logik dieser Pakte und Pakete ist 
immer die gleiche: Die oeffentliche Verschuldung soll durch 
Ausgabenkuerzungen abgebaut und die Wettbewerbsfaehigkeit durch 
Deregulierung und Privatisierung gesteigert werden. Doch diese Politik 
geht an den Ursachen der Krise vorbei, denn die hohen oeffentlichen 
Schulden sind nicht Folge zu hoher Staatsausgaben. Problematisch wurde 
der Schuldenstand erst durch die Auswirkungen der globalen Finanzkrise 
und die gigantischen Bankenrettungsaktionen. Auch eine "zu niedrige 
Wettbewerbsfaehigkeit" ist nicht das Problem Europas. Vielmehr ist es 
die unterschiedliche Wettbewerbsfaehigkeit der einzelnen Staaten, 
insbesondere in der Eurozone, die zu krisenhaften Ungleichgewichten 
fuehrt.
Die gegen die Krise verabreichte Medizin beruht also auf einer 
falschen Diagnose. Kein Wunder, dass sie nicht wirkt und die Krankheit 
sogar noch verschlimmert. Die Kuerzungspolitik fuehrt zu einer tiefen 
Rezession, zu Arbeitslosigkeit, Armut, ruecklaeufigen Steuereinnahmen 
und immer weiter steigenden Schulden. Zudem hoehlt sie die Demokratie 
aus: Je hoeher die Schulden sind, umso mehr politische Macht wird von 
den gewaehlten Parlamenten an die Europaeische Kommission, die 
Zentralbank und den Internationalen Waehrungsfonds uebertragen. Die 
Staaten in Suedeuropa entscheiden heute nicht mehr souveraen ueber 
ihre Wirtschafts- und Sozialpolitik. Und auch im Rest der EU wird der 
"Einfluss aus Bruessel" immer groesser.
Das Ziel dieser Politik ist ein undemokratischer, neoliberaler Umbau 
der EU. Daraus machen die politischen Eliten kaum mehr ein Geheimnis. 
Kommissions-Praesident Barroso spricht von einer "stillen, 
schrittweisen Revolution" und Bundeskanzlerin Merkel fordert eine 
"marktkonforme Demokratie". Die Verabschiedung von Fiskalpakt und ESM 
war in diesem Prozess ein vorlaeufiger Hoehepunkt. Man kann sich nun 
fragen, ob es noch schlimmer kommen kann. Es kann - mit der Fiskal- 
und Wirtschaftsunion.
Was ist die Fiskal- und Wirtschaftsunion?
Laut dem Praesidenten des Europaeischen Rates, Herman van Rompuy, muss 
die europaeische Integration schnell weiterentwickelt werden um die 
Krise zu ueberwinden. Deswegen hat er gemeinsam mit dem Praesidenten 
der Kommission, Manuel Barroso, dem Praesidenten der EZB, Mario Draghi 
und Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker einen Vorschlag zur Schaffung 
einer "echten Wirtschafts- und Waehrungsunion" vorgelegt. Dieses 
Papier enthaelt unter anderem eine Reihe von Vorschlaegen fuer eine 
Fiskalunion und eine staerkere wirtschaftspolitische Integration. Der 
Rat hat den Vorschlaegen waehrend dem EU-Gipfel im Oktober 2012 
grundsaetzlich zugestimmt. Nun geht es um die Details und den 
Zeitplan.
Welche Veraenderungen sind vorgesehen?
Im Kern enthaelt der Vorschlag von van Rompuy & Co. drei Massnahmen. 
Alle drei zielen darauf ab, den neoliberalen, autoritaeren 
Umbauprozess einen grossen Schritt voranzubringen. Alle drei bedeuten 
einen Angriff auf soziale Rechte und Demokratie in Europa.
