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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 21. November 2012; 20:29
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Debatten:
> Autorisiertes und Autoritaeres
Der Oesterreichische Journalisten Club (OeJC) lehnte in einer 
Aussendung die Bedingungen, unter denen Frank Stronach zu Interviews 
bereit ist, ab und empfahl generell den Mitgliedern der 
journalistischen Zunft, von Interviews mit Stronach derzeit einmal 
abzusehen. Der Grund: Stronach verlange vor Fuehrung eines Interviews 
eine schriftliche Erklaerung des Interviewers, dass vor 
Veroeffentlichung in einem Printmedium der gesamte Gespraechstext 
inklusive Titel und Vorspann zur Autorisierung vorgelegt werde und vor 
Erhalt dieser Autorisierung es zu keiner Veroeffentlichung komme.
Ausgeloest hatte die Debatte die Zeitschrift "DATUM", die diese 
Erklaerung faksimilierte und sie als den Grund angab, weswegen sie mit 
Stronach kein Interview zu fuehren bereit sei: "Was Stronach sich mit 
seiner ,Erklaerung' vorstellt, ist der plumpe Versuch einer Zensur. 
Ja, Interviews und Zitate werden hierzulande von Qualitaetsmedien 
autorisiert. Das heisst, dass der Interviewte seine Antworten vorab 
zugeschickt bekommt. Das passiert allerdings nur, um zu vermeiden, 
dass bei gekuerzten Passagen die Dinge aus dem Kontext gerissen 
werden. Will ein Pressebuero die Fauxpas ihres Chefs zu ungestuem 
kaschieren, wird das in der Regel ignoriert."
Stronach reagierte auf diesen Protest in einer Aussendung: "Die 
Autorisierung von Interviews ist international ueblich und wir sehen 
auch keinerlei Grund dies zu aendern. Oft werden aus Gruenden der 
Verkaufbarkeit bzw. um eine gute Headline zu haben, Zitate aus dem 
Zusammenhang gerissen. Weiters ist -- ein hart kritisierter -- Teil 
der Erklaerung, dass Titel und Vorspann zur Sichtung uebermittelt 
werden, um sicherzustellen, dass das Gesagte nicht aus dem 
Zusammenhang gerissen wird und auch die Fakten inhaltlich richtig 
sind. Dies haben wir eher als Hilfe fuer Medien gesehen, damit Fehler 
vermieden werden - niemals als Angriff auf die Pressefreiheit. Die 
Vorwuerfe hinsichtlich ,Zensur' sind daher aus unserer Sicht haltlos 
und werden -- da wir uneingeschraenkt zur Pressefreiheit stehen --  
zurueckgewiesen. Wir verstehen aber, dass JournalistInnen dies so 
auffassen koennen und bedauern dies ausserordentlich."
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Nunja, der Fall von Stronach ist extrem. Aber er wirft ein 
bezeichnendes Licht auch auf die journalistische Kultur in diesem 
Land. Denn waehrend der Boulevard bisweilen Interviews einfach 
erfindet, lassen sich Qualitaetsmedien oder was sich dafuer haelt, 
Interviews auf Verlangen der Interviewten absegnen. Das ist wohl auch 
der Grund, warum Stronach ueberhaupt auf die Idee zu so einer 
Garantieerklaerung kommt. Denn als Wahlkanadier muss er ganz genau 
wissen, dass das nicht generell "international ueblich" ist und im 
angelsaechsischen Sprachraum eher als sehr unueblich angesehen wird. 
Ueblich ist dieses Autorisierenlassen lediglich im deutschsprachigen 
Bereich.
Diese Ueblichkeit ist allerdings eher ein Uebel. Ein einziges Mal habe 
ich mir ein Interview absegnen lassen -- und zwar, weil mir die 
Batterien meines Aufnahmegeraetes waehrend des Gespraechs eingingen 
und ich deswegen auf meine Notizen und mein Gedaechtnis angewiesen 
war. Um da noch eine serioese Wiedergabe moeglich zu machen, blieb mir 
nichts anderes uebrig, als dem Interviewten das Niedergeschriebene vor 
Veroeffentlichung vorzulegen. Was da der Interviewte ploetzlich alles 
nicht gesagt haben wollte, war die Haelfte dessen, was das Interview 
interessant gemacht haette -- mit den nun notwendigen Abaenderungen 
verkam es zu einer geglaetteten offiziellen Stellungnahme. Die 
Ehrlichkeit des Originals war dahin.
Schriftlich veroeffentlichten Interviews haftet natuerlich immer das 
Problem an, dass gesprochene Sprache oft nicht 1:1 wiedergegeben 
werden kann ohne unlesbar zu werden. Serioeser Journalismus muss darum 
bemueht sein, so zu redigieren, dass die Aussagen wirklichkeitsnah 
unter Ausblendung von Gestammel, Versprechern und Belanglosigkeiten 
reproduziert werden -- im geringeren Ausmass betrifft das natuerlich 
auch geschnittene Audio- und Video-Interviews. Das ist eine 
Notwendigkeit, um die Rezeptionsfaehigkeit des Interviews zu 
gewaehrleisten. Diese Redaktion sollte aber allein in der 
Verantwortung des Mediums liegen -- denn eine Autorisierung kann sehr 
schnell dazu fuehren, dass das Interview auf die Qualitaet einer 
Presseaussendung herabsinkt. Und: Es fuehrt auch dazu, dass die 
Verhaberung von Politik und Medien verfestigt wird.
Das Selbstbewusstsein des Journalismus als vierte Gewalt ist gerade im 
deutschsprachigen Raum -- wo die Trennung der Gewalten sowieso eher 
theoretisch ist -- leider viel zu gering. Stronachs Ansinnen sollte 
von dieser vierten Gewalt daher zum Anlass genommen werden, gerade im 
serioesen Bereich sich einmal klar zu werden, dass sie eine 
Frontstellung zur Politik hat und nicht ihr Transmissionsriemen sein 
darf. Dann werden vielleicht auch Politikerinterviews in diesem Land 
wieder etwas interessanter werden.
*Bernhard Redl*
Stellungnahme OeJC und Aussendung Stronachs:
http://www.oejc.at/index.php?id=32&tx_ttnews[tt_news]=80&cHash=8432fd9e4646e807cdb0db9343246e26
Das Stronach-Formular:
http://www.datum.at/artikel/die-freiheit-die-er-meint/
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