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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 21. November 2012; 20:25
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Buecher

> Die Macht des Charismas

Ian Kershaw
Das Ende
Kampf bis in den Untergang.
NS-Deutschland 1944/45.
2011, Deutsche Verlags-Anstalt Muenchen, 702 Seiten

Der Autor beschreibt und analysiert den Herbst und den Fall des
Dritten Reichs. Trotz der zahllosen Niederlagen und
Aufloesungserscheinungen "funktionierte" die NS-Diktatur weitgehend
bis zum bitteren Ende. Es gab keinen breiten Widerstand, geschweige
denn einen Aufstand. Die Befreiung erfolgte von aussen. Kershaw
legt -- in bestechender narrativer Manier -- die Gruende dafuer dar.

Das Buch setzt mit dem Stauffenberg-Attentat auf Hitler am 20.Juli
1944 ein. Das Scheitern fuehrt zu einer weiteren Radikalisierung des
Regimes und zu einer gigantisches Ausdehnung der Repression. Hitler
steigert abermals seinen politischen Wahnsinn, greift selbst in
taktische Entscheidungen der Militaers ein.

Die Niederlagen nach der Landung der westlichen Truppen in der
Normandie bzw. der Offensive der Roten Armee im Osten, verschaerft
durch die inneren Rivalitaeten, den Kompetenzen-Wirrwarr in den
staatlichen und Partei-Strukturen erfolgen Schlag auf Schlag. Die
"Ardennen-Offensive" kommt bald zum Stillstand, die "Wunderwaffen",
die das Steuer fuer die Nazis herumreissen sollen, bleiben aus.
Taktische Fehler der Alliierten gewaehren den Nazis eine laengere
Frist. Erst im Mai 1945 ist der hoellische braune Spuk definitiv zu
Ende.

Trotz des offensichtlichen Niedergangs, den zerbombten deutschen
Industrieanlagen, Verkehrswegen und Staedten haelt sich die Diktatur.
Sie broeckelt, aber sie faellt nicht. Fuer die in Schutt und Asche
liegenden Staedte laufen -- wenn auch bei weitem nicht aureichende --
Hilfsmassnahmen an. Ebenso werden Gehaelter, Stipendien etc.
puenktlich ausbezahlt.

Die Diktatur haelt sich nicht vorrangig wegen der immer mehr um sich
greifenden Unterdrueckungsmassnahmen im Inneren. Hitler geniesst
weiter -- wenn auch deutlich abnehmend -- Sympathie, die Kritik
richtet sich eher gegen seine "Umgebung" , die "unfaehigen Generaele"
etc. Die ideologische Saat der Nazis (Rassismus, Angst vor den
"bolschewistischen Horden aus der asiatischen Steppe", etc.) geht voll
auf. An der Front wird -- wenn auch immer weniger enthusiastisch --
weitergekaempft. Im Hinterland kuemmert man/frau sich ums blanke
Ueberleben. Fuer Widerstand gibt es kaum Raum.

Am Ende bleibt vom Dritten Reich nur mehr ein duenner
Nord-Sued-Streifen ueber. Aber selbst noch nach dem Selbstmord Hitlers
wird unter der "neuen" Regierung Doenitz weitergekaempft. Die
bedingungslose Kapitulation erfolgt erst am 8.Mai 1945.

Es war ein Buendel von Faktoren, die den Fall so lange hinausschoben.
Entscheidend fuer Kershaw -- und ich stimme hier seiner Analyse zu --
war die Aufrechterhaltung der STRUKTUREN "charismatischer Herrschaft"
(S.28ff). "Alle Strukturen einer kollektiven Regierung hatten sich
seit Beginn des Dritten Reichs und forciert waehrend des Krieges
aufgeloest" (S.538). Mussolini hingegen wurde "im Juli 1943 vom
Grossen Faschistischen Rat, seiner eigenen Organisation, abgesetzt"
(ebd.).

Der Begriff "charismatische Herrschaft" stammt bekanntlich von Max
Weber -- ist aber eigentlich schon bei Marx in seiner Analyse des
Bonapartismus angelegt.

Hitlers absolute Herrchaft hielt seine Satrapen und "Gold-Fasane"
ideologisch und strukturell fest im Grif. Alles war auf ihn
zugeschnitten, es gab keine "Alternativ-Strukturen". Massenloyalitaet
konnte so lange erzielt werden. Anders als 1918 entwickelte sich KEINE
revolutionaere Situation.

Ein analytischer Einwand soll nicht unerwaehnt bleiben. Die kampflose
Niederlage der deutschen ArbeiterInnenklasse 1933 durch die
verheerende Politik der sozialdemokratischen und stalinistischen
Fuehrungen und die Folgen die sich daraus fuer den Widerstand ergaben,
werden nicht ausreichend thematisiert. Ebenso, dass es trotzdem im
"Altreich" und in Oesterreich ArbeiterInnen-Widerstand gegeben hat.

Ich gestehe, das Buch von Kershaw ist faszinierend: ich habe mit dem
Lesen nicht aufhoeren koennen und innerhalb eines Tages die Lektuere
der Schwarte beendet. Ich kann sie nur waermstens weiterempfehlen.
*Hermann Dworczak*



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