Eurozonen-Budget
Waehrend das EU-Budget unter starkem Kuerzungsdruck steht, soll die 
Eurozone ein eigenes Budget bekommen. Der Unterschied zwischen 
EU-Budget und Eurozonen-Budget ist nicht nur, dass letzteres nur die 
17, statt der 27 Laender einbindet. Hinzu kommt, dass es auf EU-Ebene 
ein Parlament gibt, das zumindest teilweise eine demokratische 
Kontrollfunktion uebernehmen kann. In der Eurozone gibt es sowas 
nicht. Zwar wird derzeit ueberlegt, ein neues Parlament zu schaffen 
oder das Europaeische Parlament so zu flexibilisieren, dass 
Euro-Angelegenheiten nur von den ParlamentarierInnen aus den 
Eurolaendern beschlossen werden. Zweifelhaft bleibt, ob damit eine 
Institution geschaffen wird, die ausreichende Befugnisse erhaelt um 
das Budget zu ueberwachen. Mit der Schaffung eines separaten 
Eurozonen-Budgets wuerde zudem die Spaltung innerhalb der EU weiter 
vorangetrieben: Am Rande eines "Euro-Kern-Europas" entstuende ein 
broeckelnder Rest, der nicht mehr viel mehr waere als ein Binnenmarkt.
Fehlt die demokratische Kontrolle des Budgets, so koennte damit eine 
Politik betrieben werden, die den Interessen der Menschen 
widerspricht. Dieses Vorgehen ist im Papier von van Rompuy & Co. 
bereits angelegt. Die Details werden derzeit noch ausgearbeitet, aber 
klar ist bereits, dass das Budget genutzt werden soll um "Anreize zu 
schaffen, strukturelle Schwaechen zu beseitigen". Die bisherige 
"Krisenpolitik" des Europaeischen Rates und der Kommission legt eine 
Deutung dieser Formulierung nahe: Jener Mitgliedsstaat soll am meisten 
von dem Budget profitieren, der den am weitesten reichenden 
Sozialabbau betreibt.
Strengere Haushaltskontrolle
Six-Pack und Fiskalpakt enthalten eine Reihe von Massnahmen zur 
strengeren Kontrolle nationaler Haushalte. Sowohl die Regeln, wie hoch 
ein Staat verschuldet sein darf, als auch die Sanktionen im Falle des 
Verstosses wurden verschaerft. Zudem wurde festgelegt, dass die 
Schulden im Wesentlichen durch Ausgabenkuerzungen, nicht etwa durch 
Steuererhoehungen abzubauen sind. Nun werden Plaene fuer 
Kontrollmechanismen geschmiedet, durch die die Staaten zu noch mehr 
Haushaltsdisziplin gezwungen werden koennen. Die grobe Idee, wie das 
gemacht werden soll, steht: Der Kommission sollen weitere 
"Durchgriffsrechte" auf die nationale Politik eingeraeumt werden. 
Finanzminister Schaeuble schlaegt vor, dem Waehrungskommissar ein 
Veto-Recht gegen nationale Haushalte zu erteilen. Eine einzelne, nicht 
gewaehlte Person koennte damit die Haushaltsentscheidungen eines 
Parlamentes torpedieren, wenn sie der Meinung ist, dass nicht genug 
gekuerzt wird.
Vereinbarungen mit vertraglichem Charakter
Alle Eurolaender sollen Vertraege mit der EU abschliessen, in denen 
sie sich dazu verpflichten, die laenderspezifischen Empfehlungen des 
Europaeischen Rates umzusetzen. Diese Empfehlungen wurden 2011 mit dem 
so genannten Europaeischen Semester eingefuehrt. Weitere ergeben sich 
aus dem Six-Pack, das Anfang 2012 eingefuehrt wurde. Die Ausgestaltung 
dieser Massnahmen und die bisherigen Erfahrungen damit machen 
deutlich, was die Inhalte der Vertraege sein werden: Lohnsenkungen, 
Rentenkuerzungen, ein Abbau von ArbeitnehmerInnen-Rechten und eine 
Verkleinerung des oeffentlichen Sektors. Bisher waren die Empfehlungen 
aus dem Europaeischen Semester unverbindlich. Nun sollen sie 
verpflichtend gemacht werden. Die Regierungen wuerden die Vertraege 
mit der EU aushandeln. Die parlamentarische Mitgestaltung wuerde dabei 
auf ein Minimum reduziert werden. Faktisch wuerde so die 
"Memoranden-Politik", die wir in Suedeuropa beobachten koennen, Schon 
heute wird die griechische Lohnpolitik nicht mehr in Athen, die 
portugiesische Rentenpolitik nicht mehr in Lissabon und die spanische 
Arbeitsmarktpolitik nicht mehr in Madrid gemacht. Die wichtigen 
Massnahmen werden in Bruessel entwickelt und von der Troika mit den 
Regierungen ausgehandelt. Die deutsche Bundesregierung ist dabei mit 
ihrer vorherrschenden Stellung im Rat die treibende Kraft. Dieses 
undemokratische Verfahren soll kuenftig in aehnlicher Form in der 
gesamten Eurozone zur Anwendung kommen. Und zwar dauerhaft.
Forderungen von Attac
Die Vorschlaege zur Schaffung einer Fiskal- und Wirtschaftsunion 
bedeuten einen massiven Angriff auf soziale Rechte und Demokratie in 
Europa. Deshalb setzt Attac sich dafuer ein, dass diese Vorschlaege 
nicht umgesetzt werden. Darueber hinaus braucht es einen radikalen 
Wandel in der gesamten Krisenpolitik. Denn die aktuelle Politik 
verschaerft die Krise nur weiter. Sie verteilt die Kosten nach unten 
um, statt die Profiteure der deregulierten Finanzmaerkte zur Kasse zu 
bitten. Sie hoehlt die Demokratie aus und zerstoert die Sozialstaaten. 
Attac fordert:
- Eine Ruecknahme saemtlicher Kuerzungspakete, die in Europa in den 
letzten Jahren durchgesetzt wurden. Diese Massnahmen verschaerfen die 
Krise und dienen nur dazu, die Kosten nach unten umzuverteilen.
- Eine Aussetzung des Schuldendienstes und eine Streichung saemtlicher 
illegaler und illegitimer Schuden. Durch Audits soll ermittelt werden, 
welche oeffentlichen Schulden ueberhaupt berechtigt sind.
- Eine einmalige, europaweit koordinierte Vermoegensabgabe um die 
Kosten der Krise zu tragen. Das reichste eine Prozent der Gesellschaft 
soll umfassend an den Kosten der Krise beteiligt werden. Es sind die 
Superreichen, die mit hochriskanten Spekulationsgeschaeften die Krise 
erst verursacht haben.
- Eine dauerhafte Stabilisierung der oeffentlichen Einnahmen. Dazu 
gehoeren zum Beispiel eine jaehrliche Vermoegenssteuer, hoehere 
Steuern auf Gewinne, Spitzeneinkommen und Kapitalertraege, eine Steuer 
auf alle Finanztransaktionen sowie ein konsequenter Kampf gegen 
Steuerflucht und - hinterziehung.
- Grossbanken muessen zerschlagen und der Bankensektor demokratischer 
Kontrolle unterstellt werden. Es darf keine "systemrelevanten Banken" 
mehr geben, die Staaten erpressen koennen.
-Eine strenge Regulierung und Schrumpfung der Finanzmaerkte, die 
beispielsweise ein Verbot von Hedgefonds, Private Equity Fonds, 
Leerverkaeufen und ausserboerslichem Derivatehandel umfasst.
- Eine konsequente Demokratisierung der europaeischen Politik: Die 
Rechte des Europaeischen Parlaments und der nationalen Parlamente bei 
europa-politischen Fragen muessen weiter ausgebaut werden.
- Eine Abkopplung der Staatsfinanzierung von den Finanzmaerkten. Die 
EZB soll kuenftig direkt Kredite an die Staaten vergeben statt den 
kostspieligen Umweg ueber den privaten Bankensektor zu nehmen. Zudem 
muss die EZB unter demokratische Kontrolle gestellt werden.
(bearb.)
Quelle: 
http://www.attac.de/fileadmin/user_upload/Kampagnen/Euro-Krise/material/Factsheet_Fiskalunion.pdf
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